Allein die Ankündigung macht so manche schwangere Frau nervös: Jeweils einmal im Monat wird der Kreißsaal in Konstanz eine ganze Woche lang geschlossen bleiben. Der Grund ist ein Personalengpass bei den Hebammen. Jetzt reagieren Monika Armbruster und Johannes Kruse, zwei Konstanzer Frauenärzte, auf die veränderte Lage.
Monika Armbruster betreibt eine Konstanzer Praxis nahe der Schweizer Grenze mit etwa 50 Schwangeren pro Quartal, Johannes Kruse betreut gemeinsam mit zwei Kolleginnen in der Kanzleistraße etwa 200 Schwangere im selben Zeitraum. Beide machen sich große Sorgen um die Frauen, die kurz vor der Geburt stehen.

Beide Ärzte kennen die Sorgen der angehenden Mütter. Sie erzählen: „So gut wie alle Schwangeren in Konstanz haben inzwischen einen Plan B. Sie richten sich darauf ein, ihr Kind in Singen zur Welt zu bringen.“ Andere Frauen, die ein Baby erwarten, erkundigten sich bei ihrer Krankenkasse, ob diese die Kosten einer Geburt in Münsterlingen (Schweiz) übernehme. So richten sich die Frauen zumindest auf die „planbaren“ Geburten ein.
Was ist, wenn es zum Notfall kommt?
Viel größere Sorgen bereiten den beiden Gynäkologen allerdings Notlagen, die in allen Phasen einer Schwangerschaft auftreten können, gerade auch in den Wochen davor. „Das können plötzlich auftretende Blutungen, unklare Kopfschmerzen bei der Schwangeren, ausbleibende Kindsbewegungen oder auch eine Schwangerschaftsvergiftung sein“, erläutert Monika Armbruster.
Sie frage sich, wohin sich Schwangere in solchen Notlagen wenden sollten. Denn dabei brauche es ein spezialisiertes Team, das das vorhandene Risiko beurteilen könne und in Minutenschnelle entscheide, was zu tun sei. Zudem seien spezielle Geräte nötig, die es in einem Kreißsaal gebe. „Doch was passiert bei solchen Notlagen in einer Woche, in der der Kreißsaal nicht geöffnet ist?“, fragt die Frauenärztin. „Ein Kreißsaal, der rund um die Uhr geöffnet ist, ist auch die Notfallambulanz für Schwangere und Gebärende.“
Monika Armbruster und Johannes Kruse verstehen sich selbst als engagierte niedergelassene Gynäkologen, die seit Jahren gut und konstruktiv mit dem Chefarzt der Geburtsklinik in Konstanz zusammen arbeiten. „Die Zusammenarbeit ist hervorragend. Wir sind deshalb gern bereit, uns an der Suche nach einer Lösung für die Konstanzer Geburtsklinik zu beteiligen“, sagt Armbruster. In der aktuellen Situation allerdings habe es im Vorfeld den Gynäkologen gegenüber wenig Information seitens des Klinikums gegeben.
Es geht den Fachärzten auch darum, wie sie selbst handeln und ihre Patientinnen bestmöglich betreuen können – gerade in Fällen, in denen die Möglichkeiten einer Facharztpraxis ausgeschöpft sind. „Eine 20 bis 30 Minuten dauernde Fahrt nach Singen ist eine Ewigkeit für ein ungeborenes Baby, dem es nicht gut geht“, warnt Johannes Kruse.
Die Probleme des Gesundheitsverbunds, die Schichten des Kreißsaals mit Hebammen zu besetzen, sind den Gynäkologen seit längerem durch ihre eigene Zusammenarbeit mit Hebammen bekannt. Der Job als festangestellte Hebamme sei herausfordernd, mit Schichten an den Wochenenden. „Einige sind in den vergangenen Jahren deshalb in die Schweiz abgewandert“, so der Frauenarzt. Für die übrigen Hebammen sei die Tätigkeit umso herausfordernder, weil sie die entstandenen Lücken füllen müssten und so in eine überfordernde Lage gerieten.
Wer finanziert die Fahrt nach Singen?
Auch mit der aktuellen nicht optimalen Situation wollen die Gynäkologen so gut wie möglich umgehen. Es gebe aber einige offene Fragen: Viele Frauen seien auch verunsichert, weil sie nicht wissen würden, wie sie nach Singen kommen. Müssen sie privat dorthin oder gibt es einen Krankentransport? Bislang ebenso ungeklärt sei, wohin sich Schwangere wenden könnten, wenn sie akut in einer Notsituation seien.
Zwar sei das Telefon des Kreißsaals offenbar jederzeit besetzt, auch wenn dieser geschlossen sei. Doch die Frauen müssten auch wissen, welches die erste Anlaufstation sei, wenn es schnell gehen müsse: Sollen sie sich dann an die Notfallambulanz des Krankenhauses wenden? Solche Fragen sollten aus ihrer Sicht rasch geklärt und die Öffentlichkeit darüber informiert werden.
Beide Gynäkologen hoffen, dass es dem Gesundheitsverbund bald gelingt, das Problem zu lösen und den Kreißsaal ausreichend und lückenlos mit Hebammen zu besetzen. Und, dass es bis dahin nicht zu einer kritisch verlaufenden Notlage kommt. „Denn jede Schicht, die im Kreißsaal fehlt und jede Stunde, die er geschlossen ist, bedeutet ein Risiko“, so Armbruster.