Rattatata, rattatata: Ein Bauarbeiter gräbt sein Gerät in den Beton, zerkleinert ihn, es staubt gewaltig. Wenige Meter weiter ist ein Kollege an ein Sicherungsseil angebunden und lässt vorsichtig ein großes Metallteil in die Tiefe hinab.

Ein Job am Abgrund: Der Arbeiter in der Bildmitte ist angeseilt, weil es direkt vor seinen Füßen viele Meter in die Tiefe geht. Er ...
Ein Job am Abgrund: Der Arbeiter in der Bildmitte ist angeseilt, weil es direkt vor seinen Füßen viele Meter in die Tiefe geht. Er entfernt die alte Fassade des ehemaligen Telekomhochhauses Stück für Stück und seilt die Teile ab. | Bild: Kirsten Astor

Die Sicherung ist unerlässlich: Der Arbeiter steht direkt am Abgrund, unter seinen Füßen geht es viele Meter hinab. Wir befinden uns im sechsten Stock des ehemaligen Telekomhochhauses, das vom Bürogebäude zum Wohnturm umgebaut wird.

Das Teil, das der Arbeiter abseilt, ist ein Stück der alten Fassade. Unten greift sich ein Bagger den Fensterrahmen und legt ihn auf einen großen Haufen. Nach und nach wird die gesamte Fassade entfernt, beginnend vom 15. Stockwerk bis hinunter zum Erdgeschoss.

Fassadenteil wird abgeseilt Video: Kirsten Astor

„Die Firma schafft pro Tag eine bis zwei Etagen“, sagt Projektentwickler Rainer Beitlich von bpd Immobilienentwicklung aus Stuttgart. „Sie müssen wegen der Windeinflüsse und der Statik umlaufend um das Gebäude vorgehen, also immer abwechselnd vorne und hinten die Fassade entfernen“, erläutert er.

Mitte Februar 2022 soll sie vollständig abgetragen sein. Zu gebrauchen sind die Rahmen nicht mehr. Projektsteuerer David Schreiber von bpd erläutert: „Die Universität Kaiserlautern hat untersucht, ob die gesamte Fassade wiederverwendet werden kann, die hatten dafür ein konkretes Projekt im Kopf. Doch leider ist das nicht machbar.“

Schweres Gerät im Einsatz: Ein Abbrucharbeiter zerkleinert eine Betonplatte. Die ausgebauten Glasscheiben werden später an der Fassade ...
Schweres Gerät im Einsatz: Ein Abbrucharbeiter zerkleinert eine Betonplatte. Die ausgebauten Glasscheiben werden später an der Fassade hinuntergelassen und entsorgt. | Bild: Kirsten Astor

Nun ist vom Turm bald nur noch das Gerippe übrig, denn das Gebäude wurde auch schon entkernt. Die Hülle blieb vorerst stehen, um noch Schallschutz zu bieten. Dennoch verursachte das schwere Gerät viel Lärm, zum Leidwesen der Anwohner in Petershausen.

Diese beklagten sich bei der zuständigen Bürgergemeinschaft (BG), die sich wiederum an bpd wandte. Die Projektleiter ließen Schallmessungen durchführen und gaben der Baufirma Bescheid. „Danach wurde es leiser“, sagt BG-Vorsitzender Christian Millauer. „Inzwischen schmeißt die Firma zum Beispiel schwere Teile nicht mehr aus der Höhe hinunter, sondern transportiert sie mit einem Hubwagen ab.“

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Der Turm erhält ein ganz neues Gesicht, hier entstehen 97 Wohnungen unterschiedlicher Größe, teilweise als Maisonette. Erste Bohrungen zwischen den Stockwerken sind bereits sichtbar. Später werden frei hängende Balkone an die Fassade angedockt.

Aber auch so nackig lässt das Gebäude staunen, denn ohne Zwischenwände und Möbel wirkt es sehr schmal. Tatsächlich misst der Turm nur 15 Meter in der Breite, bei 50 Metern Länge. Zum Vorschein kommt im Rohzustand nun auch die geringe Deckendicke von gerade einmal zehn Zentimetern.

Wahnsinn, so schmal! Der ehemalige Telekomturm misst in der Breite gerade einmal 15 Meter, bei 50 Metern Länge. Als sich in diesem ...
Wahnsinn, so schmal! Der ehemalige Telekomturm misst in der Breite gerade einmal 15 Meter, bei 50 Metern Länge. Als sich in diesem Stockwerk noch die Kantine mit Küche befand, wirkte das Gebäude breiter. | Bild: Kirsten Astor

„Hier müssen statisch einige Verbesserungen vorgenommen werden, damit das Haus wieder in Einklang mit den aktuellen Schall- und Brandschutzmaßnahmen gelangt“, sagt David Schreiber. Überhaupt ist die Statik des späteren Wohnturms die größte Herausforderung.

