Eine kleine Bugwelle treibt der Katamaran Fridolin vor sich her. Langsam steuert er den Konstanzer Hafen an. Ein kleines Fischerboot fährt zur Seite. Es macht den Weg frei. Das muss das Boot auch. Seit diesem Jahr hat der Katamaran überall Vorfahrt. Bisher hatten die schnellen Seekreuzer nur bei den Einfahrten in die Häfen Konstanz und Friedrichshafen Vorrang.
Die Untere Schifffahrtsbehörde beim Landkreis Konstanz hat den Doppelrumpfschiffen der Katamaran-Reederei Bodensee nun die uneingeschränkte Vorfahrt erteilt. Heißt das, dass jetzt alle Segelschiffe, Freizeitmotorboote und Fischerboote das Nachsehen haben? Wird es vielleicht für die ein oder andere Nussschale auf dem Wasser brenzlig, wenn der Katamaran mit 32 Stundenkilometern in der Spitze auf das Boot zufährt?
Nein, ganz im Gegenteil, findet Katamaran-Geschäftsführer Christoph Witte. Dass die schnellen Schiffe nun ihren Kurs beibehalten können, mache es für alle Beteiligten berechenbarer und vermeide „unklare Fahrsituationen“.

Neben der Vorfahrtsregelung, die zunächst für drei Jahre getestet wird, ist nun auch neu: Die Reederei darf den Fährbetrieb bis 2033 weiterführen. Das hat die Konstanzer Behörde im Landratsamt, das Amt für Baurecht und Umwelt, im Januar entschieden.
Günther Allmendinger steht der Vorfahrtsregelung etwas kritischer gegenüber. Er ist Vorsitzender der Wassersportgemeinschaft Hagnau. „Wahrscheinlich gibt es diese neue Regelung wegen des Unfalls vor Hagnau“, vermutet der Wassersportler im Telefonat mit dem SÜDKURIER.

2016 übersah ein Kapitän der Constanze das Segelschiff einer 64-jährigen Frau. Die Frau und ihr 69-jähriger Ehemann wurden durch den Zusammenprall über Bord geschleudert. Das Segelboot im Wert von 150.000 Euro zerbrach und versank. Am Katamaran entstand ein Schaden von 5000 Euro.
Oft kommen Unfälle dieser Art nicht vor. Aber mit der neuen Vorfahrtsregel fühlt sich Allmendinger trotzdem nicht wohl. „Wenn es diesig ist, sieht man als Segler den Katamaran manchmal sehr spät“, gibt Allmendinger zu bedenken. Ist es dann noch windstill, kann ein Segler nicht unbedingt so schnell reagieren.
Fischer sind bei der Arbeit manövrierunfähig
Einer, der ebenfalls Bedenken hatte und diese auch vor dem Landratsamt zu Gehör brachte, war der Verband Badischer Berufsfischer am Bodensee. Dieser kritisierte, dass es bei der Arbeit am Netz keine Möglichkeit gebe, dem Katamaran auszuweichen. „Sie seien während der Arbeit am Netz manövrierunfähig“, heißt es in den Unterlagen des Landratsamtes Konstanz.
Die Meersburgerin Elke Dilger ist Vorsitzende des Verbands. Sie ist mit den Bedenken bestens vertraut. Aber diese seien eigentlich nicht so groß, wie es in den Unterlagen des Landratsamtes klinge. „In all den Jahren gab es kaum Komplikationen zwischen der Berufsfischerei und dem Katamaran. Das Miteinander auf dem See ist gut und der Katamaran hat immer Rücksicht auf unsere Arbeit und unsere Netze genommen“, sagt sie.

Das bestätigt auch Thomas Lang vom Angelsportverein Konstanz, welcher ebenfalls für die Erlaubnis angehört wurde. „Mir sind keine brenzligen Situationen zwischen Katamaran und unseren Vereinsmitgliedern bekannt“, sagt er. Ganz im Gegenteil. „Manchmal grüßen uns die Kapitäne der Katamarane über die Lautsprecher und wünschen und Petri Heil“, sagt er.
Es gibt noch einen anderen Grund, weswegen Constanze, Fridolin oder Ferdinand den Fischern wohl nicht in die Quere kommen können. „Wir haben vor Betriebsstart alle Netze mit Reflektoren ausgestattet, sodass diese von unseren Radargeräten geortet werden können“, sagt Sebastian Dix, Pressesprecher der Reederei.

Bisher funktioniere das gut. „Uns ist in den vergangenen mehr als 18 Jahren Katamaran-Betrieb kein Fall bekannt, in dem Netze von Fischern beschädigt wurden“, berichtet Dix. Auch das Landratsamt sieht wenig Konfliktpotenzial. Die Katamarane würden Booten durchaus ausweichen, sagt Thomas Buser vom Amt für Baurecht und Umwelt. Sollte doch mal was passieren, komme die Reederei für Schäden auf.
Katamarane nehmen Rücksicht auf Laichverhalten
Haben die Katamarane auch Auswirkungen auf die Fischbestände? Auch diese Sorge gibt es. Die Wellen, die die Schnellschiffe produzieren, könnten Schäden in den Flachwasserzonen verursachen. Damit könnten die Laichplätze von Äschen gestört werden.
Besonders im Konstanzer Trichter könnte das problematisch sein. Thomas Lang vom Angelsportverein gibt Entwarnung. Das sei eigentlich nicht der Fall, denn: „Die Katamarane fahren in den Bereichen der Flachwasserzonen sehr langsam.“
Das bestätigt auch die Reederei. Durch die Zweirumpf-Bauweise und das geringe Gewicht des Katamarans sei der Wellenschlag deutlich geringer als bei Einrumpfschiffen. „In einem Gutachten wurde eine Wellenhöhe von 30 Zentimetern in unmittelbarer Schiffsnähe festgestellt. In 50 Metern Entfernung waren es noch 26 Zentimeter, in 100 Metern Entfernung noch 19 Zentimeter“, sagt Sebastian Dix.
Zudem seien die Katamarane im Trichter mit maximal 15 Stundenkilometern unterwegs, in den Häfen mit höchstens 10 Stundenkilometern. Ein weiterer Schutz: „Der Katamaran fährt seit 2012 im Konstanzer Trichter eine Route mit größerem Abstand zum Ufer. Dadurch wird dem Schutz der Flachwasserzone besonders Rechnung getragen“, erklärt Dix.
Keine Fährerlaubnis für 25 Jahre
Ursprünglich wollte die Reederei die Fährerlaubnis für 25 Jahre. Doch diesen Wunsch hat sie selbst zurückgezogen. „Die Befristung der Erlaubnis auf zehn Jahre erfolgte in Abstimmung mit der Katamaran-Reederei als Antragstellerin“, sagt Buser. Das freut vor allem das Institut für Seenforschung (ISF) in Langenargen, welches zur Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) gehört.
Der Schiffsbetrieb auf dem Bodensee werde in den kommenden Jahren deutliche Veränderungen erfahren, „insbesondere im Hinblick auf einen CO2-neutralen Betrieb der Schifffahrt“, sagt Tatjana Erkert, Pressesprecherin beim LUBW. Es gebe zurzeit Prüfungen, die klären sollen, „welche Antriebe künftig für die Kurs- beziehungsweise Fährschiffe infrage kommen“. Momentan fahren die Katamarane mit Dieselmotoren.