Als die Fähre ablegt, sind genau neun Autos an Bord. In ihnen ein Dutzend Fahrgäste, dazu ein paar Radler und einige Passagiere, die vom Konstanzer Stadtbus gekommen sind. Das Schiff hat den Hafen in Staad noch nicht einmal richtig verlassen, da haben die beiden Kassierer schon die Einnahmen für diese Überfahrt verbucht.

50 Liter Diesel wird das Schiff in etwa verbrauchen, bis es in Meersburg anlegt. Man muss nicht in einer Reederei oder bei einem Verkehrsunternehmen arbeiten, um festzustellen: Diese Fahrt hat sich sicher nicht gelohnt.

Vier Millionen Gewinn im Jahr waren früher schon mal drin

Was bis jüngst vielleicht mitten in der Nacht zu beobachten war, ist inzwischen an manchem Nachmittag die Realität. Die Fähre zwischen Meersburg und Konstanz, einst Goldgrube für die Stadtwerke Konstanz, kommt in schwieriges Fahrwasser.

Noch schreibt der Betrieb einen kleinen Gewinn, sagt Frank Weber, der den Geschäftsbereich Fähre verantwortet. Aber die Zeiten, in denen die Fähre bis zu vier Millionen Euro im Jahr Gewinn abwirft, die „sind vermutlich auf lange Frist vorbei“. Ein regelmäßiger Blick auf die Webcams der Stadtwerke bestätigt den Eindruck: Meist stehen kaum Autos in den Warteschlangen von Konstanz oder Meersburg.

Frank Weber ist einer der beiden Geschäftsführer der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) und Geschäftsbereichsleiter des Fährbetriebs bei den ...
Frank Weber ist einer der beiden Geschäftsführer der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) und Geschäftsbereichsleiter des Fährbetriebs bei den Stadtwerken Konstanz. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Nun hat der Fährbetrieb reagiert, und manche regelmäßige Nutzer der Schiffsverbindung empfanden die Umstände als geradezu panikartig. Am Donnerstag, 1. Dezember, kündigten die Stadtwerke einen ausgedünnten Fahrplan an, der schon ab Montag, 5. Dezember, in Kraft trat.

Ohne lange Vorwarnung wurde der Fahrplan ausgedünnt, denn seither legen die Schiffe tagsüber außerhalb der Hauptverkehrszeit nicht mehr alle 15, sondern alle 20 Minuten ab. Negative Folgen hat die Umstellung auch für die Passagiere der Schnellbusse, die ebenfalls die Fähre benutzen.

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Was sich nach einer kleinen Veränderung anhört, hat einen beträchtlichen Effekt: Von 9 bis 16 Uhr sind nur noch drei Schiffe gleichzeitig im Einsatz und nicht mehr vier. Das spart nicht nur Sprit, sondern auch Personal. Die Mitarbeiter können ihre Überstunden aus dem Sommer abbauen, sagt Frank Weber – oder sie arbeiten in der Werkstatt, denn die meisten Arbeiten zur Überholung der Schiffe stemmen die Stadtwerke mit eigenem Personal. „Hier dreht niemand Daumen“, so Weber. Und wenn die Schlange zu lang wird, kann er kurzfristig ein zusätzliches Schiff in Betrieb nehmen.

Nötig war das bisher nicht, und auch für die nächsten Monate rechnet der Fähre-Chef nicht damit, dass die Nachfrage massiv anzieht. Nicht nur im Dezember, sondern auch im Januar und Februar will er daher nur den gekürzten Fahrplan anbieten.

An den wenig ausgelasteten Fahrten mitten in der Nacht will er dagegen festhalten. „Wir diskutieren das immer wieder“, sagt er, „aber im Moment steht der Rund-um-die-Uhr-Service nicht infrage.“ Außerdem habe man aus den Protesten bei der vorigen Fahrplan-Kürzung gelernt und in den Pendlerzeiten den Viertelstundentakt bewusst aufrecht erhalten.

Zwölf Prozent weniger Autos, 23 Prozent weniger Lastwagen

Aber stimmt der Eindruck überhaupt, dass die Fähre weniger stark benutzt wird? Fahrgast Peter Kopp bezweifelt das. Er berichtet von langen Wartezeiten und stets gut gefüllten Schiffen und hat sich mit seiner Kritik auch an den SÜDKURIER gewandt. Doch die Zahlen zeigen, dass vor allem die Zahl der transportierten Autos zurückgeht.

