Eine Podiumsdiskussion der ganz besonderen, weil interaktiven Art erlebten die rund 230 Gäste im Oberen Saal des altehrwürdigen Konzils – mehr durften aufgrund der Corona-Pandemie nicht hinein: Sowohl die Menschen vor Ort als auch die Zuschauer des Livestreams konnten Themen des Abends per Smartphone mitbestimmen. Die Diskussionen nahmen schnell an Fahrt auf, die SÜDKURIER-Moderatoren Benjamin Brumm und Jörg-Peter Rau kitzelten aus den fünf Kandidaten der Konstanzer OB-Wahl markante Aussagen heraus.
Thema Wohnen polarisierte
Amtsinhaber Uli Burchardt musste sich seinen vier Herausforderern stellen, die jede Menge Pfeile im Köcher hatten. Vor allem das Thema Wohnen polarisierte. „Es ärgert mich, dass wir das Bückle-Areal nicht gekauft haben. Wir hätten eine Vorreiterrolle übernehmen und viele Wohnungen bauen können“, schickte Andreas Matt eine Spitze Richtung Uli Burchardt. Matts Credo: „Das hier ist Wahlkampf, kein Wahlkuscheln – es braucht ein klares Wort und eine klare Kante.“
Uli Burchardt ärgerte beim Thema Wohnen vor allem eines: „Ich bin der einzige, der über Geld redet. Wir haben ein Finanzierungsproblem“, sagte er. „Am Ende geht es auch in der Kommunalpolitik leider immer um Geld.“ Die Wohnraumsituation sei in der Tat besorgniserregend, doch gegen die Zinspolitik der EZB könne Konstanz nichts machen; seit 2012 hätten sie die Immobilienpreise nahezu verdoppelt. „Wir können nicht verhindern, dass jemand ein Haus für den doppelten oder dreifachen Preis verkauft.“
Andreas Hennemann kündigte an, eine Stiftung Wohnraum gründen zu wollen. „So, wie die Spitalstiftung vor hunderten von Jahren gegründet wurde als Reaktion auf einen Notstand in der medizinischen Versorgung.“ Außerdem wolle er als Oberbürgermeister Unternehmen mit ins Boot nehmen, „denn die profitieren ja auch von den Mitarbeitern in der Stadt“.
„Die sind doch froh, dass das Cano nach Singen kommt“
Luigi Pantisano berief sich auf den berühmten dänischen Stadtplaner Jan Gehl: „Für ihn ist eine Stadt für Menschen, nicht für den Verkehr.“ Das Umsteigen auf Bus oder Bahn geschehe im ersten Kilometer, nicht im letzten: „Bevor ich losfahre, überlege ich mir, wie es weitergeht. Außerdem sorgen Radfahrer und Fußgänger für höheren Umsatz als Autofahrer. Konstanzer kommen doch nicht mehr in die Stadt. Die sind doch froh, dass das Cano nach Singen kommt.“
Jury Martin möchte vor allem eines: Veränderung. „Wir schwätzen und schwätzen und schwätzen. Doch man muss einen Plan erstellen, fixieren – wird das hier gemacht? Wenn ich beruflich als Projektleiter dies und jenes nicht exakt aufschreibe und fixiere, entsteht hinterher ein Chaos.“ Uli Burchardt rief er zu: „Wir lassen also alles so weiterlaufen wie bisher und dann löst sich das alles von ganz alleine? Das sagen sie doch.“
Favorit des Abends
Den gebürtigen Konstanzer ärgert, dass die Wobak ein Haus baue mit zehn Wohnungen, vier davon verkaufe, um das zu finanzieren. „Wobak soll aber sozialen Wohnungsbau betreiben. Auch der Spar- und Bauverein nimmt seine Aufgaben nicht wahr. Teilweise wird der Bestand verkauft, um neue Wohnungen zu kaufen.“
Via Smartphone konnten Gäste und Zuschauer des Livestreams ihren Favoriten des Abends wählen: Luigi Pantisano gewann die nicht repräsentative Abstimmung vor Uli Burchardt, Andreas Hennemann, Andreas Matt und Jury Martin.