Herr Langensteiner-Schönborn, Sie sind ein positiver Mensch – wenn man Ihnen zuhört, wie Sie über die Konstanzer Wohnungspolitik sprechen, könnte man meinen, alles sei großartig. Aber de facto ziehen Familien aus der Mittelschicht weg, weil Ihnen die Preise zu hoch sind, es gibt Studierende, die fangen deshalb gar nicht erst in Konstanz an.

Karl Langensteiner-Schönborn: Wenn man die Breite der Gesellschaft fragt, dann stellt sich das Bild über Konstanz differenzierter da. Klar gibt es kritische Stimmen zu verschiedenen Themen und das ist auch gut so. Aber wir bekommen auch Rückmeldung von Menschen, die zufrieden mit dem Leben in Konstanz sind. In Summe glaube ich schon, dass die Menschen sehr glücklich sind, dass sie hier in Konstanz leben – und daher auch hier bleiben möchten. Das spiegelt regelmäßig auch die Bürgerbefragung wider, die die Universität jedes Jahr durchführt. Natürlich sind wir eine beliebte Stadt mit enorm hohem Niveau, mit einer Exzellenzuni und einer sehr guten Hochschule, mit hohem Freizeitwert für Familien. Dort, wo die Menschen hinwollen, ist es oft teurer. Ähnlich ist es in Heidelberg, Tübingen oder Freiburg. Aber wo wir können steuern wir dagegen.

Karl Langensteiner-Schönborn, Konstanzer Baubürgermeister: „Dort, wo die Menschen hinwollen, ist es oft teurer.“
Karl Langensteiner-Schönborn, Konstanzer Baubürgermeister: „Dort, wo die Menschen hinwollen, ist es oft teurer.“ | Bild: Oliver Hanser

Marion Klose: Steigende Preise beim Wohnen sind eine Problematik, vor der alle Unistädte und die Großstädte stehen. Wir haben viele Studierende. Der Trend geht zudem seit einigen Jahren ganz klar zurück in die Städte, weil in der Regel heute beide Partner berufstätig sind und in Städten Auswahlmöglichkeiten bestehen in der Kinderbetreuung, Schulwahl, an Kultur- und Freizeitangeboten. Hier können viele Angebote auf kurzen Wegen erreicht werden und sind somit gut mit dem Berufsalltag zu verknüpfen.

Jens-Uwe Götsch: Und Konstanz hat eine Besonderheit, die andere attraktive Städte wie etwa Heidelberg nicht haben. Keine Ausbreitungsmöglichkeiten. Deshalb setzen wir alles auf die Entwicklung bestehender Grundstücke.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Stadtplaner und -entwickler, als Chef der größten Wohnungsbaugesellschaft, als Sie gehört haben, dass Konstanz Platz 2 nach München bei den Kaufpreisen für Eigentumswohnungen belegt? Ist das nicht eine Bankrotterklärung für die Stadtentwicklung?

Langensteiner-Schönborn: Wir legen unseren Schwerpunkt nicht auf Eigentumswohnungen, sondern im Wesentlichen auf den Mietwohnungsbau, von daher fokussiert es sich auf bezahlbaren Mietwohnungsbau. Wenn Eigentumswohnungen teuer sind, ist das sicher ein Thema, wo man drauf schaut. Aber uns geht‘s an erster Stelle darum, den Konstanzerinnen und Konstanzern im Mietwohnungsbau bezahlbaren Wohnraum zu liefern. Es lohnt sich, Umfragen kritisch unter die Lupe nehmen: Von welchen Daten gehen diese aus? Es zeigt sich dann manches in einem anderen Blick.

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Götsch: Wenn ein Privater horrende Summen verlangt und jemanden findet, der das Geld dafür zahlt, können wir nicht einschreiten. Das Ziel ist, in Mietwohnungsbau zu investieren, um die nächsten 100 Jahre bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können. Das ist das Pfund, das die Stadt hat.

