Herr Baumgartner, Sie sind jetzt einige Monate in Konstanz als oberster Klimaschützer der Stadt. Nach rund 20 Jahren sind Sie in Ihre Heimatstadt zurückgekommen – wie ist Konstanz heute, im Vergleich zu der Stadt, die Sie als Abiturient des Suso-Gymnasiums verlassen haben?

Ich bin seit Anfang Juli hier, also noch ganz neu. Was mir aber auffällt: Die Stadt hat sich verändert. Sie ist jünger, offener, grüner und umweltbewusster. Und sie hat sich das Schöne bewahrt, die Lage am See, die große Altstadt und eine große, wachsende Universität. Insofern ist auch manches so wie damals, als ich Konstanz verlassen habe.

Während Sie weg waren, hat der Gemeinderat für Konstanz als erste Stadt in Deutschland den Klimanotstand ausgerufen. Kommt von diesem Notstand genug bei den Bürgern an?

Ich glaube, der Klimaschutz ist für uns alle eine riesige Herausforderung und wird ja auch von einer großen Mehrheit als die mit wichtigste Aufgabe gesehen, die wir angehen müssen. Viele Umfragen zeigen 70, 80, teilweise 90 Prozent Zustimmung. Wo wir alle persönlich Herausforderungen haben, ist, unser Leben täglich umzustellen und morgen etwas anders zu machen, als wir es gestern gemacht haben. Da, denke ich, sind die Konstanzer Bürgerinnen und Bürger auch keine Ausnahme. Das werfe ich niemandem vor, aber es wäre schön, wenn da noch mehr Veränderung stattfinden würde, und wir gemeinsam die notwendigen Schritte gehen könnten.

Das könnte Sie auch interessieren

Müsste man den Menschen besser vermitteln, dass Klimaschutz auch Spaß machen kann?

Ich glaube, dass Klimaschutz eine Chance bietet für uns als Gesellschaft und für uns als Stadt. Ja, es kann Spaß machen, es kann Jobs bringen. Und wenn man es als Generationenprojekt sieht, wird es uns als Stadtbevölkerung und unseren Kindern und Mitbewohnerinnen eine lebenswertere Stadt überlassen, in die es sich weiter zu investieren lohnt. Und man solle auch bedenken – wenn wir keinen oder nicht genug Klimaschutz betreiben, ist „Spaß“ schnell gar keine Kategorie mehr.

Klimaschutz wird oft als problematisch wahrgenommen, wenn es um Eingriffe in die persönliche Lebensführung geht. Worauf sollten sich die Konstanzer ehrlicherweise einrichten, was kommt auf uns alle zu?

Ich glaube, wir müssen auch als Konstanzer Gesellschaft überlegen, wie wir mit weniger Ressourcennutzung ein gutes Leben führen können. Letztlich liegt es bei jedem selbst zu überlegen, was bei ihm oder ihr eine Stellschraube sein kann. Das wird schrittweise passieren. Für manche Leute wird es vielleicht interessant, das Zweitauto abzuschaffen und beim Carsharing mitzumachen, andere können vielleicht ganz ohne Auto mobil sein.

Im Bereich Ernährung und Urlaubsverhalten kann man sich vielleicht überlegen, ob man weniger oder gar kein Fleisch mehr essen will, und vielleicht eher Urlaube in der näheren Umgebung und Europa macht als Fernreisen. Das kann niemandem vorgeschrieben werden, aber ich glaube, das sind alles Verhaltensänderungen, die im täglichen Alltag eine Rolle spielen und mit denen wir uns beschäftigen werden und müssen. Darüber hinaus ist es eine Frage, wie wir wohnen und wie wir bauen, ob wir Altbauten sanieren, ob wir uns auch mit etwas weniger Wohnraum zufriedengeben, ob wir noch einmal umziehen, wenn wir in einer großen Wohnung wohnen, die aber vielleicht nicht mehr ganz ausfüllen.

Das könnte Sie auch interessieren

Ist es richtig, dass die Stadt am Hafner tausende zusätzliche Wohnungen ermöglicht, die ja keine alten Gebäude ersetzen und auch alle erst einmal hergestellt und dann betrieben werden müssen? Und das, wenn die Zahl der Quadratmeter, die jeder einzelne für sich in Anspruch nimmt, immer weiter steigt?

