Herr Hofmann, seit August 2024 leiten Sie als Interims-Intendant die Geschicke der Bodensee Philharmonie. Hätten Sie gedacht, dass Ihre Amtszeit in Konstanz so turbulent verläuft?

Hans-Georg Hofmann: Ich hatte mich auf eine intensive Spielzeit als Intendant eingerichtet, war dann aber doch überrascht darüber, wie viele Büchsen der Pandora sich gleich in den ersten Wochen öffneten. Neu war für mich auch die Erfahrung, wie eng hier die Verbindung zwischen der Politik und den Kulturinstitutionen ist. Das war in Basel, wo ich über 20 Jahre gearbeitet habe, anders. Dort gibt es nur alle drei, vier Jahre Subventionsverhandlungen.

Im Rahmen der Spardebatte wurden im Gemeinderat Stimmen laut, die das Orchester aus Kostengründen ganz grundsätzlich in Frage stellen. Wie haben Sie das wahrgenommen? Als Stimme Einzelner oder als ein allgemeines Stimmungsbild?

Hofmann: Ich habe es als eine nachvollziehbare Reaktion auf die Haushaltslage wahrgenommen. Dass man in einer solchen Situation grundsätzlich alles in Frage stellt, das kann ich verstehen. Doch aus meiner Sicht haben wir geliefert, was von uns erwartet worden ist – im Hinblick auf die Beschlüsse des Gemeinderates. Unser Schwerpunkt lag insbesondere – wohlgemerkt trotz fehlender Intendanz bis vor wenigen Monaten – auf dem Leistungsversprechen, noch mehr und breiter in die Stadtgesellschaft zu wirken. Auch die Erhöhung der Drittmittel ist uns schneller gelungen als erwartet und die Kartenpreise werden mit Beginn der kommenden Spielzeit angehoben. Woran sich die Diskussion schließlich aufhing, war die Frage nach dem Haustarifvertrag bzw. nach dem Fahrplan dazu. Dem Gemeinderat wurde zugesagt, dass dieser Prozess durch eine neue Intendanz gestartet wird. Die Erwartungshaltung an mich als Interimsintendant war jedoch so groß, dass wir uns schon jetzt mit dem Thema intensiv beschäftigen. Der entsprechende Zeitplan wurde dem Orchesterausschuss bereits vorgelegt.

Der städtische Haushalt für 2025/26 ist ja inzwischen beschlossen worden. Was bedeutet das konkret für das Orchester?

Hofmann: Das heißt für das Orchester, dass wir mit den Finanzen, die jetzt im Wirtschaftsplan stehen, trotz Teuerungen haushalten müssen. Die große Herausforderung besteht darin, in Zeiten der Inflation mit dem, was man hat, ein so attraktives Programm zu machen, dass wir die Leute auch weiterhin mit unseren Konzerten begeistern können.

Das heißt, der Tod der Philharmonie steht nicht unmittelbar bevor, solange Sie ihr Budget nicht überziehen?

Hofmann: Wir haben definitiv unseren Auftrag, den uns die Politik gibt, verstanden. Aber die Frage, ob man sich eine Philharmonie in Zukunft leisten kann, die wird auf jeden Fall irgendwann wieder gestellt werden. Ich stehe voll dahinter, dass wir das, was von uns erwartet wird, auch liefern. Das Beispiel der Berliner Kulturpolitik zeigt ja, wie gefährlich es ist, wenn man sich in reinen Abwehrkämpfen verzettelt und auf dem beharrt, was man hat, statt zu liefern, was erwartet wird.

Wo wären Einsparungen überhaupt denkbar? Ein solches Orchester hat ja viele Fixkosten, die gar nicht beeinflussbar sind.

Hofmann: Ja, an die Fixkosten zu gehen, hieße, über eine Verkleinerung des Orchesters zu sprechen. Das sehe ich bei einem Orchester wie der Bodensee Philharmonie nicht, ohne deren DNA zu zerstören. Nebenbei bemerkt würden wir auch das kulturelle Angebot zerstören, das wir regelmäßig verkaufen sowie das künstlerische Profil und die Programmvielfalt gefährden. Das wäre, wie wenn man einer Fußballmannschaft sagen würde, man spielt anstatt mit 11 nur mit 10 Leuten oder mit 9. Welche Position nimmt man da raus? Der Kontrabassist kann ja nicht einfach Horn spielen, nur weil in einem bestimmten Stück ein Horn und kein Kontrabass gebraucht wird.

Aber es gibt ja auch C-Orchester. Die sind kleiner als ein B-Orchester wie die Bodensee Philharmonie. Da muss man halt das Repertoire anpassen.

Hofmann: Genau. Das meine ich mit DNA. Es macht einen Unterschied, ob ein Orchester, das in den letzten Jahren Brahms oder sogar Bruckner-Symphonien gespielt hat, das in Zukunft nicht mehr machen kann. Damit zerstört man unsere Identität und unsere Strahlkraft, die wir über Jahrzehnte aufgebaut haben.

Wo sehen Sie denn überhaupt Einsparpotenzial?