Klose: Wir als Stadt können nicht den gesamten Wohnungsmarkt steuern. Sondern im Wesentlichen nur über Grundstücke, die wir besitzen. Deshalb haben wir in den letzten Jahren verstärkt Grundstücke gekauft. Ohne Grundstücke können wir noch über die Schaffung von Baurecht steuern. Unsere Instrumente liegen im Bauen und Steuern über vertragliche Bindungen. Der Gemeinderat hat beschlossen, dass wir dabei ausschließlich das mittlere und untere Segment festschreiben, denn alles anderen regelt ohnehin der freie Markt.

Marion Klose, Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Umwelt: „Grundsätzlich können wir den Zuzug nicht verhindern, nur den ...
Marion Klose, Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Umwelt: „Grundsätzlich können wir den Zuzug nicht verhindern, nur den Wegzug.“ | Bild: Oliver Hanser

Das heißt, Sie lassen den freien Markt freien Markt sein?

Klose: Nein. Da, wo wir eingreifen können, steuern wir den Markt, indem hier nur im unteren und mittleren Segment gebaut werden darf. Aber das ist nicht immer möglich. Grundsätzlich können wir den Zuzug nicht verhindern, nur den Wegzug. Und so haben wir 2013, als die Preise anstiegen, frühzeitig reagiert – und das Handlungsprogramm Wohnen beschlossen. Um damit Wohnraum zu schaffen im geförderten und mittleren Bereich.

Langensteiner-Schönborn: Betrachten wir den Wohnungsmarkt, haben wir auf etwa 50 Prozent keinen Einfluss. Zum Beispiel Eigentumswohnungen in privater Hand. Wir widmen uns den anderen 50 Prozent, auf die wir Einfluss haben. Und zwar mit allen Mitteln. Aber eine Stadt braucht Grundstücke, um in den aktiven Markt einzugreifen. Als wir 2014 in den Grundstückserwerb gegangen sind und Eigentümer angesprochen haben, war das in Konstanz ein Paradigmenwechsel. Vorher war Konstanz da zurückhaltend. Wir denken, dass wir nur mit Grundstücken den bezahlbaren Wohnraum für junge Familien, für Menschen im mittleren und geförderten Bereich schaffen können, den wir brauchen. Und nun ist es so, dadurch, dass wir in den Markt eingegriffen haben, muss jeder Private, der Baurecht braucht, 30 Prozent geförderten Wohnungsbau bringen. Für 25 Jahre – das ist schon ein Zeitraum, in dem der Markt sich wieder abflachen kann. Wir wollen entwickeln, damit sich die Kurve abflacht. Wo die Stadt selbst Grundstücke besitzt, ist die Quote für den geförderten und mittleren Wohnungsbau natürlich noch höher.

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40 Flächen sind es, die das Handlungsprogramm Wohnen ausweist.

Langensteiner-Schönborn: Genau, an diesen circa 40 Flächen greifen wir in den Markt ein, in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium. Alles mit einem Ziel: Dass die Konstanzerinnen und Konstanzer, die hier leben und arbeiten und Familien gründen, nicht wegziehen müssen, weil sie sich das Wohnen hier nicht mehr leisten können. Der mittlere Bereich also, worin sich ganz normale Angestellte befinden, die gerade so keinen Wohnungsberechtigungsschein bekommen – aber trotzdem hierbleiben wollen.

Götsch: Wenn wir uns die Einkommensklassen ansehen im Ländle für geförderten Wohnraum: Mit einer vierköpfigen Familien etwa dürfen sie bis zu 70.000 Euro verdienen, mit einer dreiköpfigen 60.000 Euro – das Förderprogramm ist in der Mitte angekommen, ist in der Realität der Preise angekommen. Aber viele Menschen wissen das nicht. Wenn Menschen bei uns auf der Interessenliste sind, schauen wir zuerst: Könnten die in den Förderbereich reinfallen? Viele sind überrascht.

