Dass Konstanzer Bürger wegen der Vorgehensweise in Sachen Handlungsprogramm Fußverkehr verärgert sind, hat die Stadtverwaltung erkannt. Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn und Ralf Kaulen vom beauftragten externen Verkehrsplanungsbüro Kaulen standen persönlich vor etwa 60 Konstanzern im Ratssaal.

Hier wollten sie die Wogen zu glätten und das Handlungsprogramm erklären. Es gab viele Fragen, wenig Antworten, doch eines wurde nach zweieinhalbstündiger Diskussion deutlich: Die Bürger wollen eine professionelle Bürgerbeteiligung und ein gesamthaftes Verkehrskonzept, das alle Mobilitätsarten einbezieht.

Das könnte Sie auch interessieren

Baubürgermeister spricht von „sensationellem Ergebnis“

Das Verkehrsplanungsbüro Kaulen habe sich überlegt, wie die Standards für den Fußverkehr sein sollten. „Diese Standards haben wir auf Konstanz adaptiert“, sagte Ralf Kaulen. Es gehe um Komfort und Sicherheit für die Fußgänger, was auch Beleuchtungskonzepte und Bänke einschließe.

„Knapp 500 Maßnahmen haben wir vorgeschlagen“, so Kaulen. „Die Standards müssen jetzt in die Detailplanung.“ Dann stelle sich die Frage, handle es sich um eine Sofortmaßnahme oder sei eine bauliche Umsetzung nötig. Ein Teil dieser Vorschläge waren in der Online-Bürgerbeteiligung zur Priorisierung dargestellt. „Wir hatten 3800 Rückmeldungen. Ein sensationelles Ergebnis“, so Karl Langensteiner-Schönborn.

3800 Leute hätten an der Online-Bürgerbefragung teilgenommen. „Das ist sensationell“, findet Baubürgermeister Karl ...
3800 Leute hätten an der Online-Bürgerbefragung teilgenommen. „Das ist sensationell“, findet Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn. | Bild: Scherrer, Aurelia

Sensationell? Das finden viele Konstanzer nicht. Gemeinderätin Christel Thorbecke (FGL) stellte klar: „Das war keine Bürgerbeteiligung, denn die Bürger konnten nicht eingreifen.“ Sie forderte, dass das Einbeziehen der Bürger jetzt nachgeholt werden soll.

 Jeder konnte mehrfach teilnehmen – und damit sei die Befragung nicht objektiv, bemängelte Ingolf Reißner. Er als Anwohner der Schottenstraße kann nicht nachvollziehen, warum in eben dieser Straße beidseitig die Gehwege verbreitert werden sollten, was den Wegfall der dortigen Parkplätze zur Folge habe.

Nur ein Missverständnis? Oder „nicht sauber kommuniziert“?

Es handle sich um ein „Missverständnis“, so Ralf Kaulen. „Die Pläne geben wider, dass die Gehwege zu schmal sind.“ Es handle sich um einen Soll-Ist-Vergleich. „Das heißt noch lange nicht, dass sofort die Straße umgebaut wird. So weit ist es nicht. Wir fangen punktuell an“, sagte Kaulen, der auch bekannte, dass die Umfrage „nicht repräsentativ und statistisch nicht sauber“ sei. Man habe ein Stimmungsbild haben wollen.

„Die Pläne geben wider, dass die Gehwege zu schmal sind“, sagt der beauftragte externe Verkehrsplaner zur Online-Befragung. ...
„Die Pläne geben wider, dass die Gehwege zu schmal sind“, sagt der beauftragte externe Verkehrsplaner zur Online-Befragung. Es handle sich um einen Soll-Ist-Vergleich. | Bild: Scherrer, Aurelia

Gemeinderat Achim Schächtle, hätte es für gut befunden, wenn eine Planung vorliegen würde. Er befürchtet, wenn es letztlich eine Detailplanung gebe, „dann haben die Bürger nichts mehr zu sagen. Vom Abschaffen von Parkplätzen hält er nichts, denn: „Wenn wir E-Mobilität wollen, dann brauchen wir Parkplätze.“ Auch er blickte auf die Schottenstraße, wo auf jeder Seite der Gehweg auf 2,70 verbreitert werden soll.

