Volkssport Kegeln. Das war einmal. Es gab eine Zeit, in der in Konstanz und dem Umland unzählige Bahnen ständig belegt waren. Man musste zeitlich schon sehr flexibel sein, um ein Stündchen auf einer der begehrten Sportanlagen verbringen zu dürfen.
Mainaublick in Egg, Rose und Neptun in Wallhausen, die zweistöckige Bahn in der Markgrafenstraße, das Hotel Balm, die Spellmannhalle im Industriegebiet, um nur einige zu nennen. Sie alle gibt es längst nicht mehr.
Heute existiert noch eine Handvoll kleiner Kegelbahnen in Gaststätten, und selbst die werden nur selten gebucht. Nachwuchs? Fehlanzeige. Selbst die wenigen Sportkegler, die übrig geblieben sind, bangen um ihre Zukunft. Dabei hat Kegeln hierzulande eine lange Tradition.
In Deutschland wird seit dem Mittelalter mit Kugeln auf Kegel geworfen, wobei es immer wieder Verbote gab. „Die haben damals gezockt, und zwar um Haus und Hof, und da gab‘s dann Tragödien und es gab auch Schlägereien und Raufereien. Dieser ganze Zusammenhang – Wetten, Alkohol, Raufereien – hat dazu geführt, dass das Kegeln verboten worden ist“, sagte Uwe Veltrup, Marketingreferent des Deutschen Kegler- und Bowling-Bundes (DKB), dem Deutschlandfunk.
Der Kegelboom startet in den 1950-er Jahren
Am 7. Juni 1885 wurde in Dresden der Zentralverband Deutscher Kegelklubs ins Leben gerufen. Vier Jahre später wurde er in Deutscher Keglerbund umbenannt und begann damit, einen Spielbetrieb mit verschiedenen Ligen zu etablieren. 1922 fanden die ersten Deutschen Mannschaftsmeisterschaften statt.
Als in den 1950er-Jahren die Bahnen automatisiert wurden, begann hierzulande ein Boom, der etwa drei Jahrzehnte anhielt. „In den 1980er-Jahren fing es an zu stagnieren“, sagte Veltrup. „Und ohne Kegelanlage keine Kegelsportvereine und ohne Kegelsportvereine keine Mitglieder.“
Uwe Oldenburg, der Präsident des DKB, sagt: „Wir waren in den 1980er-Jahren mal fast 200.000 Mitglieder und haben jetzt noch 80.000 Mitglieder. Wir verlieren jedes Jahr zwischen drei und fünf Prozent.“ Einen Weg, den Rückgang zu stoppen, habe bislang niemand gefunden. Auch in Konstanz nicht.
Wir haben uns mit einem aktiven Sportkegler, zwei Kegelbahnbetreibern und einem früheren Hobbykegler über die Gründe des Niedergangs und die Zeiten des Booms unterhalten.
Der Sportler
„Früher waren die Bahnen ständig ausgebucht mit Hobbykeglern“, erinnert sich Karl-Heinz Bertram an die Zeiten, in denen die Stadtmeisterschaften für ihn „ein Riesenevent“ waren. Während Hobbykeglern eine einzige Bahn reicht, benötigen die Sportvereine für ihren Spielbetrieb eine Anlage mit mindestens vier Bahnen. Davon gibt es in ganz Konstanz inzwischen überhaupt keine mehr. „Deshalb haben wir auch große Probleme mit dem Nachwuchs“, erklärt Bertram.
„Früher hatten wir vier Vereine mit knapp 150 Mitgliedern, darunter 10 bis 15 Jugendliche“, sagt der Kegel-Abteilungsleiter beim Post-Telekom Sportverein. Inzwischen mussten sich der PTSV Blitz und die SKG Alle Neune aus Mangel an Sportlern zur SG Konstanz zusammenschließen.
Im März droht nach 70 Jahren das Aus
Seit 15 Jahren pendeln sie fürs Training und die Spiele nach Twielfeld bei Singen, weil dort die einzige Sportanlage der Region steht. Und auch die wird bald schließen. „Wenn wir keine neuen Räumlichkeiten finden, ist im kommenden März nach 70 Jahren Sportkegeln Schluss in Konstanz“, sagt Bertram.
Für ihn begann alles mit dem Rückgang der Kegelbahnen, dem sogenannten Bahnensterben. „Wo es keine Anlagen mehr gibt, hat man Probleme mit dem Nachwuchs“, sagt er und blickt wehmütig auf die Zeit zurück, als bei der Spellmannhalle im Industriegebiet „von Freitag bis Sonntag alle acht Bahnen und unter der Woche die Hälfte ausgebucht waren“.
Auf der Suche nach Nachwuchs und Räumen
Kegeln sei zwar schon immer eine Randsportart gewesen und werde es auch immer bleiben. Bertram ist aber überzeugt: „Wenn wir eine Viereranlage hätten, würde sich auch beim Nachwuchs wieder was tun.“
Bis dahin bleibt ihm und seinen Mitstreitern nichts anderes übrig, als weiter zu kämpfen um ihren Sport. „Das größte Problem ist in Konstanz, ein bezahlbares Gebäude zu finden“, sagt Bertram. Einige Örtlichkeiten hätten sie sich schon angeschaut. „Ein großer Kellerraum in einer Halle oder einer Firma würde reichen“, sagt er. Einzige Voraussetzungen: Umkleide, Duschen und eine kleine Theke wären nötig. „Und die Pacht sollte bezahlbar sein, den Umbau würden wir übernehmen“, sagt Bertram.
