Die Stimmung war gut am 10. September 2018. Es ist ein Spätsommermontag am Rand von Hamburg, und die meisten Mitglieder der Reisegruppe vom fernen Bodensee hatten wohl noch nie eine so große Fabrikhalle gesehen. Fast verschämt in einer Ecke wird eine Schweißnaht gesetzt, es riecht nach schwerem Metall, und es sieht auch so aus.

In die Stahlplatte ist bereits etwas eingraviert: „LNG-Doppelendfährschiff FS 14“, dazu das Firmenlogo der Stadtwerke Konstanz. Nicht gerade eine feierliche Kiellegung, aber doch ein besonderer Moment. Es ist die Geburt dessen, was mehrere Jahre ein Geisterschiff werden sollte.

(Archivbild) Ein Mitarbeiter der Pella Sietas Werft in Hamburg arbeitet am ersten Bauteil für die neue Fähre auf der Verbindung ...
(Archivbild) Ein Mitarbeiter der Pella Sietas Werft in Hamburg arbeitet am ersten Bauteil für die neue Fähre auf der Verbindung Konstanz-Meersburg. | Bild: Rau, Jörg-Peter/SK-Archiv

Was die Konstanzer damals kaum ahnen konnten: Dieser 10. September sollte sich schwerlich als Festtag erweisen. Ganz leise Zweifel beim Gang über das irgendwie heruntergekommen wirkende Gelände der Werft namens Pella Sietas hatte man weggeschoben. Was kann man auch wissen als Binnenschiffer.

Immerhin hatte kein Geringerer als die älteste Werft Hamburgs die Ausschreibung für den Bau der neuen Fähre über den Bodensee gewonnen. Zwei Millionen Euro weniger hatte sie verlangt als der zweite Bieter, die Öswag-Werft in Linz. Vielleicht wären diese zwei Millionen besser angelegt worden, weiß man heute.

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Eine denkwürdige Entscheidung

Doch die Geschichte von Pella Sietas war eigentlich gut: Man wolle auf dem Markt für Binnenschiffe Fuß fassen und etwas darüber lernen, wie man ein Schiff mit Erdgas-Antrieb baut. Das Projekt am Bodensee sei eine Investition, deshalb seien die Rendite-Erwartungen bescheiden. Es klang schlüssig, was das Werft-Management um die resolute Geschäftsführerin Natallia Dean sagte. Und sie konnte nachweislich erfolgreiche Projekte als Referenz vorzeigen.

Drei Projektleiter und unzählige Monate später ist selbst den letzten Optimisten klar: Die Stadtwerke haben für den Bau ihrer neuen Fähre auf das falsche Pferd gesetzt. Die Kressbronner Bodan-Werft war schon geschlossen, und statt den erfahrenen Österreichern von der Öswag vertrauten sie das Vorhaben den Hamburgern an.

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Hoch und heilig hatten sie versprochen, die Baukosten von 17 Millionen Euro einzuhalten. Und den Terminplan: Lieferung der Teile 2019 nach Fussach bei Bregenz, Endausbau 2020 an der Mole in Staad, Inbetriebnahme eben da Mitte desselben Jahres.

Jahrelange Verzögerungen

Doch es sollte alles ganz anders kommen. Denn noch immer, im Jahr 2023, ist das Fährschiff nicht fertig. Obwohl nun zumindest Land in Sicht ist. Im Moment wird noch der letzte Schliff angelegt. Dabei geht es hauptsächlich um die Inbetriebnahme der Automationssysteme und deren Abstimmung untereinander, teilen die Stadtwerke Konstanz mit.

„Handwerklich ist das Schiff größtenteils fertiggestellt“, teilt Teresa Gärtner, Pressesprecherin des städtischen Unternehmens, auf SÜDKURIER-Nachfrage mit. „Es gilt noch, die Systeme in Betrieb zu nehmen und zu erproben.“ Dann kann es endlich bald losgehen.