 

Im November des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 waren es noch 106.412 Fahrzeuge, im November 2022 nur 93.470, das ist ein Minus von über zwölf Prozent. Die Zahl der Lastwagen ging sogar um rund 23 Prozent zurück – beides Bereiche, in denen Fährbetrieb gutes Geld verdient.

 

Herausforderung 1: Pendler steigen aufs Rad um

Der Rückgang bei den Fahrgästen gerade im Winter hat mehrere Ursachen: Noch immer sind weniger Pendler unterwegs, weil mehr von zu Hause oder anderen Orten aus gearbeitet wird. Außerdem stellen die Fähre-Mitarbeiter fest, dass Berufstätige auch vom Auto aufs E-Bike umsteigen, um Kosten zu sparen.

Tatsächlich hat sich die Zahl der im – eigentlich wenig radelfreundlichen – November beförderten Fahrräder seit 2019 um fast ein Viertel erhöht. Auch der Ausbau der Bundesstraße 31 bei Überlingen mache ich gerade in den Randzeiten bemerkbar. Zugleich drücken die Kosten für das neue Fährschiff, das eigentlich seit zweieinhalb Jahren über den See pendeln sollte, aber noch immer nicht fertiggestellt ist.

(Archivbild) Im Hafen von Staad liegt unfertig das neue Fährschiff (rechts). Pech, Pannen und die Pleite der Bauwerft haben das Projekt ...
(Archivbild) Im Hafen von Staad liegt unfertig das neue Fährschiff (rechts). Pech, Pannen und die Pleite der Bauwerft haben das Projekt um Jahre zurückgeworfen und die Kosten explodieren lassen. Rund 25 Millionen Euro sind derzeit veranschlagt. | Bild: Timm Lechler

Herausforderung 2: Das 49-Euro-Ticket kommt!

Und als wäre es nicht genug der Sorgen, sieht der Fährbetrieb weitere gefährliche Szenarien. Mit dem 49-Euro-Ticket wird die Fahrt mit dem Städte-Schnellbus oder der Bahn rund um dem See finanziell auf einmal sehr viel attraktiver als bisher.

Schon in den Monaten mit dem 9-Euro-Ticket habe man das deutlich gemerkt, räumt Frank Weber ein. Ob die ÖPNV-Flatrate irgendwann nicht nur für Insassen von Schnellbussen, sondern auch für normale Fußpassagiere auf der Fähre gelten, ist ihm zufolge noch unklar.

Herausforderung 3: Um den See wird‘s schneller

Auch den weiteren Ausbau der Bundesstraßen 31, 33 und 34 beobachte man genau: Wenn die Umfahrung in Stockach-Espasingen dereinst gebaut und der vierspurige Ausbau zwischen Allensbach und Konstanz fertiggestellt ist, haben Autos zwischen Meersburg und Konstanz eine fast durchgehende Schnellstraßen-Verbindung.

Als warnendes Beispiel kann hier die andere Autofähre über den Bodensee gelten: Seit der Pfändertunnel um Bregenz herumführt und auch weitere Straßen ausgebaut sind, nutzen immer weniger Fahrzeuge den Schiffstransport von Friedrichshafen nach Romanshorn.

(Archivbild) Hier bei Allensbach ist die Fast-Autobahn schon fertig. Wenn es einmal vierspurig bis nach Konstanz geht, wird die Fahrt um ...
(Archivbild) Hier bei Allensbach ist die Fast-Autobahn schon fertig. Wenn es einmal vierspurig bis nach Konstanz geht, wird die Fahrt um den See gegenüber der Fähre Konstanz-Meersburg noch einmal attraktiver. | Bild: Hanser, Oliver

Die Zeit spielt trotzdem für und nicht gegen die Fähre, ist Frank Weber überzeugt. Der Öffentliche Nahverkehr werde an Bedeutung zunehmen, sagt der seit Jahrzehnten in der Branche erfahrene Experte. Und: Dank der neuen, größeren Schiffe könne man wirtschaftlicher fahren: Im April soll das 14. Fährschiff mit super-sauberem Gas-Antrieb endlich in Dienst gestellt werden.

Dann besteht die Flotte im wesentlichen aus fünf sehr leistungsfähigen Schiffen. „Da schaffen wir es, dass in der Regel niemand mehr als ein Schiff abwarten muss, bis er rüberkommt“, so Fähre-Chef Weber – der aber auch einräumt: Die fetten Jahre sind fürs erste trotzdem vorbei.