Die Belange des Wahlkreises Konstanz werden durch die Abgeordneten in den Landtag transportiert – im besten Fall angehört und politisch berücksichtigt. Die ureigene Aufgabe der Landtagsabgeordneten ist es, sich in der Landeshauptstadt für die Heimat einzusetzen und Pläne sowie Anliegen dort zu vertreten. Wir haben den Kandidaten der im Landtag vertretenen Partei bei der SÜDKURIER-Podiumsdiskussion genau auf die Finger geschaut.
Levin Eisenmann (CDU)
Der 23-Jährige betreibt einen Spagat zwischen der großen, weiten Politikwelt und dem Mini-Kosmos im Wahlkreis Konstanz. Einerseits profitiert er von der großen Partei in seinem Rücken, für die er antritt. Ob es eine Online-Diskussion mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist oder die exklusiven Glückwünsche des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder sind – Levin Eisenmann nimmt die Hilfe der gestandenen Politiker gerne an.
Aber er ist auch sehr viel in seinem Wahlkreis unterwegs – hat als Student auch zwangsläufig mehr Zeit als die Mitbewerber. Er begann seine Tour als Praktikant in Betrieben, Einrichtungen und Institutionen im Wahlkreis. „Ich wollte nicht nur 20 Minuten mit dem Geschäftsführer oder dem Vorsitzenden verbringen, sondern in den Arbeitsalltag abtauchen und die Mitarbeiter und ihre Anliegen kennenlernen.“
So verbrachte er Tage im Krankenhaus, beim Deutschen Roten-Kreuz, der Metzgerei Hierling in Dettingen oder in einem Pflegeheim der Caritas. „Das bringt mit sehr viel, da ich dadurch viele Themen kennenlernen, die die Menschen im Wahlkreis beschäftigen.“ Da er selbst auf dem Obsthof Romer arbeitet und sich damit sein Studium finanziert, bekommt er auch hier viel mit – und setzt sich seit einiger Zeit für die Belange der Landwirtschaft im Wahlkreis ein.
Dabei lässt er bereits jetzt schon seine innerparteilichen Beziehungen in den Landtag spielen. Er vergisst dabei nicht die heimatliche Basis – die ihn ja in den Landtag wählen soll. So stellt er sich auch den Fragen von Blogger Marc-Philipp Greis, der in Konstanz das viel beachtete Format „A Schwätzle mit Ma-Phi“ führt.
Levin Eisenmann möchte sich dafür einsetzen, dass mobile Impfteams pragmatisch eingesetzt werden. Er war in Hegne, dort wurden die Bewohner des Pflegeheimes geimpft – nicht aber die impfwilligen Schwester, „die mussten sich einen Termin in Singen organisieren“. Es könne nicht sein, „dass sich Senioren die Finger wund telefonieren oder über ein kompliziertes Online-Verfahren durchgehen müssen, sondern dass sich Senioren wie in Bayern einmal melden müssen und dann einen konkreten Termin zugewiesen bekommen.“
Der 23-Jährige plädiert für ein neues Schulfach Digitalisierung, so sei das Thema fest verankert sei im Lehrplan: „Jetzt kommt der Digitalpakt Schule, der ganz viel Geld in jede Schule auch hier im Wahlkreis bringen wird, was dann in die digitale Ausstattung der Schulen fließen kann. Ich finde, es ist mindestens genau so wichtig, dass wir an das digitale Knowhow der Schüler gehen. Wie überprüfe ich Fakten und Neuigkeiten auf ihre Richtigkeit? Donald Trump zeigt uns ja in Amerika, dass das nicht gottgegeben ist.“
Um jungen Familien das Bauen im Wahlkreis zu ermöglichen, setzt er sich für die Senkung der Grunderwerbsteuer ein, möchte Familien mit minderjährigen Kindern davon ganz befreien.
Levin Eisenmann: „Besser im Handel vor Ort als bei Amazon„
Er warnt davor, Handel und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen. „Es ist ja besser, wenn ich mein Buch im Konstanzer Handel kaufe und das nicht bei Amazon im Internet bestelle. Ich war bei Einzelhändlern im Kreis unterwegs: Für manche ist Click&Collect eine gute Alternative, zum Beispiel für Buchhändler. Aber es gibt auch andere wie Schuh- oder Modehändler. Wir müssen unsere Innenstädte attraktiv halten. Wir wollen eine 24-Stunden-Seehas-Verbindung, das ist attraktiv beispielsweise für Clubs oder die Gastronomie oder Kulturbetriebe.“
Jürgen Keck (FDP)
Er gehört mit seiner großen Erfahrung, die an der Basis im Ortschaftsrat Böhringen begann und vor fünf Jahren mit dem Sprung in den Landtag seinen vorübergehenden Höhepunkt erreichte, fast schon zum Establishment. Wobei er das mit Sicherheit abstreiten würde – zu intensiv ist die Bodenhaftung des 59-Jährigen.
Sachkompetenz beweist er nicht nur als viel beachtetes Mitglied des Petitionsausschusses des Landtages. Auch in seinem Wahlkreis war er in dieser Funktion gefragt. Als es beispielsweise in Litzelstetten 2018 darum ging, ob Grundstücke für Flüchtlinge und sozial schwächer gestellte Menschen bebaut und damit gegen bestehende Bebauungspläne verstoßen werden darf, wurde er als Begutachter in den Konstanzer Vorort entsandt. Er musste sich mit der Notfallklausel auseinander setzten, die Grundstückbesitzer beriefen sich auf Paragraf 246 Absatz 14 Baugesetzbuch. Am Ende entschied er sich gegen die Änderung im Bebauungsplan.
