Lange wurde das Projekt nichtöffentlich behandelt. Freie Grüne Liste und Linke Liste machten den geplanten Abriss des Traditionsgasthofes Linde sowie des nebenliegenden Fachwerkhauses und das geplante Neubauprojekt dann aber öffentlich. Im vergangenen Jahr stellten sie das brisante Thema in einer Sitzung des Technischen Umweltausschusses zur Diskussion.
Die beiden nebeneinander liegenden Gebäude sind ortsbildprägend für das einstmalige Dorf. Sie markieren am Löwenbrunnen den Ortskern und werden an der Hauptdurchgangsstraße als augenfälliges Entree wahrgenommen.

Die Kritiker befinden das Neubauprojekt als zu wuchtig, haben Sorge, dass Wollmatingen sein Gesicht verliere und ein Präzedenzfall geschaffen werde, da – wie kolportiert wird – in Wollmatingen weitere Neubauwillige schon in den Startlöchern stünden.
Die beiden Fraktionen machten sich für eine Erhaltungssatzung oder wahlweise für die Aufstellung eines Bebauungsplans stark, scheiterten im Gemeinderat jedoch mit ihrem Antrag.
Der Bauantrag ist bereits eingereicht
Jetzt präsentierten Bauherr und Architekt das Projekt erneut dem Gestaltungsbeirat, bereits zum vierten Mal, wie Architekt Stefan Pfister anmerkte, allerdings erstmals in einer öffentlichen Sitzung.
Einer Diskussion oder Abstimmung bedurfte es hingegen nicht mehr, denn der mehrfach nach den Wünschen und letztlich vom Gestaltungsbeirat goutierten Entwurf wurde bereits als Bauantrag bei der Stadt Konstanz eingereicht.
Gebäude stehen nicht unter Denkmalschutz
Vorgesehen ist, das Bäckereigebäude an der Ecke Kindlebildstraße/Radolfzeller Straße sowie das nebenliegende Gasthaus Linde abzureißen. Beide Gebäude stehen nicht unter Denkmalschutz und weisen einen hohen Sanierungsstau auf, wie Pfister Ende vergangenen Jahres gegenüber dem SÜDKURIER erläuterte.
Die Gesamtgrundstücksfläche von rund 1300 Quadratmetern hat das Architekturbüro überplant. Vorgesehen ist der Bau von Wohn- und Geschäftshäusern, die sich als zwei Hauptbaukörper mit zurückgenommenen Verbindungsbauten darstellen.
Mehr Platz am Löwenbrunnen
Die beiden Hauptbaukörper sind dreigeschossig plus Satteldach und richten sich giebelständig zur Radolfzellerstraße. Der Verbindungsbau zwischen den Hauptgebäuden ist zweigeschossig geplant. Um am Löwenbrunnen einen Platz herauszubilden, hat der Architekt an dieser Stelle den Baukörper etwas zurückversetzt.

19 Parkplätze sind in der Tiefgarage geplant. Das Erdgeschoss sei für Gewerbeeinheiten vorgesehen, so Stefan Pfister, der in der Sitzung des Gestaltungsbeirates noch konkreter wurde: Die kleinste Fläche mit etwa 32 Quadratmetern könnte von einem Kiosk genutzt werden.
An der Ecke zur Kindlebildstraße sei eine „Wirtschaft mit Außenbereich“ angedacht, wobei die Fläche im Gebäude etwa 280 Quadratmeter betrage. Auf rund 103 Quadratmetern könnten sich Bauherr und Architekt eine Eisdiele vorstellen sowie auf 64 Quadratmetern eine Bäckerei. In den Obergeschossen sind Wohnungen vorgesehen.
„Nicht alle sind zufrieden“
„Es hat sich in die richtige Richtung entwickelt“, stellte Jens Wittfoth, Vorsitzender des Gestaltungsbeirats, fest. Die Anregungen des Gestaltungsbeirates seien umgesetzt worden. Wittfoth würdigte das Vorhaben als „eine moderne Interpretation der typischen Gebäude, das in Maßstäblichkeit und Typologie passt“, und stellte fest: „Wir können es uns ganz gut vorstellen an der Stelle.“

Auch wenn die Diskussionen zuweilen anstrengend gewesen seien, so könnte nun wohl jeder mit dem Ergebnis zufrieden sein. „Nicht alle sind zufrieden“, ergriff Stadtrat Peter Müller-Neff (FGL) das Wort. „Über Architektur kann man nicht streiten. Es gibt eine Architektur-Wahrheit“, so Müller-Neff, der nach einer kurzen Pause anmerkte: „Das war ironisch gemeint.“
Er empörte sich: „Es ist extrem kritikwürdig, dass bei einem so zentralen Projekt mitten in Wollmatingen keine öffentliche Bürgerinformation stattfindet, wo sich die Bürger an der Diskussion beteiligen und zu Wort melden können.“
Nach wie vor empfindet er, dass gerade durch die Verbindungsbauten das Gesamtvolumen noch massiver werde. Außerdem „geht es um mehr, als nur dieses eine Projekt“, womit er auf die wohl schon in der Pipeline befindlichen Vorhaben weiterer Bauherren anspielte.
„Vielleicht wird es sogar ein schöner Platz“
Stadtrat Alfred Reichle (SPD) brach hingegen eine Lanze für das Projekt: „Wir haben im Gestaltungsbeirat viel erreicht, wie man sieht. Die Bauherrschaft ist in vielen Bereichen den Forderungen gefolgt.“
Dass Alt-Wollmatinger der Linde nachtrauern, könne er absolut nachvollziehen. Aber er sieht in dem Projekt die Chance einer „Ortskernbildung mit allem, was nötig ist“, und äußerte: „Vielleicht wird es sogar ein schöner Platz.“
Es wäre ein Wunder, wenn jeder zu 100 Prozent zufrieden wäre, bemerkte Jens Wittfoht. Jetzt liege es an der Stadtverwaltung, die über den Bauantrag befinden müsse. Dabei blickte er zu Andreas Napel vom Baurechts- und Denkmalamt, der lediglich anmerkte: „Momentan haben wir nichts auszusetzen.“