„Wenn Konstanz auf die Zukunft setzt, dann braucht es jetzt ein Wärmenetz“, schallt es durch die Konstanzer Innenstadt. Laut, mehrmals hintereinander. Dann: „CO2-neutral, Klimaschutz ist nicht egal.“ Es ist Freitag, 15. September, die Temperatur liegt bei milden 24 Grad. Es hat schon fast symbolischen Charakter, dass die Aktivisten von Fridays for Future (FFF) zu dieser Jahreszeit noch barfuß durch die Straßen der Innenstadt ziehen können.
Im Rahmen des globalen Klimastreiks setzen sich an diesem Tag wieder Millionen Menschen weltweit für stärkere Klimaschutzmaßnahmen ein, damit sich die Erde nicht noch weiter erwärmt. So auch in Konstanz. Rund 1000 Menschen folgten dem Aufruf der lokalen Fridays for Future Gruppe und haben sich um 13.30 Uhr im Herosé-Park versammelt. Ihr Anliegen: Stadt, Land und Bund sollen endlich ihre eigenen Klimaschutzziele einhalten.
Warum sind die Teilnehmer gekommen?
Einer der Teilnehmenden ist Fritz Schlienz. Der 67-Jährige ist für den Streik aus Hohenfels angereist. „Wir können nicht länger quatschen“, sagt er. „Wir müssen handeln. Wir haben keine Zeit mehr.“ Er sei hier, um die Welt zu retten, meint Schlienz mit einem Augenzwinkern und lacht. Als er 15 Jahre alt war, habe er das Tauchen gelernt. „Damals hab ich mich schon gefragt, was machen die da alles kaputt unter Wasser?“, erinnert sich der 67-Jährige. „Ich dachte, so dumm kann die Menschheit nicht sein. Dann musste ich feststellen, sie ist noch dümmer.“

Nicht zuletzt deshalb demonstriert der ehemalige Wirtschaftsingenieur und Umweltberater an diesem Tag stellvertretend für den Verein Friedensregion Bodensee gemeinsam mit anderen Aktivisten. „Ich habe eine Verantwortung für den Planeten“, findet er. „Und ich muss selbst etwas tun, wenn ich es von anderen verlange.“
Auch Kiki Köffle ist zur Demo gekommen. Die Studentin ist quasi Fridays for Future-Urgestein, seit 2019 ist sie dabei. Das merkt man – die junge Frau wirkt routiniert im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Was Köffle umtreibt: „Die Stadt Konstanz hält sich nicht an die eigenen Klimaziele.“
Was sie damit meint, zeigt ein kurzer Rückblick: Vor viereinhalb Jahren hatte Konstanz als erste Stadt Deutschlands den Klimanotstand ausgerufen. Ein großer symbolischer Akt mit einem Versprechen. Damals war die Hoffnung bei den Aktivisten groß, dass die Stadt den Klimaschutz schneller und konsequenter umsetzen würde. Inzwischen ist daraus aber eher Ernüchterung geworden.

„Wir haben in letzter Zeit mehrere Krisen miterlebt“, sagt Kiki Köffle. „Corona, der Krieg in der Ukraine. In beiden Krisen haben wir gesehen, wie schnell Sachen funktionieren können.“ Die Stadt Konstanz bezeichne die Klimakrise zwar als Notstand, handle aber nicht danach. Alles ginge zu langsam – „der Ausbau der Wärmenetze, die Verkehrswende, klimaneutrales Heizen“, führt die 19-Jährige an. Alles Ziele, die in der Klimastrategie der Stadt stehen. „Aber sie werden nicht umgesetzt.“
Es ist in Konstanz wie in der Bundespolitik“, findet Köffle. „Alle fühlen sich verpflichtet, große Ansagen zu machen und sich hohe Ziele zu stecken.“ Am Ende passiere aber auf allen Ebenen zu wenig. „Man kann das auf verschiedene Weise interpretieren“, meint Köffle. Zum einen Inkompetenz. Zum anderen machen sie die großen Versprechungen vielleicht nur fürs Image, denkt sie. Und gingen davon aus, dass die Leute das einfach so hinnehmen würden. „In beiden Fällen mache ich mir große Sorgen um die Zukunft“, so die Studentin.
„Ihr müsst mehr Lärm machen, damit die da oben aufwachen!“
Was der 19-Jährigen Hoffnung macht? „Menschen, die streiken, machen mir Hoffnung. Und Menschen, die laut sind.“ Auch kleine Dinge sorgen manchmal für positive Überraschungen, sagt Kiki Köffle. „Eine alte Frau meinte vor Kurzem zu mir ‚ihr müsst mehr Lärm machen, damit die da oben aufwachen!‘“ Solche Momente geben ihr Hoffnung, sagt sie.
Lässt man den Blick durch die Menge der Teilnehmenden schweifen, sticht ein Plakat besonders heraus. „Oma for future“, heißt es auf dem Papp-Schild von Christa Charlotte Müller-Haider. Sie habe es schon lang, sagt die Frau. Man könne es zusammenklappen und bis zur nächsten Demo im Schrank verstauen, meint Müller-Haider und lacht. Die Schrift habe sie nachgemalt, weil sie inzwischen etwas verblasst war.

Die Frau spricht mit einer Leichtigkeit, und doch steht sie aus einem ernsten Grund an diesem Tag im Herosé-Park: „Ich will die jungen Leute nicht allein gehen lassen“, sagt sie. Denn man kenne die Probleme seit vielen Jahrzehnten. „Ich habe Verantwortung, auch für meine Enkelkinder“, fügt Müller- Haider an. Und davon hat sie viele – das zwölfte sei aktuell in „Produktion“, freut sich die Frau. Müller-Haider ist nur einer von zahlreichen Beweisen an diesem Freitag, dass Aktivismus keinesfalls nur ein Phänomen der jungen Generation ist. Teilnehmende aller Altersschichten haben in Konstanz zusammengefunden, um sich für eine lebenswerte Zukunft einzusetzen.
„Alternativlosigkeit“ – so beschreibt Naomi Hübler ihre Motivation, auf die Straße zu gehen und für Klimaschutz zu demonstrieren. „Was soll man denn sonst machen?“ fragt die Studentin rhetorisch. Die Politik unternehme einfach nichts gegen die ernste Situation, in der sich die Menschheit befinde. Das wird Aktivisten wie Fritz Schlienz, Kiki Köffle, Christa Charlotte Müller-Haider und Naomi Hübler wohl noch öfter an Freitagen auf die Straße treiben – und das unabhängig ihres Alters.