Seine Klimaziele wird Konstanz wahrscheinlich nicht erreichen können. Die Gründe dafür kennen Sie aus Folge drei unserer Klimaschutz-Serie. Wenn sich die Stadt aber auf die Bereiche konzentriert, die sie auch beeinflussen kann, sind deutlich weniger Emissionen möglich als wenn man sich nur auf die Gesetze von Bund und Land verlassen würde. Aber warum sollte Konstanz überhaupt daran arbeiten, die Klimaziele für die Stadt zu erreichen?

Manch einer würde sich wohl gar nicht beschweren, wenn es am Bodensee in Zukunft Temperaturen wie in Venedig hätte. Genau darauf steuern wir, laut einer Studie der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), bis zum Ende des Jahrhunderts nämlich zu. Das sagt das sogenannte RCP-8.5-Szenario voraus, das manchmal auch “Weiter-So-Szenario“ genannt wird. Es rechnet mit der Annahme, dass die Treibhausgas-Emissionen über das gesamte 21. Jahrhundert weiter steigen werden. Dann wird die Durchschnittstemperatur in Baden-Württemberg Ende des Jahrhunderts drei bis 4,5 Grad über der zwischen 1971 und 2000 liegen.

Klimawandelfolgen werden oft unter diesem Szenario betrachtet, da die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis heute weiter ansteigen und RCP-8.5 die aktuelle Entwicklung somit am besten beschreibt. Doch selbst wenn wir die aktuelle Klimapolitik einbeziehen, steuert die Welt laut Umweltbundesamt bis 2100 auf eine Erwärmung von über drei Grad gegenüber dem Zeitraum 1850 bis 1900 zu.

Wenn der Bodensee zu warm wird, ist das ein Problem

Der Anstieg der Lufttemperatur lässt sich aber nicht eins zu eins auf den Bodensee übertragen, da Wasser sich langsamer erwärmt und der tiefere Obersee aus zwei Schichten besteht. In der oberen Schicht spielt sich der Großteil der Biologie des Sees ab. Diese Schicht erwärmt sich schneller als das Tiefenwasser und nimmt auch Temperaturspitzen mit.

Während die beiden Schichten des Obersees im Sommer recht strikt voneinander getrennt sind, gleichen sich ihre Temperaturen im Winter an und die Wasserschichten mischen sich.

„So kommen Sauerstoff von oben nach unten und Nährstoffe von unten nach oben“, sagt der Leiter der Fischereiforschungsstelle Langenargen, Alexander Brinker. Wenn sich durch den Klimawandel der Temperaturunterschied zwischen den beiden Schichten zu sehr erhöht, kann dieser Austausch nicht in ausreichendem Maße stattfinden. „Das könnte in der Zukunft zu einem Sauerstoffmangel im Tiefenwasser führen und im schlimmsten Fall auch die Entwicklung der Fischeier am Grund gefährden“, erklärt Brinker.

Die Erwärmung des Bodensees hat dazu geführt, dass sich die Trüsche nicht mehr fortpflanzen kann.“, sagt der Leiter der ...
Die Erwärmung des Bodensees hat dazu geführt, dass sich die Trüsche nicht mehr fortpflanzen kann.“, sagt der Leiter der Fischereiforschungsstelle Langenargen, Alexander Brinker. | Bild: Felix Kästle

Beliebter Speisefisch kann sich nicht mehr fortpflanzen

Auch wenn ein Mittelmeer-warmer Bodensee für manche Menschen verlockend klingt, würde das vielen seiner Bewohner zum Verhängnis werden. Schon heute sind die Auswirkungen des Klimawandels im Bodensee spürbar. So hat sich das Tiefenwasser des Obersees in den letzten 35 Jahren um über ein Grad erwärmt, auf 5,4 Grad im Jahresdurchschnitt 2023. “Das ist deutlich schneller, als die Berechnungen vorhergesagt haben“, sagt Brinker. „Diese Erwärmung hat dazu geführt, dass sich die Trüsche im Obersee im Tiefenwasser nicht mehr fortpflanzen kann.“

Die Trüsche ist ein beliebter Speisefisch. Schon der römische Naturhistoriker Plinius der Ältere beschrieb in seinem Werk “Naturalis historia“ die Leber der einzigen im Süßwasser lebenden Vertreterin der Dorschfamilie als besonders schmackhaft. Ihre Eier seien allerdings auf Wassertemperaturen unter fünf Grad angewiesen, um sich erfolgreich zu entwickeln, so Brinker. “Nur ein Grad Unterschied ist für diese Art also schon fatal.“

Auch die von Berufsfischern im Bodensee gefangenen Felchen gingen laut Fangstatistik stark zurück. Um über 90 Prozent in zehn Jahren. Seit vergangenem Jahr gilt am Obersee deswegen ein dreijähriges Fangverbot für das einstige Aushängeschild der Bodenseefischerei.

