"Das älteste bespielte Theatergebäude Europas zerfällt, weil politischer Wille fehlt. Die Stadtpolitik will ihr kulturpolitisches Juwel nicht pflegen", klagt Intendant Christoph Nix an.
Als Beleg für seine Aussage führt Nix in einem Vor-Ort-Termin verschiedene Mängel des Hauses vor:
So mancher Zuschauersitz knarzt. Marketingleiter Mario Böhler zeigt einen Sitz im Zuschauerraum, der nicht mehr automatisch zuklappt. Manche Sitzflächen sind durchgesessen und haben Flecken.
An der Wand im Zuschauerraum sind Stromkabel notdürftig abgeklebt.
An der äußeren Fassade hat sich grüner Belag gebildet.
Das Turmzimmer ist gesperrt, da der Fluchtweg über eine Holztreppe führt, was verboten ist.
Ganz vorn im Zuschauerraum ist der einzige Platz für einen Rollstuhl. "Wir benötigen mindestens vier oder fünf", sagt Christoph Nix.
Im Foyer platzt der Boden ab, der seit 1934 liegt.
Im hinterein Bereich der Bühne stapeln sich die Utensilien, da es wegen der Enge des Hauses keine Nebenbühnen gibt. Darüber hängen sogenannte "schwebende Lasten", also weitere aufgehängte Utensilien. Deshalb dürfte sich hier eigentlich niemand aufhalten, so die Aussage des Theaters.
Der technische Direktor erzählt von einem Beinahe-Unfall
Vor einer Woche wäre es laut seiner Schilderungen beinahe zu einem Unfall mit dem Lastenaufzug gekommen. Holger Bueb, der Technische Direktor, wartete ausnahmsweise ohne Requisiten oder Bühnenausstattung auf den Lift. Die Tür öffnete sich – und er bemerkte gerade noch, dass der Aufzug ein Stockwerk zu tief gefahren war. "Die Tür hätte niemals aufgehen dürfen", erklärt er. "Wie oft gehen wir rückwärts hinein, weil wir voll bepackt sind. Dann wäre ich tief gestürzt."
Gleich am nächsten Tag, so schildert er, habe er die Stadt informiert. "Die Antwort: Dann benutzt den Aufzug halt nicht." Sieben Personen tragen seither Requisiten oder Bühnenbilder durch ein enges Treppenhaus. "Das ist unzumutbar und beschämend", ärgert sich Christoph Nix.
Die Stadt widerspricht der Darstellung des Intendanten
Walter Rügert vom Pressebüro der Stadt schreibt dazu: "Der Sonderaufzug unterliegt der Überwachung des TÜV. Im Oktober fanden Gespräche zwischen Theater und Hochbauamt statt. Zur Wahrung der arbeitsrechtlichen Auflagen wird der Aufzug in Kürze umgebaut und optimiert."
Es könne keine Rede davon sein, dass das Theater „absichtlich vernachlässigt“ werde, wie es heißt. In den letzten Jahren sei immer wieder in die Infrastruktur des Theaters investiert worden, als Beispiel nennt er Bühnenturm sowie Bühnenzüge für 2,8 Millionen Euro oder die Vorbühne für 150.000 Euro.
Das Theater kann weniger Geld investieren
Am 26. Juli erfuhr das Theater laut eigener Aussage, dass der Investitionshaushalt, also jene Gelder, welche zur Erhaltung und Weiterentwicklung des Hauses gedacht seien, von 120.000 Euro auf Null gesetzt würden. Christoph Nix: "OB Burchardt verwies mich an den Kulturbürgermeister. Der zeigte sich nicht gesprächsbereit. Schließlich wurde mit der Kämmerei ein Kompromiss gefunden, laut dem das Theater zumindest 35.000 Euro von der Stadt bekommt und denselben Betrag aus eigenen Mitteln aufbringt."
Diesen Kompromiss hätte das Theater zähneknirschend akzeptiert, um die notwendigsten Investitionen tätigen zu können. So wird davon eine neue Absauganlage für die Schreinerei finanziert, "da die derzeitige nicht nur gesundheitsbelastend ist, sondern sogar eine akute Explosions- und Entzündungsgefahr besteht", wie Christoph Nix es ausdrückt.
Christoph Nix sagt: Die Stadtpolitiker lassen das Theater verfallen
Die Zusammenarbeit mit dem Hochbauamt sei stets gut. In Nix' Augen sitzt das Problem woanders: "Es ist klar, dass bei fehlendem politischen Willen keine Mittel zur Theatersanierung aufgebracht werden können. Die Beispiele zeigen dies. Es gibt viele mehr: angefangen von unzureichender Behindertengerechtigkeit bis hin zur Garderoben- und Maskensituation. Hier verfällt ein kulturelles Erbe des Landes und eine kulturelle Institution der Stadt", so Nix.
Die Stadt sagt: Das Theater hat nie um Geld gefragt, weil das Haus verfalle
Die Antwort der Stadtverwaltung: "Seit einem halben Jahr wird an der Aufstellung des Entwurfs zum Doppelhaushalt 2019/2020 gearbeitet. Bei den Mittelanmeldungen war vonseiten des Theaters nie davon die Rede, dass das Theater vernachlässigt werde, sich sogar in einem baulich miserablen Zustand befinde oder sogar zerfalle."
Und: Ein Plan zur Sanierung, den das Theater abstimmen sollte, fehlt seit über einem Jahr
Die Behauptung aus dem Theater, dass Bundesmittel zur Sanierung zur Verfügung standen und nicht abgerufen wurden, sei laut Walter Rügert nicht richtig: "2015 wurde ein Antrag auf Bundesförderung gestellt, der nicht erfolgreich war. Das Theater sollte einen mit dem Baudezernat abgestimmten Planungsbeitrag zur Sanierung des Theaters bis zum Ende der Sommerpause 2017 vorlegen. Dieser steht bis heute aus, sodass kein erneuter Antrag gestellt werden konnte".
Das Konstanzer Theater
In Konstanz steht das älteste dauerhaft bespielte Theatergebäude Europas. 1607 haben hier die Jesuiten mit dem Theaterspiel angefangen. Die letzte große Sanierung fand 1934 statt.