Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit einem Sattelschlepper war gestern das Bedürfnis groß, innezuhalten und die Sicherheit des eigenen Weihnachtsmarkts zu überdenken. Oberbürgermeister Uli Burchardt ließ vor dem Beginn der Gemeinderatssitzung eine Schweigeminute abhalten: „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei den Menschen in Berlin und bei jenen, die einen Angehörigen bei dem Anschlag verloren haben“, sagte er.
Polizei und Bürgeramt reagierten rasch und konkret in Bezug auf das Sicherheitskonzept in Konstanz und nahmen die Sicherheitspläne für den Markt kritisch unter die Lupe. Die Polizei wolle für die letzten beiden Markttage die Präsenz verstärken, kündigte Hans-Rudi Fischer an, Leiter des Bürgeramts, der zur Überprüfung des Konzepts alle lokalen Experten an einen Tisch geholt hatten.
An den Zugängen zum Markt sollen querstehende Polizeiwagen sichtbar machen: Die Polizei ist vor Ort. Die Autos könnten im Notfall auch als Sperren dienen. Vonseiten des Innenministeriums des Landes gab es Anweisungen an die Polizei: Die Präsenz werde sichtbar verstärkt werden, sagte Polizeisprecher Bernd Schmidt. Die Zugänge des Marktes sollen stärker überwacht werden. Außerdem appelliere die Polizei an Besucher und Standbetreiber, wachsam zu sein und Verdächtiges der Polizei zu melden. „Es handelt sich um eine hohe abstrakte Gefährdung in ganz Deutschland“, ein konkretes Bedrohungsszenario in Konstanz sei aber nicht bekannt. Veranstalter Heinrich Stracke will zudem mehr Sicherheitskräfte einsetzen. Stracke betonte, dass eine potentielle Gefährdung seit einiger Zeit gelte. „Soweit es geht, haben wir alle möglichen Vorkehrungen getroffen.“
„Ein Sicherheitskonzept ist nichts Statisches. Das Gebilde muss man immer anpassen. Die Gefahrensituation kann sich ändern“, sagte Hans-Rudi Fischer. Deshalb habe er die Sonderkonferenz initiiert. Mögliche terroristische Gefahren würden allerdings schon seit einiger Zeit bei den Sicherheitskonzepten für alle größeren Feste berücksichtigt. Auch ein Attentat mit einem Fahrzeug werde nicht erst seit dem Berliner Anschlag als mögliches Szenario in die Planungen einbezogen. Beim Seenachtsfest seien beispielsweise an einigen Eingängen in diesem Jahr bewusst Polizisten mit sichtbaren Langwaffen präsent gewesen.
Bei einer nicht eingezäunten Veranstaltung über vier Wochen, wie dem Weihnachtsmarkt, greife ein anderes Konzept. „Wir besprechen uns mit der Landespolizei, der Feuerwehr, dem Roten Kreuz.“ Sollte die Stadt einen neuen Festplatz einrichten, dann müssten wohl Sperren gegen Terrorakte mit einem Fahrzeug baulich eingeplant werden. Das Problem bei immobilen Sperren: Irgendwo müssten die Wege für die Rettungskräfte frei bleiben.
Auf dem Weihnachtsmarkt waren schon bisher Polizei in Uniform und in Zivil präsent, ebenso der städtische Gemeindevollzugsdienst, Marktmeister sowie Sicherheitskräfte. Die Standbetreiber seien aufgefordert, Verdächtiges zu melden. Um den Durchgang für die Besuchermassen zu erleichtern und Areale überblickbar zu halten, sei die Standdichte auf der Markstätte weiter reduziert worden, ebenso in der Marktstätten-Unterführung. Bei allen Überlegungen gibt Hans-Rudi Fischer zu bedenken: „Absolute Sicherheit wird es nicht geben.“ Eine Veranlassung, den Markt vorzeitig zu beenden, sieht er nicht.
Standbetreiberin Angela Mertens: "Ich fühle mich sicher“
Viele hatten gestern in Konstanz keine Bedenken, den Weihnachtsmarkt zu besuchen. Selbst als ein Transporter die Fußgängergasse zwischen den Buden an der Marktstätte ansteuerte, blieben die Passanten ruhig. Im Wagen saßen die Mitarbeiter eines Unternehmens für Geldtransporte. Sie waren auf einer Dienstfahrt.
Bärbel Holzer, Besucherin aus Ostrach, kam mit etwas mulmigem Gefühl auf den Konstanzer Markt. Letztlich habe das gute Wetter sie überzeugt, an den Bodensee zu fahren. Erich Gedig aus Meßkirch schlug seinem Gast Theo Baumgart aus Erfurt einen Besuch auf dem Konstanzer Markt vor. Er war einverstanden. Beide sind der Meinung, dass es nirgendwo absolute Sicherheit gibt, und deshalb auch keinen Grund, irgendwelche Plätze zu meiden. Susi Henß ist klar, dass Terroristen gern Massenveranstaltungen ins Visier nehmen, aber das lasse sich ganz gut ausblenden. Sie sei jedenfalls froh gewesen, heute mal einen freien Parkplatz in Konstanz zu finden.
Auch Händler blieben gelassen. „Es ist schlimm, was passiert ist. Aber ich projiziere das nicht auf Konstanz. Ich fühle mich sicher“, sagt Angela Mertens vom Stand für Fell- und Lederwaren. Dieses Jahr, so sagt sie, habe sie den Eindruck, dass weniger Besucher auf den Markt kamen. Auch andere Händler sehen das so. Ob dies allerdings nur mit der Angst vor Terror zu tun habe, könne sie nicht einschätzen. Conny Niedermann vom Schmuckstand ist gespannt, welche Sicherheitsmaßnahmen die Innenminister für Weihnachtsmärkte empfehlen. An echte Schutzmöglichkeiten glaubt sie nicht, allerdings auch nicht an all zu große Gefahren in Konstanz.
Der Markt
Der Konstanzer Weihnachtsmarkt mit jährlich bis zu 500 000 Besuchern gehört zu den größten in der Region. Dieses Jahr hat er 168 Stände. Die Buden stehen zwischen Marktstätte und Hafen. In den vergangenen Jahren ist der Markt zunehmend Richtung Hafenareal gerückt. Die Stände auf der Marktstätte und an der Marktstätten-Unterführung sind aus Sicherheitsgründen reduziert worden. (rin)