Forschungsprojekt soll Felchen-Wanderungen beobachten

Die Felchen werden aber nicht nur von Jahr zu Jahr weniger, sondern auch kleiner. “Sie finden zu wenig Nahrung“, sagt Brinker. Das liegt zum einen daran, dass der als fremde Art eingedrungene Stichling den einheimischen Felchen das Futter wegfrisst. Zum anderen vermuten die Forscher auch den Klimawandel hinter der Entwicklung.

“Wir befürchten, dass neben des Nährstoff-bedingten rückläufigen Nahrungsangebotes und der Nahrungskonkurrenz zum Stichling es für die Felchen im Sommer in den oberen Wasserschichten heute zu warm ist und sie diese Bereiche aktiv meiden“, sagt Alexander Brinker. “Das sind aber gerade die Nahrungsgebiete der Felchen.“ Wird das Wasser dort zu warm, könnte dies die Felchen theoretisch von ihrer Nahrung abschneiden. “Das würde mit den anderen Faktoren erklären, warum die Tiere in den letzten Jahren so schlecht im Futter gestanden haben, und wird gerade im Forschungsprojekt Seewandel-Klima untersucht“, fügt Brinker hinzu.

Parasit tötet Seeforellen

Auch ein anderer ikonischer Fisch des Bodensees leidet unter den Folgen des Klimawandels: die Seeforelle. Forellen sind Wirte für einen Parasiten namens Tetracapsuloides bryosalmonae. “Dieser Parasit war immer schon da, wurde aber übersehen, da er keine Krankheit ausgelöst hat. Aber jetzt gefährdet er in der Fläche Forellenbestände“, sagt Brinker. “Wenn das Wasser länger als acht Wochen über 18 Grad warm ist und junge Forellen infiziert sind, liegt die Sterblichkeit bei bis zu 100 Prozent.“

Eigentlich seien Parasit und Forelle aneinander angepasst, und der Parasit töte seine Wirte nicht. Durch die schnellen Veränderungen des Klimawandels könne die Evolution aber nicht hinterherkommen. “Irgendwann, wenn der Klimawandel zum Stillstand kommt, kann sich das wieder einpendeln, wenn es bis dahin noch Arten gibt. Wenn wir nicht schnell handeln, steht uns der Verlust von Arten und Ökosystemen ins Haus“, sagt Brinker.

Für den Experten ist klar: Je früher wir es schaffen, treibhausgasneutral zu werden und den Klimawandel zu begrenzen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Bodensee auch in Zukunft noch Felchen und Forellen gefangen werden. Für die Trüschen sieht es allerdings schlecht aus, meint Brinker: “Die sind im Bodensee schon heute bedroht.“

Wassermangel durch weniger Sommer-Niederschlag und Gletscherschmelze

Auch das andere große Gewässer in Baden-Württemberg, der Rhein, wird vom Klimawandel nicht verschont bleiben. Im Gegensatz zum Bodensee wird der Rhein aber auch zu einem maßgeblichen Teil von der Gletscherschmelze gespeist: Ende August kann der Anteil des Wassers aus der Gletscherschmelze bei gut einem Viertel liegen.

Da die Gletscher der Alpen unter den aktuellen Prognosen bis zum Ende des Jahrhunderts weitgehend abgetaut sein dürften, wird dieses Wasser in Zukunft fehlen. Das ist besonders gravierend, da das Gletscherwasser genau dann Wirkung zeigt, wenn es am meisten gebraucht wird. Im Sommer. Denn zum einen werden sich die Niederschläge laut der Studie der LUBW mehr in den Winter verlagern, zum anderen geht durch die höhere Verdunstung gerade knappes Wasser verloren.

Rhein in Zukunft ein Drittel des Jahres nicht passierbar

Marit van Tiel von der ETH Zürich ist Glaziologin und weiß, welche Auswirkungen der Klimawandel und das damit verbundene Abschmelzen der Gletscher auf den Wasserhaushalt im Rhein hat. Sie hat besonders trockene Jahre aus der Vergangenheit in die Zukunft übertragen und errechnet, wie sich die Wassermenge im Rhein unter zukünftigen Bedingungen ändert.

