Jede einzelne Flasche ist effektvoll beleuchtet und steht auf einem Gestell, das aufwändig aus einem ausgedienten Weinfass herausgeschnitten wurde. Wo früher die Flaschen aus Kunststoff-Kisten heraus verkauft wurden, ist der Lifestyle eingezogen. Und das nicht nur an der Brückengasse in Konstanz, wo die Spitalkellerei ihr neues Geschäft eröffnet hat. Sondern auch auf der Reichenau und in vielen anderen Weinbau-Orten am Bodensee. Unter einer veritablen Vinothek geht es offenbar nicht mehr.

Weinbaubetriebe investieren Millionen

Stimmt, sagt Stephan Düringer, einer der Pächter der Spitalkellerei. Wer Weine verkaufen will, bei denen die Flasche ein Vielfaches der üblichen Discounter-Preise kostet, muss ein Erlebnis bieten. Darum hat die Konstanzer Spitalstiftung, zu der der Weinbaubetrieb seit fast 800 Jahren gehört, mehrere hunderttausend Euro in die neue Vinothek investiert. Hochwertige Handwerker-Arbeiten und ausgeklügelte Lichtführung sollen ein Wohlfühlklima schaffen.

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Und das ist nur die jüngste Investition in diesem Bereich. Zusammengenommen haben Weinbaubetriebe im Bodenseeraum innerhalb weniger Jahre viele Millionen Euro in die Hand genommen, um für ihre Produkte einen schicken Rahmen zu schaffen. Jetzt ist die Hoffnung groß, dass nach Corona und trotz Inflationssorgen die Käufer reichlich kommen. Und es geht im Wettbewerb auch um Marktanteile. Für die Konstanzer Spitalstiftung sagt deren Direktor Andreas Voß, er sei „immer ein wenig neidisch auf die Reichenauer“ gewesen, die ihre neue Vinothek bereits 2019 in Betrieb genommen hatten.

Es zählt nicht mehr nur der Inhalt

Auch Manfred Krämer, Geschäftsführer des durchaus bodenständigen Reichenauer Winzervereins, betont, wie wichtig es inzwischen ist, dass nicht nur der Inhalt der Flasche gut ist, sondern auch das ganze Drumherum beeindrucken kann. In Reichenau-Mittelzell gibt es deshalb ebenfalls eine Vinothek.

In der Vinothek des Winzervereins wird ein Großteil des Reichenauer Weins verkauft. Die Flaschen sind günstig auf Augenhöhe effektvoll ...
In der Vinothek des Winzervereins wird ein Großteil des Reichenauer Weins verkauft. Die Flaschen sind günstig auf Augenhöhe effektvoll inszeniert. | Bild: Zoch, Thomas

Jede einzelne Flasche auf Augenhöhe, charmante Mitarbeiter, ein gesonderter Bereich für Weinproben. 70 Prozent des Reichenauer Weins wird hier verkauft – gut für die Winzer, denn bei der Direktvermarktung bleibt mehr hängen. Aber dies ist auch, wie Krämer sagt, mehr als nur ein sanfter Ansporn, immer auf eine stimmige Inszenierung zu achten.

Es lohnt sich, guten Wein auch aufwändig zu präsentieren, sagt Manfred Krämer vom Winzerverein Reichenau.
Es lohnt sich, guten Wein auch aufwändig zu präsentieren, sagt Manfred Krämer vom Winzerverein Reichenau. | Bild: Steinert, Kerstin

Das hat auch auf der Haltnau eine wichtige Rolle gespielt. Das Konstanzer Rebgut „in Übersee“, wie man in der Stadt gerne sagt, also bei Meersburg, soll ebenso für die Marke Spitalkellerei stehen. Dort hat die Stiftung nicht hunderttausende, sondern rund drei Millionen Euro ausgegeben. Hierbei ging es jedoch nicht nur ums Ambiente, sondern auch um Technik. Im Ergebnis strahlt auch die früher eher schlichte Haltnau jetzt Vinothek-Flair aus.

(Archivbild) Ein Blick ins Vineum Meerburg: Eigentlich Museum, beherbergt es auch einen „Concept-Store“. Dieser gibt einen ...
(Archivbild) Ein Blick ins Vineum Meerburg: Eigentlich Museum, beherbergt es auch einen „Concept-Store“. Dieser gibt einen Überblick über unterschiedlichste (unverkäufliche) Accessoires rund um das Lifestyle-Produkt Wein. 2017, als dieses Bild mit Meersburgs Kulturamtschefin Christine Johner entstand, war das am Bodensee eine echte Pionierleistung. | Bild: Sylvia Floetemeyer/SK-Archiv
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Auch viele weitere Betriebe rund um den See haben aufgerüstet. Der Karton Spätburgunder geht nur noch selten direkt vom Lager in den Kofferraum der Verbraucher. Und das, findet Stephan Düringer, ist auch gut so: „Wein muss ein Erlebnis sein“, betont der Winzer. Und ein bisschen Wettbewerb um den schicksten Laden schadet ja auch nicht – denn das Auge trinkt mit, ob im Meersburger Wein-Event-Museum Vineum, bei den Winzervereinen oder den einzelnen Erzeugern zwischen Hochrhein, Hohentwiel und Bodensee.