Hofmann: Das sehe ich in der Effizienz der Programme. Damit meine ich, dass man zum einen ein Programm häufiger an verschiedenen Orten spielt, anstatt für einen bestimmten Veranstalter ein besonderes Programm zu erarbeiten, das dann nur einmal aufgeführt wird. Ich sehe auch Einsparpotenzial, indem man sich die Besetzung der Werke sorgfältig anschaut, damit man nicht für jedes Werk Aushilfen engagieren muss. Als Beispiel: wir haben keine feste Stelle für eine Harfe im Orchester. Die müssen wir also gegebenenfalls als Aushilfe hinzubuchen. Oder eben kein Werk mit Harfe auf das Programm setzen. Da sind wir bereits jetzt bei Überlegungen, die das Repertoire einschränken.

Weniger Aushilfen, mehr Aufführungen einzelner, bereits geprobter Programme. Das ist ja ein Prozess, den Chefdirigent Gabriel Venzago bereits angestoßen hatte.

Hofmann: Genau, das bauen wir jetzt noch weiter aus. Und dann gibt es ja noch den Weg, Drittmittel wie etwa Stiftungsgelder einzuwerben. So hat uns die Crescere-Stiftung für die nächsten zwei Jahre eine Förderung zugesagt. Andere Stiftungen haben wir für spezielle Projekte angeschrieben und teilweise Zusagen erhalten wie etwa von der Messmer-Stiftung in Radolfzell für einen Kompositionsauftrag. Außerdem sind wir dabei, innerhalb der Geschäftsstelle effizientere Organisationsstrukturen aufzubauen.

Soll der angemahnte Haustarifvertrag auch zum Sparen beitragen?

Hofmann: Der Haustarifvertrag, mit dem der bereits bestehende Haustarifvertrag von 2014 überarbeitet wird, wird zwischen dem Deutschen Bühnenverein und der Gewerkschaft der Orchestermusiker ausgehandelt. Meine Aufgabe als Intendant ist, diesen Prozess zu moderieren.

Und in welche Richtung soll das gehen? Was soll sich ändern?

Hofmann: Um ein eigenes Konstanzer Modell zu entwickeln, beginnen wir noch in diesem Monat mit der Beteiligung des Orchesters. Beat Fehlmann war bereits bei uns und wir konnten uns mit ihm über seine Erfahrungen in Ludwigshafen austauschen. In Ludwigshafen wurde ein Modell entwickelt, in dem Musiker, die sich über ihre üblichen Dienste hinaus engagieren, diese auch honoriert bekommen können. Für uns gilt es insbesondere im Bereich Musikvermittlung darum, das Potenzial der Musikerinnen und Musiker zu heben.

Also geht es darum, Strukturen im Tarifvertrag zu schaffen, um Leistungen zu honorieren, die Musiker bislang in ihrer Freizeit erbracht haben? Das klingt weniger nach Einsparungen.

Hofmann: Mit dieser Erwartungshaltung sollte man auch nicht daran gehen. Aus meiner Sicht geht es mehr darum, die Voraussetzungen für das zu schaffen, was die Politik fordert. Also mehr Breitenwirkung, auch über die Exzellenzwochen hinaus. Aber da sind wir auf einem guten Weg, gerade im Vergleich zu anderen Orchestern. Was die Bodensee Philharmonie an Musikvermittlungsarbeit abliefert, das sucht in Deutschland oder der Schweiz Seinesgleichen. Dieses Orchester ist nicht nur qualitativ hervorragend, es bringt auch die Flexibilität und das Bewusstsein mit, dass wir uns in einem Veränderungsprozess befinden. Bei anderen, auch renommierten Orchestern finden sie nicht mal einen Bruchteil von dem, was das Orchester hier macht. Und man darf auch nicht vergessen, dass man hier 2800 Abonnenten hat – in einer Stadt mit 86.000 Einwohnern. Meines Wissens ist Bamberg die einzige Stadt, die mit so vielen Abonnenten aufwarten kann. Ich will jetzt nicht meine Basler Vergangenheit in den Schatten stellen, aber diese Identität mit dem Orchester und dieser starke Rückhalt ist etwas Außergewöhnliches. Das habe ich so noch nicht erlebt.

Wo sehen Sie sich nach Ablauf dieser Saison bzw. über das Jahr Ihrer Interims-Intendanz hinaus. Weiterhin in Konstanz?

Hofmann: Das hängt ja nicht nur von mir ab. Ich möchte aber all meine Kraft einsetzen, dieses wunderbare Orchester zu leiten, zu stärken und in wenigen Jahren das 100jährige Bestehen feiern zu können.

Und wenn es nur von Ihnen abhinge?

Hofmann: Wenn die Bedingungen stimmen, kann ich mir das gut vorstellen. Das heißt, wenn es nicht zu tiefgreifenden Änderungen in der Orchesterstruktur kommt. Und ich wünsche mir etwas weniger Verunsicherung für unsere Musikerinnen und Musiker und alle Mitarbeitenden der Bodensee Philharmonie.