Trotz Trockenheit und Niedrigwasser war der Rhein, wie hier bei Bonn, im Mai 2025 noch befahrbar. Das wird in Zukunft immer seltener der ...
Trotz Trockenheit und Niedrigwasser war der Rhein, wie hier bei Bonn, im Mai 2025 noch befahrbar. Das wird in Zukunft immer seltener der Fall sein, wenn der Klimawandel nicht gebremst wird, sagt eine Forscherin der ETH Zürich. | Bild: Rolf Vennenbernd

“Eine Schlüsselstelle für die Rheinschifffahrt liegt bei der Stadt Kaub. Hier ist der Fluss besonders flach“, sagt van Tiel. Ihre Berechnungen zeigen, dass diese Stelle in Zukunft immer seltener passierbar sein wird. “Projiziert man zum Beispiel das Jahr 2018, in dem der Pegel des Rheins besonders niedrig war, auf das Jahr 2070, wäre der Fluss bei Kaub an mindestens einem Drittel des Jahres nicht passierbar“, sagt die Wissenschaftlerin.

Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Schifffahrt. “Das Wasser des Rheins wird auch zur Energiegewinnung, zur Bewässerung, zum Kühlen von Industrieanlagen und als Trinkwasser genutzt“, erklärt van Tiel.

“Wenn wir also so schnell wie möglich strengere Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, könnten wir sogar einige der großen Alpengletscher ...
“Wenn wir also so schnell wie möglich strengere Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, könnten wir sogar einige der großen Alpengletscher erhalten“, sagt die Glaziologin von der ETH Zürich, Marit van Tiel. | Bild: Jürgen Gocke

Und nicht nur die Gletscher werden immer kleiner. Einer Studie der Internationalen Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes zufolge wird sich der Abfluss der Schneeschmelze in den kommenden 70 Jahren knapp halbieren. “Auch wenn der Niederschlag vermehrt im Winter fällt, steigen die Temperaturen und damit die Schneefallgrenze so weit an, dass er nicht als Schnee, sondern Regen fällt und somit gleich wieder abfließt“, sagt van Tiel.

Einige Gletscher können gerettet werden

Ganz so aussichtslos wie die Lage scheint, ist sie aber nicht. Im Fachmagazin Science erschien im Mai 2025 eine Studie, die den weltweiten Verlust von Gletschern unter verschiedenen Erwärmungsszenarien betrachtet. Das Ergebnis macht Hoffnung.

Zwar würden die Gletscher der Erde – auch wenn wir es schaffen würden, die globalen Temperaturen auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren – noch weitere 39 Prozent ihrer Masse verlieren. Doch gelingt es, die Erderwärmung wie im Pariser Klimaziel festgelegt auf 1,5 Grad zu begrenzen, bleibt über die Hälfte der weltweiten Gletscher erhalten. Zum Vergleich: Unter den aktuellen Klimaschutzanstrengungen wird Ende des Jahrhunderts nur rund ein Viertel der Gletschermasse von heute übrig bleiben – weltweit.

(Archivbild) Werden diese Kinder ihren Enkeln noch Gletscher in den Alpen zeigen können? Wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht, ...
(Archivbild) Werden diese Kinder ihren Enkeln noch Gletscher in den Alpen zeigen können? Wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht, eher nicht – sagen Experten. Doch die Auswirkungen sind weitaus gravierender als der Verlust einer imposanten Naturschönheit. | Bild: Walter Bieri

“Wenn wir also so schnell wie möglich strengere Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, könnten wir sogar einige der großen Alpengletscher erhalten“, sagt van Tiel. „Die würden dann allerdings ganz anders aussehen wie heute“, sagt van Tiel. „Das bedeutet aber, dass wir heute etwas ändern müssen, denn wenn wir noch länger so weiter machen wie bisher, können wir gar keine Gletscher mehr retten.“

Schlüsselrolle für Kommunen

Und auch Konstanz muss nach Ansicht von Experten seinen Beitrag dazu leisten. Kommunen spielen laut Kommunalwiki der Heinrich-Böll-Stiftung nämlich eine Schlüsselrolle beim Erreichen der nationalen Klimaziele. Auf der Plattform heißt es: “Es ist klar, dass die Klimaschutzziele nur erreichbar sind, wenn alle Staatsebenen dafür zusammenarbeiten.“

In den kommenden Folgen von „Klimaschutz – So wird‘s was“ dreht sich alles um die praktische Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in der Bodenseeregion. Deswegen beantwortet der Südkurier nächste Folge unter anderem die Frage: Wie baut man ein Wärmenetz?