Die Stadt Konstanz will, dass Bürger mit Nahwärme heizen, irgendwann vielleicht sogar mit Zwang. Doch selbst geht sie nicht mit gutem Beispiel voran: In der Wärmewende hat sie eine wesentliche Chance ausgelassen, einerseits CO2 einzusparen und andererseits ein politisches Zeichen zu setzen.
Statt das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, eines der größten Schulgebäude der Stadt, mit Nahwärme zu heizen, betreibt die Stadt dort weiterhin eine Jahrzehnte alte Heizung. Entsprechende Recherchen des SÜDKURIER bestätigt die Stadtverwaltung.
Bundesregierung sieht in Nahwärme einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende
Eine moderne und effiziente Heizzentrale statt vieler kleiner und oft veralteter Anlagen: Das ist die Idee von Nahwärmenetzen. Ihnen spricht auch die Bundesregierung im aktuellen Ringen um das Heizungsgesetz eine tragende Rolle zu. Rund um den Laubenhof ist das Projekt allerdings schon mal gescheitert. Laut Stadtverwaltung aus technischen Gründen: Für ein Blockheizkraftwerk inklusive Humboldt-Versorgung habe der Platz gefehlt.
Im Quartier beim Laubenhof, so war die Idee, sollten Anwohner dafür gewonnen werden, sich an das Wärmenetz des großen Neubaus mit anzuhängen. Doch die wollten nicht, wie Stadtwerke-Geschäftsführer Norbert Reuter im SÜDKURIER-Interview ausdrücklich sagte: Seine Kollegen hätten „erlebt, dass sie in der Nachbarschaft des Laubenhofs das Interesse abgefragt haben, sich an dem Nahwärmenetz zu beteiligen. Es war gering, weil das Gas so billig und unser Wärmepreis damals nicht konkurrenzfähig war.“ Ergebnis: Das Nahwärme-Netz kam erst mal nicht zustande.

Was Reuter im Interview nicht sagte, belegen nun Dokumente, die die Stadt Konstanz selbst ins Internet gestellt hat. Zu denjenigen, die beim projektierten Nahwärmenetz dann doch nicht mitmachten, gehörte auch die Stadt Konstanz selbst, immerhin die Konzernmutter der Stadtwerke. Laut Protokoll räumte das Hochbauamt am 9. März in einer Sitzung des Technischen und Umweltausschusses ein, dass das Humboldt-Gymnasium noch immer nicht klimaschonend beheizt wird.
Wärme aus Schweizer Müllverbrennung für gemütliche Wohnungen in Konstanz?
FDP-Stadtrat Armin Schächtle machte demnach sogar einen neuen Anlauf, um eine der größten Schulen doch noch an ein Nahwärmenetz anzuschließen – allerdings an eines, das es noch lange nicht gibt. Für das Paradies gibt es derzeit Überlegungen, ob dort Abwärme aus der Müllverbrennungsanlage im zwölf Kilometer Luftlinie entfernten Weinfelden im Thurgau genutzt werden kann.
Unterdessen ist auch ein anderer Ansatz, das Humboldt-Gymnasium zumindest etwas umweltfreundlicher zu heizen, vorerst gescheitert. Wie drei andere Konstanzer Schulen (Grundschule Petershausen, Grundschule Allmannsdorf und Suso-Gymnasium), sollte das Humboldt in ein so genanntes Energieeinspar-Contracting einbezogen werden.
Das bedeutet vereinfacht: Ein Vertragspartner erneuert auf eigene Kosten unter anderem die über 30 Jahre alte Heizung und darf die Einsparung gegenüber dem Zustand vor Investition behalten. Am Ende der Laufzeit von 15 Jahren gehen die Anlagen auf die Stadt über.
Auch diese Pläne aus dem Jahr 2020 sind nicht umgesetzt, bestätigt die Pressestelle der Stadt Konstanz: „Die erste Ausschreibung lieferte leider kein zuschlagreifes Angebot.“ An eine schnelle Lösung mit Nahwärme für das und rund um das Humboldt-Gymnasium glaubt die Verwaltung unterdessen nicht: Nachdem es im ersten Anlauf nicht geklappt hatte, „schreiben wir derzeit nochmal neu aus“. Fürs Erste, in diesem Fall also mindestens für 15 Jahre, soll das Humboldt demnach also nochmals eine eigene Heizung und keinen Nahwärme-Anschluss bekommen.
Das Thema Nahwärme ist aber nicht vom Tisch. In dicht besiedelten Gebieten gilt sie als bester Beitrag zur Wärmewende, weil nicht mehr jedes Haus oder jeder Haushalt das Warmwasser zum Heizen oder Duschen in einer kleinen und vergleichsweise ineffizienten Anlage selbst herstellt, sondern das in zentralen Aggregaten erfolgt – wobei vorzugsweise Wärmepumpen genutzt werden.
Die Stadtverwaltung schreibt dazu selbst: „Nahwärmenetze sind für die Stadt Konstanz einer der wichtigsten Schwerpunkte, um die Klimaschutzziele zu erreichen.“ Bis 2035 soll Konstanz nach einem Ratsbeschluss klimaneutral sein. Wie viele Nahwärmenetze bis dahin tatsächlich in Betrieb sind, ist unklar.