Projektentwickler Rainer Beitlich erklärt: „Der tolle Entwurf des Architekturbüros Sauerbruch Hutton stellte alle Beteiligten vor schwierige Aufgaben. Es waren die besten Statiker Deutschlands beteiligt. Das ist das Schöne an diesem Projekt: Bei diesen Dimensionen lernen wir selbst noch ganz viel dazu. Schwierigkeiten zu meistern und was Machbares zu entwickeln, ist gigantisch.“

Sie sind stolz auf das Projekt: Projektentwickler Rainer Beitlich (links) und Projektsteuerer David Schreiber (rechts) von bpd ...
Sie sind stolz auf das Projekt: Projektentwickler Rainer Beitlich (links) und Projektsteuerer David Schreiber (rechts) von bpd Immobilienentwicklung. Zum Ortstermin kam auch Christian Millauer (Mitte), Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Petershausen. | Bild: Kirsten Astor

Gigantisch wird auch der nächste Schritt ab Frühjahr 2022. Dann stellt die Firma Züblin drei große Kräne auf, der höchste ragt sogar über die Hochhaus-Antenne hinaus. „Das ist einer der größten Kräne Süddeutschlands“, sagt David Schreiber. Die Baustelle sei vergleichbar mit dem Frankfurter Hochhausbau.

Aber wäre es bei diesem Aufwand nicht einfacher gewesen, das ohnehin umstrittene Gebäude abzureißen und neu zu bauen? Dazu sagt Rainer Beitlich: „Nach einem Abriss hätten wir nicht mehr so hoch bauen dürfen. Dann wäre vielleicht noch die halbe Wohnfläche dabei herausgekommen.“ Verschmitzt fügt er hinzu: „Und Konstanz hätte eines seiner Wahrzeichen verloren und die BG Petershausen ihre Skyline im Logo.“

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So bleibt es bei Bauarbeiten in schwindelnder Höhe. Diese werden auch die Wohnungspreise erreichen. „Das wird schon teuer“, sagt Rainer Beitlich. Ende des kommenden Jahres wird mit dem Verkauf der Wohnungen begonnen. Bezugsfertig sollen sie zum Jahreswechsel 2024/25 sein.

Als Zielgruppe sieht der Projektentwickler Kunden aus Süddeutschland und der Schweiz. „Wir müssen die Wohnungen im Turm auch deshalb so teuer verkaufen, weil wir nebenan auch preiswerte Einheiten anbieten.“

Überbleibsel nach Jahrzehnten als Büroturm: Ein Stuhl und Rohmaterial. Hinten beim Bretterzaun ist ein Durchbruch ins nächste Stockwerk ...
Überbleibsel nach Jahrzehnten als Büroturm: Ein Stuhl und Rohmaterial. Hinten beim Bretterzaun ist ein Durchbruch ins nächste Stockwerk erkennbar. Hier entsteht eine Maisonette-Wohnung. | Bild: Kirsten Astor

Nebenan bedeutet, dass links und rechts neben dem ehemaligen Telekom-Technikgebäude zwei Wohnriegel mit insgesamt 150 Wohnungen zwischen 50 und 120 Quadratmetern neu gebaut werden, ein Drittel davon als sozialer Wohnungsbau im Handlungsprogramm Wohnen. „Hier hängen wir hinter dem Zeitplan, wir kommen beim Bebauungsplanverfahren mit der Stadt Konstanz nur mühsam voran“, sagt Beitlich.

Das alte Technikgebäude selbst wird bis auf das Erdgeschoss zurückgebaut. Auf diesem soll ein Erlebnisgarten namens Petersglück entstehen, zugänglich über eine Freitreppe für die Anwohner und ihre Besucher. Dort könnten auch Quartiersfeste für die Nachbarschaft ausgerichtet werden.

Blick auf die Kreuzung Jahn-/Petershauser/Gustav-Schwab-Straße und das alte Technikgebäude des ehemaligen Telekomturms im Vordergrund. ...
Blick auf die Kreuzung Jahn-/Petershauser/Gustav-Schwab-Straße und das alte Technikgebäude des ehemaligen Telekomturms im Vordergrund. Es soll bis auf das Erdgeschoss abgerissen werden, oben drauf entsteht ein Erlebnisgarten. Links und rechts davon werden neue Wohnungen in zwei Riegeln gebaut. | Bild: Kirsten Astor

„Das Riesenprojekt bereitet uns immer wieder schlaflose Nächte, aber am Ende werden wir mega stolz sein“, ist sich Rainer Beitlich sicher. „Wir schaffen hier was ganz Tolles, das Quartier wird neu erlebbar.“