„Dieses Vorgehen ist ganz bewusst so gewählt, denn man möchte von dem guten Image und der hohen kommunalpolitischen Kompetenz profitieren, welche sich die Mitglieder der Freien Wähler in den zurückliegenden fast sieben Jahrzehnten erworben haben“, heißt es dazu in einem Schreiben des Kreisverbands der Freien Wähler aus der Feder des Kreisvorsitzenden Artur Ostermaier. Dieser Haltung schließen sich die fünf Stadträte der Freien Wähler in Konstanz an.
Ewald Weisschedel will im Vorfeld der Landtagswahl „alles dafür tun, damit die Leute wissen, dass wir nichts mit dieser Landespartei zu tun haben“. Dafür hat er vor allem zwei Gründe: Erstens wisse er nicht, wo die Landespartei politisch einzuordnen ist – zum Beispiel bei der Flüchtlingspolitik.
Zweitens ist er überzeugt, dass damit der spezifische Charakter der Freien Wähler auf kommunaler Ebene ausgehöhlt wird. Er selbst beispielsweise verortet sich bei überregionalen Themen eher in der Nähe der SPD, zu anderen Kommunalpolitikern der Freien Wähler gebe es diesbezüglich erhebliche Unterschiede.
Freie Wähler Verein und Landespartei der Freien Wähler – wo liegt der Unterschied?
Die Sinnhaftigkeit einer losen Gruppierung auf lokaler Ebene in der Form der Freien Wähler erschloss sich für Ewald Weisschedel vor mehr als 30 Jahren. Der Mediziner, der 2016 seine Praxis übergeben hat, wollte seinerzeit die ortsspezifischen Probleme bei der medizinischen Versorgung älterer Menschen in Konstanz angehen und sah bei den Freien Wählern die Chance zu einer Lösung mit lokalem Zuschnitt.
„So kam ich praktisch als Quereinsteiger zur Lokalpolitik und genau das ist der Sinn der Freien Wähler„, sagt der Fraktionssprecher, der sich bei dieser Definition mit dem Landesverband (der nichts mit der Landespartei zu tun hat) einig weiß.
Partei und Verein
Bei der Landespartei kennt man die Widerstände und stuft sie als baden-württembergische Besonderheit ein. Wie der Spitzenkandidat und vorherige Pressesprecher der Partei, Bernd Barutta, gegenüber dem SÜDKURIER sagte, gebe es zum Beispiel auch in Bayern eine Partei der Freien Wähler – die übrigens als CSU-Juniorpartner die Landesregierung stellt.
Verständnis für die in Baden-Württemberg teils vehement betonte Distanz der kommunal aktiven Freien Wähler gegenüber der Partei auf Landesebene kann der 60-Jährige allerdings nicht so richtig nachvollziehen. Seiner Einschätzung zufolge gibt es große Schnittmengen zu den Freien Wählern, die in den Gemeinderäten aktiv sind.
Welche Ziele verfolgt die Freie Wähler Partei für Baden-Württemberg und die Region?
Dazu zählt Bernd Barutta die von der Partei sehr hoch eingestufte Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung im politischen Machtgefüge. Die Partei der Freien Wähler stehe für Entscheidungsprozesse ein, die weitgehend von unten nach oben und unter größtmöglicher Beteiligung der Bürger vollzogen werden sollten.
Als Beispiele nennt er den Erhalt der kommunalen Wasserversorgung und eine lokal gut aufgestellte Lebensmittelversorgung. „Es ist doch Quatsch, wenn etwa bei Problemen bei der Wasserversorgung irgendwann einmal ein Call-Center in Irland angerufen werden müsste“, sagt Bernd Barutta. Und ihre Vorstellungen von einer weitgehend lokal organisierten Lebensmittelversorgung möchte die Partei zum Beispiel durch den Erhalt örtlicher Schlachthöfe anstelle industrieller Fabriken umsetzen.
Zu den parteipolitischen Zielen zählt der Spitzenkandidat die Minimierung der AfD. Die Freie Wähler Partei wolle die „politisch heimatlos gewordenen Menschen einsammeln“ – und das ohne rechtspopulistische Ausrichtung. Laut Bernd Barutta sieht sich die Partei dabei breit aufgestellt, ihr politischer Pragmatismus reiche von wirtschaftsliberalen Positionen bis zum Naturschutz.
„Wenn man so will, dann sind wir grün mit Auto„, sagt Bernd Barutta, wobei er eine Nähe prinzipiell eher in der bürgerlichen Mitte bei der CDU sieht. Es sei ein bisschen so wie in Bayern: „Dort wurden die Freien Wähler durch den Mief in der CSU groß.“
Kandidat der Freien Wähler Partei: „Ich habe meinen Kopf, um selber zu denken“
Diese Positionierung wiederum kommt dem Charakter von Heinz Burkart entgegen, der für den Wahlbezirk Konstanz/Radolfzell als Landtagskandidat der Freien Wähler Partei ins Rennen geht. Der auf der Höri (und im Landratsamt) als eigenwilliger Kopf bekannte Bauunternehmer im Unruhestand aus Gaienhofen/Balisheim will sich prinzipiell in kein Parteikorsett zwängen lassen. Nur weil eben diese Freigeistigkeit quasi zum Grundsatzprogramm der Freien Wähler Partei gehört, sei er für die Kandidatur bereit gewesen.
„Meine Philosophie gehorcht nicht links und nicht rechts“, sagt der 71-Jährige, „ich habe meinen Kopf, um selber zu denken.“ Rund 40 Jahre habe er seine politische Heimat bei der CDU gesehen, aber dann wuchsen die Zweifel. Die AfD stuft er als Nutznießer der allgemeinen Parteienkrise ein, eine Alternative sei sie aber nicht. „Die AfD geht gar nicht“, so Heinz Burkart, „das ist für uns alle eine absolute Katastrophe.“