Sechs Wochen statt sechs Monate. Seit fast einem Jahr dürfen private Wohnungen in Konstanz nur noch kurzfristig als Ferienunterkünfte vermietet werden. Im Oktober 2017 griff die Änderung der Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum.
Was sollte die Satzungsänderung bewirken?
Der Hintergrund des damals von der SPD-Fraktion in Gang gesetzten Vorschlags liegt auf der Hand: Der ohnehin knappe Konstanzer Wohnungsmarkt sollte durch eine gewerbliche Nutzung nicht zusätzlich beschränkt werden. Vermieter sollten sich nicht an der Bereitschaft von Touristen, tief in die Tasche zu greifen, bereichern.
Wie wirksam ist das Zweckentfremdungsverbot inzwischen?
Laut Baurechtsamt trägt es seinen "Anteil zur Bekämpfung des örtlichen Wohnraummangels bei". Durch die Verschärfung der Satzung sinke die Zahl der Anfragen nach Nutzungen als Feriendomizil stark.
Damals hatte Amtsleiter Andreas Napel angesichts rapide steigender Anträge Alarm geschlagen. Durch die Änderung der Satzung auf ein Sechs-Wochen-Limit ist diese Praxis laut Baurechtsamt wirtschaftlich nicht mehr lukrativ.
Auch sei so verhindert worden, dass einzelne Wohnungen oder ganze Mehrfamilienhäuser fast halbjährig leer stehen, weil sie im anderen Halbjahr als Ferienwohnung genutzt wurden. Nese Erikli (Grüne), Landtagsabgeordnete für Konstanz, hatte zum Thema Zweckentfremdung eine Anfrage an das Wirtschaftsministerium gestellt. Demnach seien seit der Satungsänderung sieben Anträge auf Ferienwohnungsnutzung gestellt und fünf genehmigt worden.
Und wie sieht die tägliche Praxis aus?
Ein Blick auf Internet-Portale wie AirBnB oder Fewo-Direkt lässt Zweifel aufkommen, dass die Umwidmung von Wohnraum tatsächlich nicht mehr geschieht, geschweige sich finanziell nicht für dessen Vermieter lohnt: eine 85-Quadratmeter-Wohnung im Musikerviertel für fünf Nächte und vier Gäste? 1223 Euro. Zu dritt eine knappe Woche auf 41 Quadratmetern in der Altstadt? 930 Euro.
Es geht auch deutlich dreister: Vier Nächte im Stadtteil Fürstenberg mit Gemeinschaftsbad? 649 Euro.
Wohlgemerkt werden diese Summen nicht zur Hauptsaison aufgerufen, sondern für Buchungen im November. Verfügbar sind sie außerdem deutlich länger als nur für sechs Wochen pro Kalenderjahr.
Und das darf man so vermieten?
Verboten ist das nicht zwangsläufig, denn Ferienwohnungen dürfen auch weiterhin über einen längeren Zeitraum als sechs Wochen angeboten werden – sofern deren Eigentümer eine gewerbliche Genehmigung hierfür haben. Diese wird zum Beispiel erteilt, wenn die Ferienwohnung durch den Bau einer mindestens gleich großen Ersatzwohnung ausgeglichen oder im Einzelfall eine Ausgleichszahlung bezahlt wird.
Kann man Zweckentfremdungen irgendwo melden?
Die Konstanzer Bürger scheinen wachsamer und empfindlicher geworden zu sein, wenn sie eine mögliche Zweckentfremdung vermuten. Laut Baurechtsamt sind bei der Stadtverwaltung seit März 2015 (damals trat das ursprüngliche Verbot in Kraft) etwa 1030 Anfragen diesbezüglich eingegangen – fast eine pro Tag. Überprüft werden diese durch eine Vollzeitkraft.
Die Mehrheit davon stammt laut Walter Rügert, Sprecher der Stadt Konstanz, aus der Zeit nach der Änderung der Satzung vor einem Jahr. Die Grünen-Abgeordnete Nese Erikli hatte aus dem Landeswirtschaftsministerium Ende September noch eine Zahl von 670 genannt bekommen. Die unterschiedlichen Zahlen "erschließen sich mir nicht", sagt sie auf Anfrage.
"Nicht nachvollziehbar ist auch, dass ich in meiner Anfrage die Antwort erhalten habe, dass die Stadt Konstanz die tatsächlichen Fälle von Zweckentfremdung nicht statistisch erfasst, diese nun aber doch vorliegen", ergänzt Erikli.
Wie viele Hinweise haben sich als plausibel erwiesen?
Denn gegenüber dem SÜDKURIER meldet das Baurechtsamt, dass mehr als 280 Verfahren anhängig sind. Dass in knapp einem Drittel der Hinweise auch tatsächlich eine Zweckentfremdung vorliege, zeige laut der Abgeordneten, dass es sich "lohnt, Verdachtsfälle an die Stadtverwaltung zu melden, damit mehr Wohnraum dem Wohnungsmarkt und somit den Bewohnern in Konstanz zur Verfügung steht".
Gab es bereits Bußgelder?
Walter Rügert führt aus, dass die bisherigen Verfahren noch zu keinem Bußgeld geführt haben. Grund dafür sei, dass die Änderung der Satzung erst ein Jahr alt ist, in mehreren der Verfahren sei deshalb im kommenden Jahr noch mit Bußgeldern zu rechnen.
Laut Paragraf 12 der Satzung kann das Bußgeld bis auf 50.000 Euro steigen. Bei vielen Verfahren, so Rügert weiter, muss es aber nicht zwangsläufig zu einer Strafe kommen: "Es kann auch bedeuten, dass ein Eigentümer einen beanstandeten Leerstand von Wohnraum erläutern muss."
Geschichte des Verbots
24 Jahre, zwischen 1972 und 2006, galt in Konstanz bereits ein gesetzliches Zweckentfremdungsverbot. Damals legte das Land Baden-Württemberg Städte fest, in denen die Versorgung von Wohnraum unter angemessenen Bedingungen gefährdet war. Als sich der Wohnungsmarkt allgemein entspannte, wurde dieses Gesetz nicht weiter verlängert. Seit 2013 haben Kommunen vom Gesetzgeber die Möglichkeit erhalten, selbst ein solches Verbot aussprechen zu können, sofern sie es für ihren jeweiligen Wohnungsmarkt für notwendig erachten. Konstanz machte davon im März 2015 Gebrauch und verankerte in der Satzung ein Limit von maximal sechsmonatiger Vermietung einer privaten Wohnung als Ferienwohnung. Im Oktober 2017 reduzierte die Stadt diese Frist auf sechs Wochen.