Rattatata, rattatata: Ein Bauarbeiter gräbt sein Gerät in den Beton, zerkleinert ihn, es staubt gewaltig. Wenige Meter weiter ist ein Kollege an ein Sicherungsseil angebunden und lässt vorsichtig ein großes Metallteil in die Tiefe hinab.

Die Sicherung ist unerlässlich: Der Arbeiter steht direkt am Abgrund, unter seinen Füßen geht es viele Meter hinab. Wir befinden uns im sechsten Stock des ehemaligen Telekomhochhauses, das vom Bürogebäude zum Wohnturm umgebaut wird.
Das Teil, das der Arbeiter abseilt, ist ein Stück der alten Fassade. Unten greift sich ein Bagger den Fensterrahmen und legt ihn auf einen großen Haufen. Nach und nach wird die gesamte Fassade entfernt, beginnend vom 15. Stockwerk bis hinunter zum Erdgeschoss.
„Die Firma schafft pro Tag eine bis zwei Etagen“, sagt Projektentwickler Rainer Beitlich von bpd Immobilienentwicklung aus Stuttgart. „Sie müssen wegen der Windeinflüsse und der Statik umlaufend um das Gebäude vorgehen, also immer abwechselnd vorne und hinten die Fassade entfernen“, erläutert er.
Mitte Februar 2022 soll sie vollständig abgetragen sein. Zu gebrauchen sind die Rahmen nicht mehr. Projektsteuerer David Schreiber von bpd erläutert: „Die Universität Kaiserlautern hat untersucht, ob die gesamte Fassade wiederverwendet werden kann, die hatten dafür ein konkretes Projekt im Kopf. Doch leider ist das nicht machbar.“

Nun ist vom Turm bald nur noch das Gerippe übrig, denn das Gebäude wurde auch schon entkernt. Die Hülle blieb vorerst stehen, um noch Schallschutz zu bieten. Dennoch verursachte das schwere Gerät viel Lärm, zum Leidwesen der Anwohner in Petershausen.
Diese beklagten sich bei der zuständigen Bürgergemeinschaft (BG), die sich wiederum an bpd wandte. Die Projektleiter ließen Schallmessungen durchführen und gaben der Baufirma Bescheid. „Danach wurde es leiser“, sagt BG-Vorsitzender Christian Millauer. „Inzwischen schmeißt die Firma zum Beispiel schwere Teile nicht mehr aus der Höhe hinunter, sondern transportiert sie mit einem Hubwagen ab.“
Der Turm erhält ein ganz neues Gesicht, hier entstehen 97 Wohnungen unterschiedlicher Größe, teilweise als Maisonette. Erste Bohrungen zwischen den Stockwerken sind bereits sichtbar. Später werden frei hängende Balkone an die Fassade angedockt.
Aber auch so nackig lässt das Gebäude staunen, denn ohne Zwischenwände und Möbel wirkt es sehr schmal. Tatsächlich misst der Turm nur 15 Meter in der Breite, bei 50 Metern Länge. Zum Vorschein kommt im Rohzustand nun auch die geringe Deckendicke von gerade einmal zehn Zentimetern.

„Hier müssen statisch einige Verbesserungen vorgenommen werden, damit das Haus wieder in Einklang mit den aktuellen Schall- und Brandschutzmaßnahmen gelangt“, sagt David Schreiber. Überhaupt ist die Statik des späteren Wohnturms die größte Herausforderung.
Projektentwickler Rainer Beitlich erklärt: „Der tolle Entwurf des Architekturbüros Sauerbruch Hutton stellte alle Beteiligten vor schwierige Aufgaben. Es waren die besten Statiker Deutschlands beteiligt. Das ist das Schöne an diesem Projekt: Bei diesen Dimensionen lernen wir selbst noch ganz viel dazu. Schwierigkeiten zu meistern und was Machbares zu entwickeln, ist gigantisch.“

Gigantisch wird auch der nächste Schritt ab Frühjahr 2022. Dann stellt die Firma Züblin drei große Kräne auf, der höchste ragt sogar über die Hochhaus-Antenne hinaus. „Das ist einer der größten Kräne Süddeutschlands“, sagt David Schreiber. Die Baustelle sei vergleichbar mit dem Frankfurter Hochhausbau.
Aber wäre es bei diesem Aufwand nicht einfacher gewesen, das ohnehin umstrittene Gebäude abzureißen und neu zu bauen? Dazu sagt Rainer Beitlich: „Nach einem Abriss hätten wir nicht mehr so hoch bauen dürfen. Dann wäre vielleicht noch die halbe Wohnfläche dabei herausgekommen.“ Verschmitzt fügt er hinzu: „Und Konstanz hätte eines seiner Wahrzeichen verloren und die BG Petershausen ihre Skyline im Logo.“
So bleibt es bei Bauarbeiten in schwindelnder Höhe. Diese werden auch die Wohnungspreise erreichen. „Das wird schon teuer“, sagt Rainer Beitlich. Ende des kommenden Jahres wird mit dem Verkauf der Wohnungen begonnen. Bezugsfertig sollen sie zum Jahreswechsel 2024/25 sein.
Als Zielgruppe sieht der Projektentwickler Kunden aus Süddeutschland und der Schweiz. „Wir müssen die Wohnungen im Turm auch deshalb so teuer verkaufen, weil wir nebenan auch preiswerte Einheiten anbieten.“

Nebenan bedeutet, dass links und rechts neben dem ehemaligen Telekom-Technikgebäude zwei Wohnriegel mit insgesamt 150 Wohnungen zwischen 50 und 120 Quadratmetern neu gebaut werden, ein Drittel davon als sozialer Wohnungsbau im Handlungsprogramm Wohnen. „Hier hängen wir hinter dem Zeitplan, wir kommen beim Bebauungsplanverfahren mit der Stadt Konstanz nur mühsam voran“, sagt Beitlich.
Das alte Technikgebäude selbst wird bis auf das Erdgeschoss zurückgebaut. Auf diesem soll ein Erlebnisgarten namens Petersglück entstehen, zugänglich über eine Freitreppe für die Anwohner und ihre Besucher. Dort könnten auch Quartiersfeste für die Nachbarschaft ausgerichtet werden.

„Das Riesenprojekt bereitet uns immer wieder schlaflose Nächte, aber am Ende werden wir mega stolz sein“, ist sich Rainer Beitlich sicher. „Wir schaffen hier was ganz Tolles, das Quartier wird neu erlebbar.“