Rainer Böse und Andreas Effinger sind genervt. Viermal haben sie bereits einen Bauantrag bei der Stadt eingereicht, viermal wurde er abgelehnt, zuletzt im Juli dieses Jahres. Dabei haben sie aus ihrer Sicht nur Gutes im Sinn: Eine alte Villa, in der psychisch erkrankte Menschen leben, soll abgerissen und durch einen modernen Neubau ersetzt werden.

Diese alte Fabrikantenvilla von 1920 entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Der Eigentümer möchte sie gern durch einen Neubau ...
Diese alte Fabrikantenvilla von 1920 entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Der Eigentümer möchte sie gern durch einen Neubau ersetzen, die Stadt lehnt ab. | Bild: Kirsten Astor

Das Ziel ist es, noch mehr hilfsbedürftigen Menschen Wohnraum anzubieten, außerdem sollen im neuen Mehrfamilienhaus Büros, Personalwohnungen und Gemeinschaftsräume entstehen. Doch die beiden dürfen ihre Pläne nicht verwirklichen.

Seit 2010 laufen verschiedene Anträge...

Rainer Böse, Besitzer des Grundstücks Am Briel 44 und des darauf stehenden Hauses von 1920, versteht die Haltung des Baurechts- und Denkmalamts nicht. „Ich bin seit 2010 dran, Abriss und Neubau zu erwirken, um meinem langfristigen Mieter bessere Perspektiven bieten zu können“, sagt Böse.

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Mieter sind seit 45 Jahren die Paritätischen Sozialdienste Konstanz, die auch auf dem Nachbargrundstück Am Briel 40 ein Wohnheim für psychisch kranke Menschen anbieten. Geschäftsführer Andreas Effinger bekräftigt: „Das Grundstück ist da, das Geld ist da, das Ziel ist klar.“ Daher versteht auch er nicht, warum dem Vorhaben Steine in den Weg gelegt werden.

Rainer Böse ist Besitzer der alten Fabrikantenvilla Am Briel 44.
Rainer Böse ist Besitzer der alten Fabrikantenvilla Am Briel 44. | Bild: Kirsten Astor

„Am alten Haus ist alles falsch, die Zimmer sind zu klein, die sanitären Anlagen veraltet, der Brandschutz ebenfalls. Wir dürfen das Haus nur mit einer Ausnahmegenehmigung der Heimleitung weiter nutzen“, so Effinger. In der Villa leben derzeit sechs Menschen, im neuen Haus könnten es 24 sein: „Der Bedarf an Wohnplätzen für psychisch Erkrankte steigt.“

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Also erarbeitete Architekt Leo Braun Pläne und reichte einen Bauantrag ein. Und dann nochmal und nochmal. „Wir haben es 2010, 2013, 2014 und 2018 probiert“, sagt Rainer Böse. „Beim letzten Versuch besuchten wir vorher sogar die größten Fraktionen im Gemeinderat und erhielten nur positive Resonanz.“

Es folgte die Präsentation verschiedener Modelle zwischen fünf und sieben Geschossen im Gestaltungsbeirat. „Das war nicht zielführend“, sagt Rainer Böse. „Der Gestaltungsbeirat war sehr schlecht informiert. Die wussten nicht einmal, dass es sich bei den Grundstücken 40 und 44 um zwei verschiedene Besitzer handelt.“ Auch dieser letzte Bauantrag wurde abgelehnt.

Das ist das Nachbarhaus, das den Paritätischen Sozialdiensten Konstanz gehört. Das Haus am Briel ist ein Wohnheim für psychisch kranke ...
Das ist das Nachbarhaus, das den Paritätischen Sozialdiensten Konstanz gehört. Das Haus am Briel ist ein Wohnheim für psychisch kranke Menschen. | Bild: Kirsten Astor

Das Baurechts- und Denkmalamt begründet dies so: „Ihr Vorhaben steht in völligem Widerspruch zu geltenden bauplanungsrechtlichen Bestimmungen“, heißt es im Ablehnungsbescheid von Juli 2021, der dem SÜDKURIER vorliegt. Und weiter: „Das fragliche Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans Am Briel vom 26.08.1971. () Der Baukörper befände sich im erheblichen Maße außerhalb der bauplanungsrechtlich festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche.“

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Architekt Leo Braun kontert: „Das Haus am Briel Nummer 40 wurde inzwischen mehrfach vergrößert, das entspricht ebenfalls nicht mehr dem alten Bebauungsplan. Warum war es dort zulässig und bei unserem Vorhaben auf dem Nachbargrundstück nicht?“ Er weiß selbst, „dass Baurecht oft kompliziert und nicht immer gerecht“ ist, aber er meint: „Es gibt zwei Möglichkeiten, wenn ich als Stadt etwas umsetzen möchte. Dann kann ich immer vom Bebauungsplan abweichen.“

