Die Sorge um viele der letzten industriellen Arbeitsplätze in Konstanz wird immer größer. Betriebsrat, Gewerkschaft und Kommunalpolitiker aus vier Ratsfraktionen haben eindringlich gefordert, dass Körber das Geschäft mit Brief- und Paketsortiermaschinen in Konstanz nicht zusammenstreicht. Bei einer Informationsrunde des Betriebsrats und einer anschließenden Kundgebung forderten alle Redner die Geschäftsführung auf, die Vorschläge der Mitarbeiter umzusetzen, die nach eigenen Angaben selbst ein Konzept vorgelegt haben, wie die Produktion in Konstanz erhalten und zugleich Kosten gesenkt werden können.
Im Unternehmen ist die Stimmung alles andere als gut
Die Stimmung im Unternehmen ist bestenfalls gedämpft, das wurde bei der Versammlung im Industriegebiet am Mittwoch, 6. November, deutlich. Schon in wenigen Wochen sollen Körber-Mitarbeiter aus Portugal in Konstanz eingewiesen werden, wie künftig sie die Aufgaben übernehmen können, die bisher in der Lilienthalstraße erledigt wurden.
Viele junge Mitarbeitende aus der Produktion hätten bereits gekündigt. Auch durch Altersteilzeit-Angebote seien schon mehrere Dutzend Mitarbeiter ausgeschieden, heißt es. Rund 500 Menschen sind derzeit noch am Standort Konstanz beschäftigt.
„Es tut weh“, sagt Betriebsrat Marc-Peter Schambach. Aus dem stolzen Unternehmen in der Bücklestraße mit einst bis zu 2400 Mitarbeitern sei nun eine Firma geworden, die unter Druck steht. Noch, erklärt er, laufen die Verhandlungen mit der Geschäftsführung zu den Plänen, Jobs abzubauen und Aufgaben teils auch ins Ausland zu verlagern.
„Wir verlangen, dass die Standorte Konstanz und Nürnberg in der bisherigen Größe erhalten bleiben“, so Schambach vor rund 150 Protestteilnehmern.

Doch die Zeit wird knapp, warnt der Betriebsrat: Am 1. Juli 2025 laufen die Garantien für die Standortsicherung ab, die Körber nach der Übernahme des Geschäfts von Siemens abgegeben hatte. Zugleich stecke es in einem zähen Ringen mit der Geschäftsleitung, die dem Betriebsrat immer wieder Informationen vorenthalte: „Wir erleben keinerlei Entgegenkommen“, so Schambach – und niemand wisse, was über den möglichen Abbau von 50 bis 70 Stellen in der Produktion hinaus geplant sei.
Schwere Zweifel herrschen an der Strategie der Geschäftsführung
Betriebsratsvorsitzender Uwe Wiedenbach betont, man kämpfe für ein von den Mitarbeitern ausgearbeitetes Konzept, nach dem die gefährdeten Arbeitsplätze in Konstanz erhalten werden können. Was sich die Geschäftsführung vorstelle, sei „grotesk naiv“, und das Thema Produktion sei erst der Anfang: „Das ist nur der zweite Dominostein, der hier umfällt“, denn ohne Produktion seien auch weitere Bereiche akut gefährdet. Viele Mitarbeiter wüssten das und hätten bereits „das Weite gesucht“.

Christina Stobwasser von der Industriegewerkschaft Metall hat es nicht ganz leicht an diesem Tag. Sie verteidigt die Tarifforderung von plus sieben Prozent, räumt aber auch ein, dass es nach einem Widerspruch klinge, auf der einen Seite um angeblich zu teure Arbeitsplätze zu kämpfen und auf der anderen Seite mehr Lohn zu fordern. Die IG Metall sei immer bereit, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, betont sie. Zugleich erinnert sie an die soziale Verpflichtung des Stiftungsunternehmens Körber.
Zahlreiche Stadträte stärken Mitarbeitern öffentlich den Rücken
Wie groß die Sorge um die Arbeitsplätze in der Konstanzer Politik ist, zeigt an diesem Mittwochmittag die rege Beteiligung von Gemeinderatsmitgliedern. „Es treibt uns um, was hier passiert“, sagt Jürgen Ruff (SPD) auch im Namen der Bundestagsabgeordneten Lina Seitzl, die wegen der unmittelbar bevorstehenden Geburt ihres Kindes nicht habe kommen können. Konstanz sei ein starker Wirtschaftsstandort: „Werden Sie der Verantwortung für die Stadt und für Ihre Mitarbeiter gerecht“, appelliert er an das Körber-Management.
Manfred Hensler (FDP) erklärt auch in Vertretung der in Berlin gebundenen Bundestagsabgeordneten Ann-Versuchka Jurisch: „Es kann nicht sein, dass wir die letzten Industriearbeitsplätze verlieren.“

Moritz Schneider (Junges Forum) mahnt, ein Stellenabbau „zerstört viel mehr als Arbeitsplätze“. Die Industrie in Konstanz sei „Teil unseres Erbes“. Levin Eisenmann versichert den Körber-Mitarbeiter auch im Namen des Bundestagsabgeordneten Andreas Jung, die CDU stehe solidarisch in der Seite der Körber-Mitarbeiter. Und er mahnt: „Wenn ein Betrieb in dieser Größe aufhustet, ist die ganze Stadt erkältet.“
Gewerkschaftssekretärin Stobwasser betont, die Unterstützung aus der Politik sei wertvoll: „Das gibt uns noch einmal Kraft.“ Auch die Betriebsräte erklären, solche Hilfe brauche es vielleicht noch öfter, denn die Verhandlungen laufen weiter. Auf die Stadtspitze und die Wirtschaftsförderung hoffen sie nach eigenen Worten nur noch bedingt.
Stadtrat fragt öffentlich: Warum ist der OB nicht hier?
SPD-Stadtrat Jürgen Ruff hatte öffentlich erklärt, man „wundere sich ein wenig“, dass niemand aus der Verwaltung vor Ort sei. Dazu räumt Betriebsratsvorsitzender Wiedenbach auf Nachfrage ein, man habe gar keine Einladung ins Rathaus versandt: „Uns wurde bereits früher bedeutet, dass der Oberbürgermeister sich nicht dazu äußern will.“
Burchardt: Hoffe auf eine gute Lösung, greife aber kein Unternehmen an
Auf Anfrage des SÜDKURIER reagiert Oberbürgermeister Uli Burchardt darauf noch am Mittwochabend: „Selbstverständlich beobachten und begleiten wir und auch ich persönlich solch gravierende wirtschaftliche Entwicklungen in Konstanz eng. Ich hoffe auf eine gute Lösung für Körber und alle Beschäftigten!“
Er habe, so Burchardt, dem Betriebsrat in seinem „ständigen Dialog“ aber auch erklärt, „dass von mir als oberstem Wirtschaftsförderer der Stadt keine öffentliche Kritik am Unternehmen zu erwarten ist – auch wenn sich das der ein oder andere vielleicht wünscht.“ Er sei auch mit dem Management von Körber in beständigen Gesprächen. Und es liege ihm „sehr daran, dass die Verhandlungen für beide Seiten positiv gestaltet werden können“.