Es war eines der zentralen Ziele der Cannabis-Legalisierung. „Mit diesem Gesetz entlasten wir die Behörden“, versprach die Bundesregierung, bis zu 800 Millionen Euro könne man bei der Strafverfolgung einsparen. Einen „Bärendienst“ nannte es hingegen Marion Gentges (CDU) – Justizministerin von Baden-Württemberg – und warnte vor neuen Belastungen, insbesondere durch die Amnestie-Regelung.
Bis zuletzt wehrten sich die Länder gegen die Legalisierung zum 1. April, schließlich ging das Gesetz doch wie geplant durch den Bundesrat. Drei Monate später hat der SÜDKURIER die Staatsanwaltschaft Konstanz um eine erste Bilanz gebeten.
160 Seiten dick ist der Gesetzesentwurf zur Cannabis-Legalisierung, der Ende vergangenen Jahres von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe bei der Konstanzer Justizbehörde landete: „Wir haben das Schreiben an einem Donnerstagnachmittag erhalten – und wurden um Stellungnahme bis zum nächsten Montag gebeten“, berichtet Andreas Mathy, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Konstanz.

Für Konstanz ist der Aufwand in dieser Zeit nicht zu stemmen, nur größere Behörden schaffen es, den Entwurf innerhalb von drei Tagen durchzugehen und Verbesserungsvorschläge aus der Praxis einzureichen. „Nachdem das Gesetz keine Sache von wenigen Wochen war, haben wir uns in der Praxis schon die Frage gestellt, warum diese Frist aus der Politik so kurzfristig war“, sagt Mathy.
1327 müssen überprüft werden
Konkret wird es für die Staatsanwaltschaft Ende Februar, als der Bundestag den Entwurf passieren lässt. „Dann konnte man mit der Legalisierung rechnen, und wir haben begonnen, die Altfälle vorzubereiten“, erzählt Mathy. Für die Staatsanwaltschaft Konstanz bedeutet das: 1327 Verfahren im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln müssen von den Beamten nach den Vorgaben der Amnestieregelung überprüft werden.
Richtig beginnen kann die Arbeit aber erst mit der Legalisierung am 1. April. „Da hatten zunächst die Fälle mit Freiheitsstrafe absolute Priorität“, berichtet Mathy. Allerdings: Im Gebiet der Staatsanwaltschaft Konstanz sind nach seinen Informationen dadurch keine Haftstrafen erlassen worden. 526 Fälle mit Cannabis-Bezug wurden genauer untersucht, bei 141 konnte die Staatsanwaltschaft unverzüglich die Vollstreckung einstellen, rund 200 Delikte wurden zu einem weiteren Beschlussverfahren an die Gerichte weitergeleitet.
Einige Experten warnten im Vorfeld vor einem Chaos in den Justizbehörden. Diese Befürchtung kann Mathy nicht bestätigen: „Es war für alle ein Mehraufwand – ich selbst habe meinen letzten Fall erst Mitte Mai bearbeitet –, aber insgesamt lief der Prozess doch relativ geordnet ab.“
Die versprochene Entlastung der Justiz zielt vor allem auf den Wegfall von geringen Straftaten ab. Wenn zum Beispiel das Mitführen von 20 Gramm Cannabis legal und damit kein Fall mehr für die Staatsanwaltschaft ist. Andreas Mathy zeigt sich allerdings kritisch, ob das tatsächlich zu einer Verbesserung der Situation führt. „Die Belastung der Justiz lässt sich nicht nur an den reinen Fallzahlen ablesen“, betont er.
Konstanz als Sonderfall
Die Legalisierung verringere vermutlich die Anzahl der kleinen Delikte – dort sei der Aufwand für die Justiz aber ohnehin gering. „Die Fälle mit vielen Arbeitsstunden bleiben uns weiterhin erhalten“, sagt Mathy. Die Staatsanwaltschaft Konstanz sei ohnehin ein Sonderfall, durch den Grenzübergang zur Schweiz sei die Behörde viel mit Fällen wie Drogenschmuggel beschäftigt, die von dem Gesetz nicht betroffen seien, so Mathy. Für eine genaue Bewertung der Entwicklung müsse man aber noch die Jahresbilanzen abwarten.
Der Tenor in der badischen Justiz sei überwiegend kritisch: „Man hat sich gefragt: Warum eigentlich?“ Mathy bemängelt vor allem den fehlenden Jugendschutz. Die Zugangsschwellen würden gesenkt, der Schwarzmarkt werde risikoloser.
Auch die Regelung mit den Cannabis-Clubs kritisiert Mathy: „Für einen Konsumenten ist es deutlich einfacher, sich Cannabis über den Schwarzmarkt zu beschaffen, als dass er Mitglied in einem Cannabis-Club wird – da würde ich mir eher eine Lösung wie in den Niederlanden mit den Coffee-Shops wünschen.“ Drei Monate nach der Legalisierung überwiegt also noch die Kritik.