Die Stadt Konstanz sieht offenbar keine Chance mehr, das rund 70.000 Quadratmeter große Areal an der Bücklestraße zu kaufen, das von Siemens bis Jahresende freigegeben wird. Während die Investorenfirma Valad, der das Gelände und die Immobilien gehören, lediglich bestätigt, "dass wir mit der Stadt Konstanz über die Entwicklung des Areals im Gespräch sind", ist aus Gemeinderatskreisen zu hören, dass Valad mehrere Millionen Euro mehr verlangt als die Stadt zu zahlen bereit ist. Dennoch soll eine gemischte Wohn- und Gewerbenutzung möglich sein, heißt es in der nicht-öffentlichen Vorlage an den Gemeinderat. Bis zu 450 neue Wohnungen könnten in zentrumsnaher Lage entstehen.
Die von der Firma Valad beauftragte Kommunikationsagentur hat einen Fragenkatalog des SÜDKURIER nur mit wenigen knappen Sätzen beantwortet. Unter anderem lauteten die Fragen, ob auch ein privater Investor die politischen Ziele zur Schaffung von gefördertem oder preisgedämpftem Wohnraum mitträgt. Keine Auskunft gib Valad auch zu der Frage, ob es eine Vereinbarung mit der Stadt Konstanz über die Abschöpfung so genannter Planungsgewinne gibt – immerhin soll das bisherige Gewerbeareal zu einem deutlich renditestärkeren Mischgebiet mit Wohnnutzung umgewandelt werden.
Auf die Fragen des SÜDKURIER ließ Valad am Montag lediglich mitteilen: "Konsens wurde über die Ausweisung als Mischgebiet erreicht. Auch wird derzeit entsprechend dem Handlungsprogramm Wohnen geplant. Siemens ist noch bis Ende 2016 Mieter. Da die Entwicklung erst danach gestartet wird, können derzeit keine detaillierten Aussagen getroffen werden, wie die Planung und der Zeitplan aussehen werden. Dies ergibt sich aus der weiteren Projektentwicklung."
Oberbürgermeister Uli Burchardt bestätigte, dass die Stadt "lange mit dem Eigentümer verhandelt hat über einen möglichen Kauf." Er gehe nun "nicht mehr davon aus", dass sich Valad und Stadt einig werden. Unklar ist, warum Angebot und Forderung um mehrere Millionen auseinander lagen. Falls sich Valad, wovon Burchardt ausgeht, den politischen Zielen der Stadt unterwirft, dürften die Vorstellungen über den Wert der sieben Hektar großen Fläche eigentlich nicht weit auseinander liegen. Dennoch glaubt Burchardt nicht, dass Valad ein profitträchtiges Nobel-Quartier schafft. Die Stadt habe "alle Instrumentarien in der Hand", auch die soziale Entwicklung zu steuern.
An der Bücklestraße gebe es auf jeden Fall auch geförderten Wohnungsbau, so Burchardt. Valad oder die Unternehmen, denen Valad die Flächen möglicherweise weiterverkauft, "müssen sich wie alle Investoren an den Handlungsprogramm Wohnen halten", erklärt Burchardt. Grenzen seien auch dadurch gesetzt, dass zwei Siebtel der des Areals, also 20 000 Quadratmeter, Grün- und Freifläche bleiben sollten. Damit will die Stadt die Fehler nicht wiederholen, die durch die extrem dichte Bebauung am Bahnhof Petershausen gemacht wurden. Auch gegenüber den Bewohnern in den Neubauten südlich der Bahnline stehe die Stadt im Wort, Freiraum zu schaffen.
Wie viele Wohnungen auf dem Siemens-Areal tatsächlich entstehen und ob alle derzeitigen Gebäude abgerissen werden, ist unklar. Es ist von 350 bis 450 zusätzlichen Wohneinheiten die Rede, ein Teil davon könnte in den Bestandsgebäuden entstehen. Für einige von ihnen interessiert sich dem Vernehmen nach auch der Denkmalschutz. Zusätzlich soll das Gelände auch ein Standort für Gewerbe bleiben. Wie dieses Mischgebiet organisiert wird, steht noch nicht fest. Auch der weitere Zeitplan ist noch ziemlich offen. Valad verweist darauf, dass Siemens bis Ende des Jahres mit der Produktion dort noch Nutzer ist. Allein die Verwaltungsverfahren, Wettbewerbe und möglicherweise eine Auswahl von Investoren dürften aber mehrere Jahre an Anspruch nehmen.
Das Siemens-Areal in Petershausen
Es bietet eine der wichtigsten innerstädtischen Entwicklungsperspektiven: Das Gelände von Siemens hat eine lange Geschichte.
- Die Fläche: Das Siemens-Areal ist rund sieben Hektar (70 000 Quadratmeter) groß und wird begrenzt von Bücklestraße, Elberfeldspange und Bahnlinie. Es stellt den westlichsten Teil von Petershausen dar und liegt diagonal versetzt zum früheren Güterbahnhof, dessen Fläche innerhalb von wenigen Jahren mit rund 700 Wohnungen bebaut wurde. Diese Dichte wurde vielfach als falsch kritisiert.
- Die Nutzung: An der Bücklestraße gibt es einen traditionsreichen Industriestandort. Der östlichste Teil an der Schneckenburgstraße beherbergte die Rieter-Werke, auf dem heutigen Siemens-Areal waren unter anderem Telefunken und AEG die Nutzer, bevor Siemens den Bereich Zeichenerkennung übernahm, der für automatische Briefsortieranlagen zentral ist. Der westliche Bereich war fü die B33 vorgesehen (Anschluss der Schänzlebrücke über die die Ulmisried-Trasse).
- Die Zukunft: Dass Siemens die Flächen nicht mehr benötigen würde, war seit einigen Jahren klar. Die Stadt hat sich deshalb per Ratsbeschluss ein Vorkaufsrecht gesichert. Nun werden entweder die Valad-Gruppe oder deren Käufer das Areal entwicklen. Der erste Schritt dazu könnte ab 2017 die Aufstellung eines Bebauungsplans oder auch ein städtebaulicher Ideenwettbewerb sein. (rau)