Das neue Fährschiff 14 ähnelt optisch stark der Fähre „Lodi“.
Das neue Fährschiff 14 ähnelt optisch stark der Fähre „Lodi“. | Bild: Stadtwerke Konstanz GmbH

Dafür es auch höchste Eisenbahn, schließlich sollte das Schiff bereits seit drei Jahren verkehren. Freilich sind jedoch nicht nur die Insolvenz der zuständigen Werft Pella Sietas und andere Umstände unglücklich verlaufen. So kamen im Jahr 2020 die Auswirkungen der Corona-Pandemie dazu, im vergangenen Jahr außerdem die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.

„Die Kosten wurden maßgeblich durch den Ausbruch des Ukraine-Kriegs und dessen Konsequenzen gesteigert“, so Teresa Gärtner. Die Verzögerungen führten ebenfalls zu Preissteigerungen, diese seien jedoch in Betrachtung des Gesamtprojekts eher von „untergeordnetem Umfang“, hieß es weiter.

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Es dauert länger – weil es länger dauert

Doch einer der Gründe, warum der Ausbau länger dauert, kommt aus der Kategorie pikant. Denn schlicht und ergreifend dauert der Ausbau länger – weil er länger dauert. Was das genau heißt? Einige Schiffsbauteile haben die lange Wartezeit bis zu ihrem Einsatz einfach nicht überlebt. Auf Nachfrage heißt es dazu, man habe mit „defekten Komponenten aufgrund der langen Lagerdauer bis zum Einbau beziehungsweise der Inbetriebnahme zu kämpfen“.

Darüber hinaus habe es die (zur Zeit) üblichen Probleme, wie beispielsweise Engpässe bei Zulieferern von Subunternehmen, gegeben. Außerdem verantwortlich seien „unvorhersehbare Schwierigkeiten bei den Inbetriebnahmen“. Was das genau heißt, lässt man offen.

(Archivbild) Der Fährehafen Konstanz-Staad von oben im September 2022. Rechts im Bild die neue LNG-Fähre.
(Archivbild) Der Fährehafen Konstanz-Staad von oben im September 2022. Rechts im Bild die neue LNG-Fähre. | Bild: Timm Lechler/SK-Archiv

Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass die Stadtwerke auch drei Jahre länger, als ursprünglich geplant, nicht auf das neue Fährschiff für den Betrieb zurückgreifen konnten. Stattdessen musste die unwirtschaftlichere „Fontainebleau“ weiterbetrieben werden, die finanziellen Folgen lassen sich nur schwerlich beziffern.

Sorgenkind wird teuer bezahlt

Das alles führt dazu, dass das Sorgenkind der Stadtwerke am Ende weitaus teurer wird. Das städtische Unternehmen hatte nach der Insolvenz von Pella Sietas beschlossen, das Schiff selbst mit einem Partner zu Ende zu bauen. Dabei war man von erforderlichen Kosten in Höhe von 11,7 Millionen Euro ausgegangen.

Doch dieser Betrag stieg nochmals um mindestens 2,8 Millionen Euro an, sodass sich die Fertigstellungskosten auf 14,5 Millionen Euro erhöhten. Insgesamt verschlang der Stahlkoloss dabei die Gesamtkostensumme von mindestens 27,6 Millionen Euro, hieß es zuletzt.

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Wie teuer die Stadtwerke Konstanz ihr Prestige-Projekt tatsächlich bezahlt haben, steht wohl erst fest, wenn es schwimmt. So oder so wurden die ursprünglich veranschlagten Kosten deutlich überschritten. Sie lagen bei rund 17 Millionen Euro, verkehren sollte das Schiff seit spätestens 2020.

Am 17. Juni 2023, genau 1742 Tage oder vier Jahre, neun Monate, eine Woche und ein Tag nachdem auf einer längst pleite gegangenen Werft die erste Schweißnaht für das Schiff gesetzt wurde, dürfte die Stimmung daher wenig euphorisch sein. Freuen wird man sich dennoch – und sei es nur aus Erleichterung: Denn dann soll das noch namenlose Geisterschiff endlich getauft werden, um wenig später in See zu stechen.