Xhavit Hyseni muss seine E-Mails überprüfen. "Ich hoffe, es ist okay, wenn ich ab und zu nachschaue." Dann schiebt er nach, dass ihm die Unterbrechung leidtue, es aber wichtig sei. Es geht um den Abschluss des Konzil-Jubiläums, die Zeit drängt.
Hysenis Unternehmen nachtschwärmer-kn hat Julia Engelmann gebucht, eine Poetry-Slammerin, Jahrgang 1992 und somit etwa zehn Jahre jünger als er. "Ihr Management muss einverstanden sein mit den Sponsoren, mit denen wir auf den Plakaten werben", sagt er. Wenig später kommt das Okay. "Es klappt", sagt er nur.
Botschaft der Studierenden: Mach das Campus Festival weiter!
Es gibt wenig in seinem Leben, das nicht klappt. Kürzlich gab er seine Master-Arbeit im Fach Politik- und Verwaltungswissenschaften ab. "Auf den letzten Drücker", sagt er. Fast zeitgleich mit dem diesjährigen Campus Festival an der Universität. Die Veranstaltung wird es weiterhin geben. Auch, weil die Studierenden per Urabstimmung eine finanzielle Unterstützung zusicherten. Doch mit oder ohne Hyseni?
Er hätte auch andere Möglichkeiten gehabt
Endet mit seinem Studium auch das studentische Unternehmen nachtschwärmer-kn? "Es stand schon im Raum, dass ich etwas anderes mache", räumt er ein. Für die EU zu arbeiten reizte ihn. Weil er Kosovarisch und Serbo-Kroatisch spricht, wären seine Chancen auf eine der begehrten Stelle gut. Stattdessen: Professionalisierung von nachtschwärmer-kn. "Das Studium hat viele Projekte unmöglich gemacht, die wir jetzt angehen wollen. Wir wollen wachsen", sagt Hyseni. Wir, das sind noch fünf weitere Kollegen.
"Daheim im Dorf, das sind alles tüchtige Leut'"
Abitur, Studium in Konstanz, Schweden und England, Jungunternehmer, Konstanzer Kopf. "Das hätte so nicht kommen müssen, ich weiß das", sagt Hyseni und setzt nach: "Es ist nicht selbstverständlich, dass ich hier sitze." Manchmal wirkt er so bescheiden, dass es anstrengend ist. Für seine Ziele müsse man hart arbeiten, das sei er gewohnt. "Daheim im Dorf, das sind alles tüchtige Leut'", berichtet der bisweilen unscheinbar wirkende Mann mit dem schwarzen Haar.
Dann wieder eine Entschuldigung, manchmal da rutsche das Schwäbische so durch. Als Hyseni mit seinen Eltern und drei Geschwistern Anfang der 1991 aus dem Kosovo nach Deutschland floh, seien sie die ersten Ausländer in Irndorf, einem 680-Seelen-Nest bei Tuttlingen, gewesen. "Das war ein Vorteil, wir konnten uns integrieren, weil wir es mussten."
Zukunft in Deutschland oder nicht? Als "das halbe Dorf" nach Karlsruhe mitfuhr
Dann wird seine Stimme noch leiser als sonst ohnehin. Hyseni erinnert sich an "diese Fahrt nach Karlsruhe". Ein Gericht hatte über den Asylbescheid seiner Familie zu entscheiden. Daumen hoch oder runter, Zukunft in Deutschland, ja oder nein? Da entschloss sich "gefühlt das halbe Dorf", wie Hyseni sagt, die neuen Nachbarn zu begleiten.
"Das war prägend für mich, es rührt mich bis heute", sagt er mit Tränen in den Augen zu. Wegen dieser Geste habe er keine Zweifel gehabt, dass er mit seinen Eltern und Geschwistern bleiben durfte. "Ich war ja ein Kind und hatte keine Ahnung, dass es genauso gut anders hätte laufen können." Lief es nicht.
Hyseni: Die Debatten wiederholen sich gerade
2018 erlebt Deutschland erneut Debatten zum Umgang mit Menschen anderer Herkunft. "Ich habe den Eindruck", sagt Hyseni, "da wiederholt sich etwas: Migranten wird weniger zugetraut, obwohl die meisten von ihnen zum Wohlstand in Deutschland beitragen". Die Irndorfer Nachbarn konnten seine Familie noch so schätzen, für den kleinen Xhavit war nach der Grundschule klar: Der kommt auf die Hauptschule.
"Man leidet da auch, es fühlte sich an wie ein Kampf unter der eigenen Gewichtsklasse", sagt er rückblickend. Auf den Abschluss folgten: Kaufmannslehre, Turbo-Abi in Freiburg und der Beginn des Studiums in Konstanz.
