Lieber Gregor,
für mich als Radkurier bist du als Radverkehrsbeauftragter wahrscheinlich die wichtigste Person in der städtischen Verwaltung. Deine Aufgabe ist es, für gute Bedingungen zu sorgen, damit ich meinen Job gut und zuverlässig erledigen kann. Ich finde, du machst das gut.
Seit du im Amt bist, hat sich schon einiges zugunsten der Radfahrer geändert. Doch offenbar teilen nicht alle diese Meinung. Wenn ich die sozialen Medien durchstöbere, so stelle ich bei gewissen Kommentatoren einen großen Unmut fest. Da wirst du sogar als Mensch persönlich angegriffen. Dabei wäre es für deine Kritiker wohl besser, sie würden begreifen, anstatt anzugreifen.
Als Mensch bist du nämlich integer und glaubwürdig, mindestens soweit ich es beurteilen kann. Und immerhin kenne ich dich, seit du im Oktober 2016 deine Stelle angetreten hast. Stets warst du mir gegenüber höflich und anständig, aufgeschlossen und ehrlich. Ich bin sicher, dass du auch anderen mit demselben Respekt begegnest, auch wenn du bei manchen Anschuldigungen und Forderungen eine Elefantenhaut haben musst.
Freilich, das alles nützt noch nichts, wenn man sich nicht mit der Materie identifizieren kann. Aber auch da bist du genau der Richtige. Du gehörst nämlich mit Leib und Seele zur Radfahrerfraktion. Wärst du noch im Studium, wärst du bestimmt auch Fahrradkurier.
Du bist ein derart eingefleischter Radfahrer, dass man dich durchaus als Radaktivisten bezeichnen könnte. Und das ist das, was wir Radfahrer am meisten brauchen können: ein Radaktivist in der städtischen Verwaltung. Jemand, der unsere Interessen vertritt, wenn wichtige Entscheidungen anstehen.
Deine Kritiker wünschten sich aber wohl, du wärst die Verwaltung selbst, mit der Entscheidungskompetenz eines Diktators, dem sich alle anderen Meinungen und Bedürfnisse zu unterwerfen haben – die der Polizei, die der Fußgänger, die des Gewerbes, die der Landbesitzer und die derjenigen, die noch immer den Blechkisten huldigen sowie die aller anderen, die Interessen haben und etwas in Verwaltung und Politik zu sagen haben.
Doch so funktioniert unsere Demokratie nun mal nicht. Da braucht es Zeit, Ausdauer und viel Überzeugungsarbeit, bis man Gehör findet und Anliegen Berücksichtigung finden. Manchmal kämpfst du gegen Windmühlen und Leute, die vom Fahrrad wenig bis gar nichts halten. Das kenne ich selbst als Radkurier gut.
Für manche Menschen scheint das Fahrrad an sich eine Provokation zu sein, egal, welche Vorteile es nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt bietet.
Rauf aufs Rad, statt ins Internet
Aber während deine Kritiker diesen Menschen aus dem Weg gehen oder einfach über sie fluchen können, musst du dich mit ihnen an den Tisch setzen, langwierige Verhandlungen führen und Kompromisse schmieden. Dabei kann man dich nur unterstützen – am besten nicht mit Kommentaren in den sozialen Medien, sondern indem man möglichst oft das Fahrrad nutzt. Und da bin ich zum Glück nicht der Einzige.
Dein Eddie Kessler