Es rattert, poltert und rumort im Untergrund von Petershausen rund um das alte Telekom-Gebäude. Schuld ist das schwere Gerät, mit dem gerade im Untergrund gearbeitet wird: Dort entstehen die Fundamente für die Balkone, die an dem Gebäude nun im Zuge der Sanierung entstehen sollen. Darüber hinaus musste ein alter Bunker abgebrochen werden.

Leidtragende sind vor allem die Anwohner, die sich in der Vergangenheit bereits bei der zuständigen Bürgergemeinschaft Petershausen beklagten, und die ansässigen Händler. So auch Jörg Becker und seine Frau Tanja Schilling-Becker. Sie betreiben seit sechs Jahren einen kleinen Hofladen an der Moltkestraße – direkt gegenüber von der lauten Großbaustelle. Der ständige Lärm schlägt dem Paar auf die Psyche – und auf den Geldbeutel.

Viele Probleme durch die Baustelle

„Es ist ohnehin schwer durchzuhalten. Wir stoßen an unsere Grenzen“, sagt Tanja Schilling-Becker Mitte Februar gegenüber dem SÜDKURIER. „Und die Baustelle raubt einem die letzten Nerven.“ Das Paar schildert viele Probleme, die durch die Baustelle entstanden, oder zumindest verstärkt wurden. Die Kunden seien beispielsweise im Laden oft nicht zu verstehen – und dass obwohl man die Türe geschlossen halte, die man wegen Corona eigentlich lieber geöffnet halten würde. Darüber hinaus seien wegen der Baustelle sowie einer aufgestellten, provisorischen Ampel viele Parkplätze weggefallen und somit auch Kundschaft ausgeblieben.

Das könnte Sie auch interessieren

Wegen des Lärms würden sich außerdem keine Kunden mehr vor dem Laden unterhalten oder gegenüber einen Kaffee trinken. Zu laut sei die Umgebung, zu ungemütlich das Verweilen – sogar am Wochenende, weil auch samstags gehämmert wird. Zusätzlich vermutet Becker, dass Laufkundschaft weggebrochen sei, weil die Postfiliale und der dazugehörende Geldautomat im Telekom-Hochhaus nicht mehr besteht. Die Post sei auch vielfach von Schweizer Kundschaft genutzt worden.

Das Paar hält fest: Sich unter diesen Voraussetzungen als kleines Geschäft, gerade in Zeiten der Pandemie, zu behaupten, sei schwer. So sei die Kundschaft rückläufig, der Umsatz gesunken. Natürlich sei es lediglich ein Gefühl, dass dies an der Unattraktivität durch die Baustelle liege. Genau analysieren ließe sich dies, auch aufgrund der Corona-Lage und der wirtschaftlich schlechten Jahreszeit, nicht. Alles blind auf den Baulärm schieben, will das Paar nicht.

Ein Bunker musste abgebrochen werden

Die Bpd Immobilienentwicklung Stuttgart, die den Umbau durchführen lässt, sieht das Problem, kann jedoch kaum etwas tun. „Das laute Geräusch ist durch den Bunker des Telekom-Hochhaus entstanden“, gibt Christian Benzing, Sprecher der Bpd gegenüber dem SÜDKURIER an. „Der musste abgebrochen werden.“

Der Sprecher vergleicht es mit dem Nachbar, der in die Wand bohrt. So gelängen durch die Arbeiten am Telekom-Hochhaus nicht nur verschiedene Geräusche nach außen, sondern die Vibration durchdringe zugleich den Boden. „Man kann nicht verhindern, dass es da laut ist“, so der Sprecher. „Da können wir nichts machen.“ Wie Tanja Schilling-Becker und Jörg Becker versichern, könnten sie die Geräusche und Vibrationen sogar aus ihrem Abfluss hören.

Bild 1: Das Leiden unter dem Lärm: Lokale Händler und Anwohner kämpfen mit dem Krach am Telekom-Gebäude
Bild: Timm Lechler

Ganz untätig sei der Bauträger allerdings nicht gewesen. So habe man verschiedene Geräuschabsorber installiert und beispielsweise Matten im Inneren beziehungsweise am Rand des Gebäudes aufgehängt, um den Schall, der durch die Arbeiten im Inneren des Hochhauses entsteht, zu entschärfen. „Bei so einem Turm ist es schwierig, das zu verhindern“, so Benzing. Aufgrund der Größe des Hochhauses, und weil es über alle Gebäude in der Nähe herausrage, schallen die Geräusche besonders weit.

Entsteht Anziehungspunkt in Petershausen?

Das Betreiber-Ehepaar des Hofladens will sich allerdings nicht nur über die Baustelle beschweren. „Die Baustelle ist eine Notwendigkeit“, meinen sie trotz ihrer Lage. Und doch sei es entscheidend, in welcher Form der Bereich rund um das Telekom-Hochhaus für die Zukunft aufgewertet wird. So stellt sich Jörg Becker die für ihn entscheidende Frage: „Wird das hier wieder ein Anziehungspunkt in Petershausen oder lediglich der Vorraum für ein Wohnhaus von Bessergestellten“, fragt er. Er hofft zweifelsohne auf Ersteres.

Das könnte Sie auch interessieren

Nämlich, dass es in Petershausen wieder einen Ort gebe, der zum Verweilen einlädt, zum kulturellen Austausch und für soziales Miteinander. Das alles mache für ihn einen „Kiez“, ja, das ganze Viertel in Peterhausen, doch aus. Und er begreift seinen Laden als einen Teil davon – als eine soziale Institution, zu dem Kunden auch wegen des gesellschaftlichen Kontakts kommen.

Gerade in Zeiten von Corona und der zunehmenden Vereinsamung sei das nicht nur für die ältere Kundschaft wichtig. Er hofft deshalb, dass dies alles nicht verloren geht, sondern nach Corona wieder kommt. Allerspätestens dann, wenn die Baustelle fertiggestellt und die Wohnungen bezugsfertig sind. Das soll laut der Bpd bis zum Jahreswechsel 2024/2025 der Fall sein. Im Sommer sollen außerdem bereits die ersten Balkone ans Gebäude angebracht werden.