Sie ist nicht die Sorte Chefin, die sich gerne hinter einem Schreibtisch verkriecht. „Länger als eine Stunde am Stück sollte man sowieso nicht sitzen“, findet Sandra Reichmann. Die Leiterin des universitätseigenen Fitnessstudios Unimotion hat eine festen Händedruck und eine auffallend gerade Haltung. Und eben weil sie sich gerne bewegt bietet Sandra Reichmann statt eines Interviews in ihrem Büro lieber eine Führung durch die Räumlichkeiten an.
„Ich trainiere selbst dreimal die Woche hier“, erklärt die Frau in dem orangefarbenen Shirt. Wenn sie nicht gerade an der eigenen Fitness arbeitet, hilft sie, andere sportlicher zu machen. „Mir ist es wichtig, alle Menschen zu kennen, die bei uns auf der Trainingsfläche unterwegs sind“, sagt sie.

Bevor die Hanteln geschwungen werden, muss jedes neue Mitglied deshalb erst einmal einen ausführlichen Gesundheitscheck durchlaufen. „Wir führen eine Körperanalyse, einen Kraft- und Ausdauertest durch“, erklärt Sandra Reichmann und deutet auf die entsprechenden Apparaturen, die in einem Raum links hinter der Eingangstheke aufgebaut sind. Zudem gelte es, die Ziele abzustecken, für die in der kommenden Zeit geschwitzt werden soll.
Trainieren fürs Aussehen
„Nach acht Wochen überprüfen wir dann, ob der Übungsplan, den wir ausgearbeitet haben, so funktioniert oder nicht.“ Die überwiegende Mehrheit der 600 Mitglieder bestehe aus Studierenden. „In dem Alter sind die meisten noch gesund und beweglich“, sagt die Leiterin des Studios. „Sie trainieren eher für ihr Aussehen.“ Ist das Standardmitglied also ein Bodybuilder, der Trainingspausen dafür nutzt, seinen aufgeblasenen Bizeps im Spiegel zu bewundern?
Im Gegenteil, findet Sandra Reichmann. „Die Mehrzahl der Trainierenden sind zwar Männer, aber wir haben auch viele Frauen hier“, berichtet sie. „Wir haben auch Rehapatienten und viele Senioren hier. Unser ältestes Mitglied dürfte um die 80 sein.“ Aber selbst die Fraktion der jungen Männer legt aus Sandra Reichmanns Sicht heutzutage deutlich mehr Wert auf ihre Gesundheit als das noch vor einigen Jahren der Fall war. „Die klassischen Pumper gibt es immer weniger.“
Passend dazu geht die Führung im Balance-Park weiter. Statt Hantelbänken und Beinpressen findet man hier über den Boden gespannte und von der Decke hängende Seile: Slacklines und TRX-Bänder. „Geräte, die auch in Physiotherapie-Praxen eingesetzt werden“, erklärt Sandra Reichmann.
Dabei gehe es stets um ein ganzheitliches Training. „Viele der Übungen finden in einem relativ labilen Zustand statt. Man muss, neben der eigentlichen, funktionalen Übung, den Körper im Gleichgewicht halten und trainiert so sehr effektiv und alltagsnah.“ Sandra Reichmann hat selbst im Bereich des Balancetrainings promoviert. „Das ist mein Steckenpferd“, sagt sie. Von reinen Rehamaßnahmen einmal abgesehen, hält die Unimotion-Leiterin nur wenig davon, einzelne Muskeln isoliert zu trainieren.
Woran erkennt man den guten Trainer?
Vielleicht ist ihr ein funktionales Training auch deshalb so wichtig, weil sie elf Jahre lang für den SV Allensbach in der zweiten Bundesliga Handball gespielt hat. „In meiner Zeit als aktive Spielerin habe ich mir auch einiges an meinem Körper kaputt gemacht“, bedauert sie.
Heute trainiert Sandra Reichmann gesundheitsbewusster und versucht, ihr Wissen auch an jüngere Sportler weiterzugeben – zum einen als Trainerin der ersten Damenmannschaft ihres alten Vereins, zum anderen in der Übungsleiterausbildung an der Universität. Die 20 Trainer – zum Großteil Studenten –, die im Unimotion arbeiten, hat Sandra Reichmann, als operative Leiterin und Dozentin der Sport Science Academy der Uni, fast alle selbst ausgebildet.
Woran kann man als Laie denn einen guten Fitnesstrainer erkennen? „Daran, dass er Kontakt aufbaut. Ein guter Trainer hat im Blick, was ich gerade mache und ändert regelmäßig meinen Trainingsplan“, ist sich Sandra Reichmann sicher.

Kaum noch Karteileichen
Der Trainingsplan im Unimotion könnte bald schon Boxeinheiten umfassen. In der Trainingshalle hinter dem Freihantelbereich, wo sich im Moment gerade zwei junge Männer beim Klimmzugtraining abwechseln, soll eine multifunktionale Schiene montiert werden, an der unter anderem Boxsack, Ringe und Taue fixiert werden, verrät Sandra Reichmann. Sie freut sich, dass das Studio seit seiner Gründung im Jahr 2005 stetig erweitert werden konnte, was Fläche und Ausstattung angeht.
Noch schöner allerdings ist für die Trainerin, dass es unter den Unimotion-Mitgliedern kaum noch Karteileichen gibt. „Wer bei uns angemeldet ist, trainiert auch“, sagt Sandra Reichmann und lächelt. Gerade zwischen 16 und 20 Uhr und besonders zwischen Ende Oktober und Weihnachten sind die Trainingsflächen des Studios voll besetzt. Für jemanden, dem Bewegung so wichtig ist, wie Sandra Reichmann, kann es kaum einen angenehmeren Anblick geben.