Sie haben recht, dass in Konstanz die Zahl der Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf seit den 40er-Jahren zugenommen hat. Aus Klimaschutz-Gesichtspunkten wäre es wünschenswert, dass sich die Menschen mit etwas weniger Fläche zufriedengeben. Der Hafner ist ein wichtiges Großprojekt im Sinne der Stadtentwicklung und wird sehr klimaschonend entwickelt. Im Grunde ist das ein Vorzeigequartier, und wir wollen als Stadt ja attraktiv am Bodensee bleiben. Ich will da nicht Stadtentwicklung und Klimaschutz gegeneinander ausspielen.

Sie haben das Thema Ernährung angesprochen. Die Stadt Freiburg gibt in den Mensen der Kitas und Grundschulen nur noch vegetarisches Essen aus. Finden Sie das richtig?

Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, unsere Kinder gut und gesund zu ernähren. Vegetarische und vegane Küche kann sehr lecker schmecken, und sie ist gesund. Insofern denke ich, dass die Umstellung von Ernährung in öffentlichen Einrichtungen ein wichtiger Baustein des Klimaschutzes sein kann.

Die Stadt ist eine große Immobilienbesitzerin, ihr gehören Schulen, Hallen, Verwaltungsgebäude und mehr. Wie vorbildlich sind Sie als Eigentümer und wie viele alte Öl- und Gasheizungen bullern in Ihren Kellern?

Wir haben noch zu viele alte Heizungen, und wir haben auch noch zu viele Gebäude, die weitere Dämm- und andere Sanierungsmaßnahmen nötig haben. Der Sanierungsplan ist erstellt, aber die Umsetzung gerade im Bestand ist durch viele Auflagen im Bau sehr aufwendig. Das ist eine schwierige Aufgabe, die wir hier vom Klimaschutz zusammen mit den anderen Ämtern in der Stadt noch stärker angehen müssen.

Das könnte Sie auch interessieren

Wenn Sie sich von einer guten Fee oder einem guten Zauberer drei konkrete Dinge wünschen dürften, die den Klimaschutz hier voranbringen würden, was wären sie?

Erstens würde ich mir wünschen, dass es weitere gute Lösungen gibt, erneuerbare Energie und erneuerbare Wärme in die Breite zu bringen, vielleicht auch mit einer Energiegenossenschaft. Zweitens würde ich mir wünschen, dass wir bei der Gebäudesanierung gerade in unserer schützenswerten Altstadt unkomplizierte und kostengünstige Lösungen finden, die schneller mehr Sanierungen voranbringen können. Und drittens würde ich mir wünschen, dass wir gemeinsam positiv auf dem Klimaschutz schauen und uns in fünf Jahren freuen, was wir schon alles umgesetzt haben. Wir, das sind die Stadtgesellschaft und die Verwaltung.

Was gibt Ihnen für Ihre neue Aufgabe Zuversicht?

Es steht außer Frage, dass wir im Klimaschutz viele große Aufgaben vor uns haben. Ich freue mich, dass es einen breiten gesellschaftlichen Konsens dazu gibt und wir in vielen Bereichen gute Lösungen in anderen Städten und Ländern sehen. Das Spannende wird sein, eine Konstanzer Lösung für die verschiedenen Themenfelder zu finden und diese so unkompliziert und schnell wie möglich umzusetzen.

Gibt es etwas, was Ihnen Angst macht?

(überlegt eine Weile) Nein.

Das könnte Sie auch interessieren

Was wünschen Sie sich von uns, von den Bürgern?

Ich möchte gerne einen ehrlichen Austausch mit den Bürgern. Wenn es Bedenken oder Fragen gibt, wünsche ich mir, dass wir ins Gespräch kommen. Ich wünsche mir, dass Bürgerinnen und Bürger offen sind, neu und anders weiterhin in Konstanz zu leben – mehr im Sinne eines Klimaschutzes und mit einem dahingehend angepassten Verhalten. Und ich wünsche mir, dass Bürgerinnen und Bürger selbst aktiv werden und dort, so sie es können, positiv voranschreiten.