Es klingt ein wenig nach Geheimbund, nach einem großen Plan zur Umerziehung und vor allem nach massiven Eingriffen in die Lebensgestaltung der Menschen. Unter dem Namen C40 hätten sich Städte aus aller Welt zusammengetan, um Klimaschutz mit harten Maßnahmen durchzusetzen.

Auch Konstanz gehöre zu den Kommunen, in denen ab 2030 keine privaten Autos mehr erlaubt seien und in denen die Menschen dann nur noch null Kilogramm Fleisch und null Kilogramm Molkereiprodukte verzehren dürfen.

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So geht es im Moment durch die Stadt – in einschlägigen Foren, in Gesprächen, und auch beim einen oder anderen Fest war die angebliche C40-Verschwörung schon ein Thema. Oft sagen die Menschen dann, sie hätten die Information „von einem guten und vertrauenswürdigen Freund“ erhalten. Oder sie beziehen sich auf Internetseiten, die sie für seriöse Nachrichtenquellen halten.

Solche Entwicklungen haben, wie zum Beispiel Fake-News-Experte Mirko Drotschmann (MrWissen2go) bei einer SÜDKURIER-Veranstaltung vor hunderten Schülern jüngst in Singen sagte, eine hohe Sprengkraft. Empörung und Angst sind starke Antreiber auch für gesellschaftliche Spaltung.

Sie sorgt dafür, dass es immer schwieriger wird, gemeinsam wichtige Ziele zu erreichen. Daher unterziehen wir die Gerüchte rund um das angeblich bevorstehende Auto-, Fleisch- und Milchproduktverbot, auch wenn sie auf manche Menschen einfach nur absurd wirken mögen, einem Faktencheck.

Was verbirgt sich hinter dem C40-Netzwerk?

Bürgermeister von 40 Städten weltweit haben sich zusammengetan, um in ihren Städten alles dafür zu tun, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dazu wollen sie den Ausstoß von Treibhausgas bis 2030 halbieren. Dem Netzwerk C40 gehören inzwischen rund 100 Städte an, in Deutschland sind es Berlin und Heidelberg.

In Europa sind unter anderem auch Paris, Rom, Mailand, Barcelona, Warschau, London, Stockholm und Oslo Mitglieder. C40 stellt seine Ziele und Aktivitäten im Internet öffentlich vor.

Ist Konstanz Mitglied bei C40 oder will es das werden?

Nein, Konstanz ist nicht Mitglied von C40. „Zurzeit bestehen auch keine konkreten Überlegungen, diesem Netzwerk beizutreten“, erklärt Stadt-Sprecherin Elena Oliveira auf SÜDKURIER-Nachfrage dazu.

In jedem Fall wäre dafür eine öffentliche politische Debatte im Vorfeld erforderlich. Einfach so beitreten kann eine Stadt dem Netzwerk ohnehin nicht. Aufgenommen werden nur Städte, die nachweislich Vorreiter im Klimaschutz sind.

Was ist die auch von C40 unterstützte Aktion „Race to zero“?

Hier kommt nun die Verbindung nach Konstanz. C40 unterstützt die Aktion „Race to zero“ („Wettlauf zur Null“), bei der über 1000 Städte weltweit daran arbeiten, möglichst schnell möglichst klimaneutral zu werden. Hier ist Konstanz mit dabei, ebenso wie Zürich, Straßburg, München oder Pforzheim.

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Denn, so Sprecherin Oliveira, auch ohne formale Mitgliedschaft bei C40 „verfolgt Konstanz einen ähnlichen Anspruch wie das Netzwerk, nämlich einen schnelleren und gerechten Pfad hin zur gesamtstädtischen weitgehenden Klimaneutralität.“ Zur Teilnahme an der „Race to zero“-Kampagne habe sich die Stadt Konstanz entschieden, „da die Ziele der Kampagne sich mit den städtischen Klimaschutzzielsetzungen decken, die politisch am 11.03.2021 beschlossen wurden“.

Woher kommen die Aussagen zum angeblichen Autoverbot?