Dankbar für die Chancen, Angst vor dem Scheitern
Herr Hyseni, Sie sind – mit Verlaub – ein Streber, rutscht es einem heraus. Wieder zeigt er nicht, dass er das als Beleidigung sehe. Er lächelt nur und widerspricht ruhig: "Nein, aber ich bin fleißig. Es wäre unverschämt gewesen, wenn ich die Chancen vertan hätte, die mir gegeben wurden."
Allen voran wollte er diejenigen nicht enttäuschen, die ihm ein Stipendium ermöglichten. Sich in Sicherheit zu wiegen, das habe er sich nie gegönnt. "Mein Antrieb ist bis heute die Angst vor dem Scheitern", gibt er zu. Ein Fehler allgemein in der Gesellschaft, wie er findet. "Wir hoffen zu selten auf Erfolg und fürchten zu oft den Misserfolg."
Im März zahlte das Kulturamt 13.500 Euro an das Campus-Festival
Als Alternative zur institutionellen Förderung erhält das Campus-Festival eine sogenannte Fehlbetragsfinanzierung von maximal 15.000 Euro jährlich. 90 Prozent dieser Summe wurden laut Stadtverwaltung im März dieses Jahres ausbezahlt. "Der Restbetrag kann ausbezahlt werden, wenn die Abrechnung vorgelegt wird und ein entsprechender Fehlbetrag ausgewiesen wird", erklärt Walter Rügert, Pressesprecher der Stadt Konstanz.*
Einen tolpatschigen Festival-Helfer anschreien? Wohl kaum.
Es geht ja doch ihn ein wenig in Rage zu versetzen. Kann das auch während des zweitägigen Festivals passieren? Ohne Frage ist es das wichtigste Projekt von nachtschwärmer-kn. Wird da wenigstens einmal ein tolpatschiger Helfer angepfiffen?
"Ich wirke nach außen immer sehr gelassen, weil ich hochkonzentriert bin. Aber in den beiden Tagen brodelt es in mir", räumt er ein. Also doch auch einmal ein Schrei? "Nein, lauter werde ich sicher nicht." Er kann sie einfach nicht sein lassen, diese Freundlichkeit.
*Hinweis: In einer ursprünglichen Version des Artikels war hier zu lesen: "Sieht man das auch im Rathaus so? Dort wurde dem Campus-Festival kürzlich eine Förderung verweigert. Und jetzt wird Hyseni doch etwas ungehalten. 'Das ist eine Absage an große Teile der Bevölkerung', sagt er.
Der SÜDKURIER bedauert diese missverständliche Darstellung. Sollte es wegen dieser Verkürzung der tatsächlichen finanziellen Unterstützung durch die Stadt Konstanz zu Unklarheiten gekommen sein, so bittet die Redaktion um Entschuldigung.
"Wir sind gleicher Meinung"
Dieter Bös hat 1978 das Unternehmen Koko gegründet und organisierte unter anderem das Festival Rock am See. 2016 zog sich Bös aus dem operativen Geschäft zurück
Herr Bös, wie schätzen Sie die Arbeit von Xhavit Hyseni für die Lebensqualität in Konstanz ein?
Jede Initiative, die das kulturelle Angebot in Konstanz erweitert, verdient Respekt. Im Falle von Xhavit Hyseni und seinen Mitstreitern ist es so, dass ich der Meinung bin, ihre Arbeit bereichert den Veranstaltungskalender und erhöht den Freizeitwert der Stadt Konstanz.
Was halten Sie davon, dass der Gemeinderat und die Stadtverwaltung das Campus Festival künftig nicht fördern will?*
Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht so ist, dass der Gemeinderat das Festival aufgrund seiner Förderrichtlinien nicht fördern kann. Grundsätzlich finde ich das Festival absolut förderungswürdig. Wer Künstler wie Olli Schulz, Joris, Boy, Moop Mama oder Julia Engelmann nach Konstanz bringt, hat meine volle Anerkennung.
Könnten Sie sich eine Zusammenarbeit mit nachtschwämer-kn vorstellen?
Ja, ich kann mir sehr gut eine Zusammenarbeit mit Xhavit Hyseni und Nachtschwärmer vorstellen. Ich weiß, dass wir in vielen Dingen gleicher Meinung sind.
Fragen: Benjamin Brumm*Hinweis: Die Stadtverwaltung Konstanz weist darauf hin, dass den Veranstaltern im April 2018 ein Hinweis aus dem Kulturamt zuging, sie sollten einen neuen Zuschussantrag für den nächsten Doppelhaushalt 2019/2020 für das Campus-Festival vorlegen. Die Fehlbetragsfinanzierung von 15.000 Euro bezieht sich auf das Jahr 2018. Die oben aufgeführte Aussage, Gemeinderat und Stadtverwaltung Konstanz wollten das Festival künftig nicht mehr fördern, besteht somit nicht.