„In Summe sind das 5,40 Meter“, so Schächtle. Würde das umgesetzt, dann entfielen in dieser Straße 80 Parkplätze rechnete Christian von Mulert. „Das haben wir nicht sauber kommuniziert“, meinte Ralf Kaulen. „Es heißt nicht, dass auf 2,70 Meter verbreitert werden muss. Wir haben versucht, die Planung online darzustellen.“

Viele Probleme werden aufgezeigt. Wie sehen die Lösungen aus?

Handwerker Andreas Brütsch wollte wissen: „Wenn wir im Paradies arbeiten müssen: Müssen wir das Material zu Fuß tragen, wenn Parkplätze weg sind?“ Darauf antwortete Ralf Kaulen: „Wir bemühen uns, Lösungen zu schaffen.“ Brütsch fragte zurück, wo die Ausweichparkplätze geschaffen würden. Erst würde die Detailplanung gemacht, dann gäbe es eine Antwort auf die Parkplatzfrage, so Kaulen.

Silvia Jungmann kann die Standard-Gehwegbreite nicht nachvollziehen. Rücksichtnahme sei doch die Pflicht eines jeden. Man könne durchaus einmal hintereinander gehen, um einen anderen vorbeizulassen. „Warum macht man nicht eine Fußgängerzählung?“, fragte sie. Dann könnten Gehwege verbreitert werden, wo es eng sei. Eine Fußgängerzählung zieht Kaulen nicht in Betracht, denn „wir wollen das Mobilitätsverhalten verändern“. Deshalb sei die Überlegung gewesen: „Wo würden Menschen gehen, wenn es attraktiv wäre.“ Jungmann erinnerte an die So-da-Brücke und meinte: „Dann werden Gehwege gebaut, wo keiner geht.“

Das könnte Sie auch interessieren

„Für die Menschen ist es ein zentrales Problem, wenn dort Parkplätze wegfallen“, stellte der CDU-Fraktionsvorsitzende Roger Tscheulin im Nachgang des Ortstermins, zu dem die CDU eingeladen hatte, fest. Für problematisch hält er das Vorgehen der Stadt gegenüber den Bürgern nach dem Motto: „Wir planen jetzt und irgendwann sagen wir euch, wo ihr parken könnt. Das geht so nicht!“

Er erklärte zudem: „Wir verlangen, dass offen kommuniziert wird, wo die Parkplätze hinsollen.“ Dass mit dem Handlungsprogramm Fußverkehr mehr bezweckt würde, als lediglich den Fußgängern etwas Gutes zu tun, das ist Tscheulin klar. „Aber das muss man offen auf den Tisch legen und ehrlich mit den Leuten umgehen.“

Bürger fordern ein Verkehrskonzept für alle Mobilitätsarten

Ein großes Problem sei komplett untergegangen, findet Christel Thorbecke: Der Konflikt zwischen Radfahrern und Fußgängern. Dieser Meinung ist auch Irene Heiland, denn Fußgänger hätten nicht nur ein Problem mit der Masse an Radfahrern, sondern auch mit deren Geschwindigkeit. Ein Queren der Fahrradstraße sei kaum möglich. Sie forderte, wie andere auch: „Es braucht ein gesamthaftes Verkehrskonzept“, das alle Mobilitätsarten einbeziehe. Dann solle es zunächst mit den Bürgern, die im jeweils betroffenen Gebiet wohnen, abgestimmt werden.

Es sei letztlich die Aufgabe, die verschiedenen Konzepte übereinanderzulegen, meinte Ralf Kaulen, bezüglich der unterschiedlichen Handlungsprogramme. Davon sprach letztlich auch der Baubürgermeister. „Wir müssen dann alle Themen miteinander denken und aufeinander abstimmen“, so Langensteiner-Schönborn.

Das könnte Sie auch interessieren

Und wie soll es nach diesem Termin nun weitergehen?

Noch gebe es keine Detailplanung. Diese folge erst, wenn es ein Konzept gebe und eine Priorisierung erfolgt sei, so Karl Langensteiner-Schönborn. Das weitere Vorgehen – auch in politischer Richtung – skizzierte er folgendermaßen: „Konzept, Planung, Beschlussfassung.“

.