Jens-Uwe Götsch, Geschäftsführer der Wobak: „Wenn ein Privater horrende Summen verlangt und jemanden findet, der das Geld dafür ...
Jens-Uwe Götsch, Geschäftsführer der Wobak: „Wenn ein Privater horrende Summen verlangt und jemanden findet, der das Geld dafür zahlt, können wir nicht einschreiten.“ | Bild: Oliver Hanser

Wieviel geförderte und mittlere Wohnungen wurden denn 2020 geschaffen?

Götsch: Früher haben wir um die 50 Wohnungen im Jahr gebaut. Jetzt hatten wir 2020 allein sieben große Baustellen mit 284 Wohneinheiten. Davon sind 240 dieses Jahr bezugsfertig geworden, etwa die 84 Wohnungen am Pfeiferhölzle, dann 27 Wohnungen in der Gottfried-Keller-Straße.

Langensteiner-Schönborn: Interessant ist, dass die Preise fürs Mieten 2020 das erste Mal stagnierten, die Preisschraube geht nicht weiter nach oben. Das ist für uns Indikator, dass unsere Bemühungen Früchte tragen. Entwickeln, entwickeln, entwickeln! Die Zahlen haben sich schon gesteigert, die Wobak macht doppelt so viel wie früher. Und wir haben noch einiges in der Umsetzung.

Können Sie Beispiele nennen?

Langensteiner-Schönborn: Zum Beispiel haben wir das gerade erwähnte Pfeiferhölzle, dann die Gottfried-Keller-Straße und die Wollmatingerstraße und jetzt noch zusätzlich Mikroappartements für die Anschlussunterbringung für Flüchtlinge am Sonnenbühl. Und die in Egg und im Zergle dürfen auch für den geförderten Wohnungsbau genutzt werden. Auch in der Luisenstraße wurde für Flüchtlinge gebaut und wir haben die Nachnutzung gleich mitgedacht: Irgendwann sollen dort Pflegekräfte und Azubis der Spitalstiftung untergebracht werden. Vor der Sommerpause haben wir die Bebauungspläne für das Bückleareal, Weiherhof-Nord und das Quartier Am Horn auf den Weg gebracht. Und wir arbeiten uns auf den Hafner zu. Wir sind perspektivisch so gut unterwegs, dass wir 2030 vor allem durch den Hafner an dem Punkt sein könnten, an dem sich der Wohnungsmarkt stabilisiert.

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Sie gehen davon aus, dass Preise 2030 gesunken sind?

Langensteiner-Schönborn: Ich gehe davon aus, dass sie sich stabilisiert haben und wir im bezahlbaren Segment ausreichend Wohnraum zur Verfügung stellen können. So viel, dass Familien mit ganz normalem Jobs, mittlere oder untere Verdienstbereiche, nicht wegziehen müssen. Pfleger, Busfahrerinnen, Erzieher – wir brauchen die Leute! Die sind für unsere Infrastruktur lebensnotwendig. Das ist unser Job. Und den machen wir. Mit dem Hafner haben wir das auch in der Hand.

Was ist das größte Hindernis für neue Wohnungen?

Langensteiner-Schönborn: Zuerst Grundstücke.

Götsch: Das Thema Baurecht und Einsprüche von Anwohnern. Wir haben Bauvorhaben, die seit eineinhalb Jahren beim Regierungspräsidium liegen und bewertet werden müssen. Jetzt bekommt das Präsidium zwar viele Einsprüche von uns, aber nicht nur von uns, sondern auch von anderen aus dem ganzen Regierungsbezirk, das dauert.

Anwälte, Bauplaner, alle erzählen das gleiche: Dass Einsprüche von Anwohnern zunehmen. Frustrierend, wenn eine Kleingruppe wichtige Projekte verhindert oder in die Länge zieht?

Langensteiner-Schönborn: Wir versuchen, sehr viel im Vorfeld zu kommunizieren. Unser Ziel ist, Verständnis zu wecken und mit Argumenten zu überzeugen. Am Schluss ist es so: Wenn das Haus steht, sind auch die Kritiker der Bauten meist überzeugt. Ein gutes Beispiel dafür sind die Bauten am Pfeiferhölzle.

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