Direkt gegenüber der alten Villa stehen diese Hochhäuser. Die Antragsteller wundern sich, warum ihre Pläne angesichts dieser Umgebung ...
Direkt gegenüber der alten Villa stehen diese Hochhäuser. Die Antragsteller wundern sich, warum ihre Pläne angesichts dieser Umgebung abgelehnt werden. | Bild: Kirsten Astor

Die eine Option sei ein Vorhaben bezogener Bebauungsplan für einzelne Gebäude. „Unsere Pläne hätten maßvoll auf das große Grundstück gepasst“, sagt Leo Braun. „Aber dann hätte das Bauamt sich positionieren müssen, und Klagen anderer Bauherren wären Tor und Tür geöffnet.“

Andreas Effinger, Geschäftsführer der Paritätischen Sozialdienste Konstanz, im September 2021.
Andreas Effinger, Geschäftsführer der Paritätischen Sozialdienste Konstanz, im September 2021. | Bild: Kirsten Astor

Die zweite Möglichkeit wäre eine Befreiung vom gültigen Bebauungsplan. Diese sei erlaubt, wenn eine besondere Härte vorliegt oder eine Befreiung dem Wohl der Allgemeinheit dient. Beides sei nicht gegeben, argumentiert das städtische Baurechts- und Denkmalamt.

Dies ruft bei Andreas Effinger Entsetzen herbei: „Ich bringe das nicht zusammen“, sagt der Geschäftsführer der Paritätischen Sozialdienste Konstanz. „Die Stadt redet ständig von Inklusion und von Wohnungsnot – und dann das? Natürlich wäre es im Interesse der Allgemeinheit, wenn hier weitere Wohnungen für psychisch kranke Menschen und für Mitarbeiter entstünden.“

Eine Villa zwischen Hochhäusern

Die Stadt führt noch ein weiteres Argument an: „Die städtebauliche Zielsetzung einer planvollen Steuerung überbaubarer und nicht überbaubarer Grundstücksflächen unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheit der Baugrundstücke und ihrer Nachbarschaft wäre durchbrochen.“

Die alte Villa und ein großer Garten: Laut Architekt wäre ausreichend Platz für einen Neubau plus Erhalt von Grün.
Die alte Villa und ein großer Garten: Laut Architekt wäre ausreichend Platz für einen Neubau plus Erhalt von Grün. | Bild: Kirsten Astor

Hier muss Architekt Leo Braun lachen: „Um die alte Villa herum stehen bis auf eine Ausnahme nur Hochhäuser. Wie würden wir mit unseren Plänen die Gegebenheiten durchbrechen? Soll Am Briel wirklich die schicke Meile von Konstanz entstehen?“ Dazu kommt ein aus Sicht von Rainer Böse, Andreas Effinger und Leo Braun absurder Vorschlag des Gestaltungsbeirats: „Die wollten das benachbarte Haus am Briel auf dem Grundstück Nummer 40 abreißen und dort ein Hochhaus errichten, das bis an die Grundstücksgrenze geht. Dafür sollte mein Haus auf Nr. 44 erhalten und saniert werden.“

Rainer Böse wundert sich: „Wieso hätte auf dem Nachbargrundstück vom Bebauungsplan abgewichen werden dürfen, bei mir aber nicht?“ Er fühlt sich an das Vorhaben von Andrea Vix erinnert, die Am Briel 63 ihr altes Haus abreißen und neu bauen wollte. Auch dies wurde abgelehnt, während direkt nebenan ein neues Hochhaus entstehen soll, das vom Bebauungsplan abweicht.

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Die Stadt wiederum argumentiert: „Die Baurechtsbehörde ist bei einer Prüfung der Zulässigkeit von Ausnahmen oder Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht frei in ihrer Entscheidung. Eine solche unterliegt vielmehr den bauplanungsrechtlichen Bestimmungen des Baugesetzbuches sowie den gesetzlichen Ermessensgrenzen nach Maßgabe des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes.“

Diese alte Fabrikantenvilla von 1920 entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Der Eigentümer möchte sie gern durch einen Neubau ...
Diese alte Fabrikantenvilla von 1920 entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Der Eigentümer möchte sie gern durch einen Neubau ersetzen. | Bild: Kirsten Astor

Rainer Böse hat seine Pläne zwar vorerst auf Eis gelegt, aber aufgeben möchte er noch nicht. „Mir wurde kürzlich ein richtig guter Preis für mein Grundstück geboten, von einem Investor aus Hamburg. Ich habe abgelehnt.“

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Leo Braun sieht es so: „Hier möchte jemand langfristig an einen Sozialverband vermieten und nicht meistbietend an Spekulanten verkaufen. Es ist eine politische Entscheidung, ob eine Stadt Wohnungen für soziale Zwecke und Mitarbeiter ermöglichen möchte oder eben nicht.“