Die Wirte
Als Jungen verdienten Christian Renker und seine Brüder sich ein paar Pfennige als Kegeljungen in der Gaststätte des Vaters. „Als wir klein waren und Dienst hatten, war die Bahn mehrfach am Tag ausgebucht“, sagt der 49-Jährige, der vor 23 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder Hansjörg die Traube in Staad übernommen hat. „Von 14.30 Uhr bis 23 Uhr war die Bahn an fünf Tagen die Woche durchgehend belegt. Nachmittags kamen die Senioren, abends die Berufstätigen“, erzählt Christian Renker.
Inzwischen ist die 1980 modernisierte Anlage in einem Nebengebäude in die Jahre gekommen und steht die meiste Zeit leer. „Wir haben noch sechs bis sieben Gruppen pro Woche, vorher waren es mindestens 15“, sagt Renker.
Es spielen fast nur noch Senioren
Auch hier sind es – abgesehen von einigen Kindergeburtstagen am Nachmittag – in der Regel ältere Semester, die zum Kegeln kommen. Manche Spieler sind schon über 80. „Es sind Freizeitclubs dabei, die sich Anfang der 1970er-Jahre gegründet haben“, sagt der Gastronom. „Manchmal kommen Gäste, die sind 60 oder 65 Jahre alt, und sie erzählen, dass sie früher selber hier Kegeljungen waren.“
Es habe immer wieder einmal einen kleinen Boom gegeben, wenn eine andere Bahn ihre Pforten schließen musste, wie zur Jahrtausendwende der Mainaublick in Egg oder später das Hotel Balm in Wollmatingen.
Auch die Betreiber von kleinen Bahnen müssen kämpfen
Die Bahn im Gasthof zur Traube ist keine offizielle Bundesbahn. „Dafür ist sie zwei bis drei Meter zu kurz“, sagt Christian Renker über die sogenannte Gesellschaftsbahn, auf der Hobbygruppen spielen und per Telefon in der Gaststätte nebenan ihre Bestellungen aufgeben können.
Wie lange die Bahn noch für 9 Euro die Stunde gebucht werden kann, weiß Christian Renker nicht. „Kleinere Reparaturen machen wir selber“, sagt der 49-Jährige, „wenn aber etwas Größeres kaputt ginge, dann könnte es sein, dass wir aufhören müssten.“
Der ehemalige Hobbykegler
Als Hans-Joachim Pfeffer sich seinen Freunden im Kegelclub „Nix versaut“ anschloss, war der Konstanzer gerade 18 Jahre alt geworden. Heute ist er 87 und blickt mit etwas Wehmut zurück auf die Vergangenheit. „Sehr viele Konstanzer haben damals gekegelt, meistens um kleine Einsätze“, sagt er, „mit dem Geld wurden dann die gemeinsamen Ausflüge finanziert.“
Dank des Kegelns kamen sie gut herum in der Nachkriegszeit: Wien, Venedig, Lissabon, Prag. „Das waren alles Orte, wo wir als Privatleute so nicht hingekommen wären“, erinnert Pfeffer sich. „Anfang der Fünfzigerjahre waren wir in Meran. Die Einheimischen haben uns wegen unseres Dialekts für Schweizer gehalten“, sagt der 87-Jährige und lacht. „Wir haben sie in dem Glauben gelassen, da waren wir besser anerkannt als als Deutsche.“
Immer auf der Suche nach einer Bahn zum Spielen
Mit etwa einem Dutzend Spieler traf er sich immer freitags zum Kegeln. Zunächst im Gasthaus Schützen in der Wollmatingerstraße. Als das Lokal schloss, mussten die Kegler schon vor mehr als 50 Jahren eine kleine Odyssee unternehmen, um eine Bahn zu finden.
Während es heute kaum noch Anlagen gibt, war dies damals jedoch der hohen Nachfrage geschuldet. „Da alle Bahnen belegt waren, war es schwierig, überhaupt etwas zu finden“, sagt Pfeffer, „und die Vereine, die eine Bahn hatten, wollten ihre Zeiten nicht aufgeben.“
Starke Konkurrenz durch Freizeitmöglichkeiten
So kegelten er und seine Kumpels fortan mal im Mainaublick in Egg, mal auf der Reichenau – im evangelischen Erholungszentrum und im Hotel Mohren. Zeitweise im Hotel Balm in Wollmatingen, im Steinbock in der Inselgasse oder auch in der Schweiz. „Wir mussten immer schauen, dass wir was finden“, erinnert Pfeffer sich.
Heute sei das große Freizeitangebot am Bodensee ein Grund dafür, dass sich kaum noch junge Leute für sein Hobby von damals begeistern. „Hier gibt es Wassersport, Turnen, Handball, Tennis, Fußball, Golf. An anderen Orten hat man lange nicht diese Auswahl“, sagt der 87-Jährige.
Blick zurück auf eine schöne Zeit
Seit er selbst vor 30 Jahren aufgehört hat, denkt er gerne zurück an die Geselligkeit beim Kegeln und dem anschließenden Kartenspiel. „Das war wirklich eine schöne Zeit. Wir haben immer viel Spaß untereinander gehabt“, sagt Hans-Jürgen Pfeffer.
Von seinem ersten Club lebt nur noch ein Spieler außer ihm, vom zweiten Club sind bis auf vier seiner Mitstreiter alle gestorben. „Schade“, sagt Pfeffer, „das waren alles gute Freunde.“