Es gibt ein Dokument, in dem die Universität Leeds in England, die C40-Gruppe und das Beratungsunternehmen Arup Möglichkeiten zusammengetragen haben, wie in einer Stadt der CO2-Ausstoß reduziert werden kann. Darin stehen mögliche Ziele in verschiedenen Stufen, als „progressive target“ (fortschrittlich) oder „ambitious target“ (ehrgeizig).

Hier taucht neben vielen anderen Möglichkeiten auch auf, dass der private Autobesitz zurückgeht. Bei „ambitious“ tatsächlich auf null Fahrzeuge pro 1000 Einwohner, bei „progressive“ auf 199 Fahrzeuge. In Konstanz gibt es derzeit rund 440 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner (2022, Statistisches Landesamt).

Woher kommen die Aussagen zum veganen Lebensstil?

Auch dies ist in dem Papier von Uni Leeds, C40 und Arup beschrieben. Und auch hier geht es um Möglichkeiten, wobei nicht beschrieben ist, ob oder wie diese durchgesetzt werden. So wie sich Menschen ja gegen den Autobesitz entscheiden können, können sie auch Veganer werden.

Das ehrgeizigste Ziel in Sinne des Papiers wäre dabei, dass 2030 in einer Stadt kein Fleisch und keine Molkereiprodukte mehr konsumiert werden – weil beides in der Produktion klimaschädlich ist.

Könnte die Stadt ihren Bürgern das vorschreiben?

Bei der Ernährung lautet die Antwort klipp und klar: Nein, die Stadt kann hier keine Vorschriften machen. Allenfalls kann der Gemeinderat als Bürgervertretung noch entscheiden, was in den städtischen Kantinen auf den Tisch kommt. Gastronomen, Wochenmarkt-Beschickern oder Einzelhändlern kann die Stadt keine solchen Auflagen machen, weil das einen massiven Eingriff in die Gewerbefreiheit darstellen würde.

Bei der Mobilität wiederum kann die Stadt Parkplätze reduzieren und Straßenraum von Autofahrern zum Beispiel an Fußgänger oder Radfahrer umverteilen. Auch Parkgebühren oder irgendwann eine Citymaut können eine Lenkungswirkung haben. Aber ein Auto zu kaufen, kann die Stadt einem Bürger nicht verbieten.

Wie will die Stadt ihre Klimaschutzziele durchsetzen?

Dies erklärt die Stadtverwaltung auf eine entsprechende Frage des SÜDKURIER am Beispiel Mobilität so: „Der Autoverkehr ist ein im Wandel befindlicher Bereich. Technologische Neuerungen, wie E-Autos und hybride Antriebe, Organisationsveränderungen wie Carsharing und Autos, die sich BewohnerInnen im Haus oder Quartier teilen, sowie ein wachsendes Angebot an E-Bikes etc. werden mittelfristig verändern, wie sich die KonstanzerInnen in der Stadt fortbewegen.“

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Und weiter. „Zielsetzung, wie für das Handlungsfeld Mobilität in der Klimaschutzstrategie formuliert, ist die Reduzierung der durch Verkehr produzierten Treibhausgasemissionen um 94 % (gegenüber 2018). Dazu ist zum einen die Minderung des Energieverbrauchs bei gleichzeitiger Umstellung der Energieversorgung des Verkehrs auf regenerative Energieträger erforderlich. Da dies allein nicht reichen wird, ist aber zum anderen auch eine starke Minderung der Zahl individuell genutzter Fahrzeuge (vor allem Autos) notwendig.“ Kurz gefasst: Ja, trotz mehr E-Autos und Carsharing verfolgt die Klimaschutzstrategie der Stadt Konstanz das Ziel, dass es weniger Autos in der Stadt gibt.

Was sind das für Internetseiten, die in Konstanz geteilt werden?

Im Kern zirkulieren Beiträge auf Internetseiten namens report24.news (laut Impressum in Österreich und unterstützt vom umstrittenen Kopp-Verlag), politikstube.com (deutschsprachiger, politischer Blog, ohne Impressum, mit einer Rubrik für AfD-Videos) oder tkp.at (nach eigener Darstellung „Blog für Science&Politik“, aus Österreich). Alle drei Seiten publizieren Inhalte, wie sie auch den Querdenker-Kreisen zugeschrieben werden, unter anderem zu den Themenfeldern Klimawandel, Corona, Außenpolitik oder EU-Kritik.