Jürgen Keck ist grundsätzlich für ein eigenes Impfzentrum in Konstanz, jedoch auch pragmatisch genug, um einzusehen: „Wir haben im Kreistag erfahren, dass das auch den Kosten geschuldet, wenn das nicht machbar ist. Wir müssten die ganze Infrastruktur doppelt aufstellen. Eine Lösung aber wäre: Es müsste Gratistaxifahrten geben, bezahlt vom Land, Bund oder vom Kreis.“
Der 50-Jährige ist ein Anhänger des neunjährigen Gymnasiums, „denn dann haben die Kinder mehr Zeit, auch mal was in der Freizeit zu machen wie Musik oder Fußball. Bei G8 gibt es dazu gar keine Chance“. Seine Partei sei schon lange eine Partei der Digitalisierung, das Land Baden Württemberg sei jedoch rückständig, „es wird Zeit, dass wir das was machen“. Sein Ziel ist die Senkung der Grunderwerbsteuer auf 3,5 Prozent, er möchte die Landesbauordnung entschlacken und entbürokratisieren, Baugenehmigungen schneller erteilen – dementsprechend das Bauen im Wahlkreis günstiger machen.
Jürgen Keck: „Im Handel herrscht große Not“
Jürgen Keck drängt darauf, die Geschäfte so schnell wir möglich wieder zu öffnen, wenn die Hygieneauflagen eingehalten werden. „Wir müssen unsere Kommunen im Bereich Einzelhandel fördern, das muss koordiniert werden, das kann nicht ehrenamtlich gestemmt werden.“
Er erwähnt Händler, die vor dem ersten Lockdown Frühjahrsartikel gekauft haben, die dann aber nicht im Herbst verkaufen werden konnten. „Da herrscht große Not. Der eine oder andere geht insolvent, das Private ist irgendwann aufgebraucht. Wir müssen unseren Händlern Perspektiven schaffen.“
Nese Erikli (Die Grünen)
Beim Thema Impfzentrum im Landkreis gibt sich Nese Erikli realistisch. „Wir haben uns im Kreis abgestimmt und für Singen entschieden“, sagt sie. „Natürlich wäre es schön, wenn es in Konstanz und in Radolfzell auch eines gäbe. Aber wir haben nicht genug Impfstoff. Doch sie verspricht: „Sobald wir mehr Impfstoff haben, werden verstärkt mobile Impfteams unterwegs sein. Und es werden weitere Konzepte folgen, so dass man sich bei Ärzten impfen lassen kann.
Seit fünf Jahren, seit ihrem Einzug in den Landtag, kämpfe sie für die Digitalisierung des Wahlkreises. 3,3 Millionen Euro habe das Land alleine für den Breitbandausbau in Gaienhofen ausgegeben. „Ich weiß noch, wie ich vor ein paar Jahren mit Bürgermeister Eich im Innenministerium beim Ministerialdirektor saß. Ja, wir sind zu langsam, aber jetzt geht es voran.“
Nese Erikli: „Wir brauchen mehr Plätze und längere Betreuungszeiten“
Bei der Betreuung der Kleinsten, um Alleinerziehende zu entlasten und Eltern berufliche Karrieren zu ermöglichen, hat sie diese Ansichten: Bevor Kitas gebührenfrei werden, müsste in ihren Augen zunächst einmal die Qualität der Betreuung sicher gestellt werden. „Wir brauchen mehr Plätze und längere Betreuungszeiten. Erst dann kann man über Gebührenfreiheit reden.“
Sie plädiere für gestaffelte Gebühren nach Einkommen. „Ich weiß nicht, warum Menschen, die gut verdienen, genauso viel bezahlen sollen wie eine alleinerziehende Mutter, die halbtags in der Bäckerei arbeiten muss.“ Solche Staffelungen könnten die Kommunen einführen.
Die Kultur ist ihr ein großes Anliegen. „Staatssekretärin Petra Olschowski war erst vor wenigen Wochen bei mir im Wahlkreis und wir haben uns mit Kulturschaffenden aus Radolfzell, Öhningen oder Konstanz unterhalten. Wir haben während Corona den Kultursommer auf die Beine gestellt, davon hat auch der Kula in Konstanz profitiert. Es gab im Neuwerk Veranstaltungen. Wir haben eine Viertel Million Euro ins Stadttheater Konstanz investiert für den Bereich Theater hinter Gittern, wir haben in die Höri-Musiktage viele Fördermittel investiert und auch die Zeller Kultur hat sehr profitiert.“
Die Innenstädte seien ebenfalls im Blickfeld der Politik: „Wir haben Milliarden schwere Programme für die Belebung der Innenstädte ins Leben gerufen“, sagt Nese Erikli.
Petra Rietzler (SPD)
Zum Thema Impfzentrum im Landkreis sagt sie: „Ich glaube, es wäre richtig gewesen, das auf mehrere Orte zu verteilen. Warum nicht ein Impfzentrum in Konstanz und eines in Singen? Dann sind die Wege im Landkreis nicht so weit. Konstanz ist nun mal die größte Stadt im Kreis und hier haben wir potenziell mehr zu impfende Menschen. Drei Viertel der zu Pflegenden wohnen zuhause – und wir konzentrieren uns auf die Pflegenden, das ärgert mich. Es ist wahnsinnig schwierig für diese Menschen, ich bekomme das am Tannenhof mit, die denken, dass sie vergessen werden. Diese Menschen müssen befähigt werden, überhaupt zu einem Termin zu kommen.“
Rietzler setzt sich gegen die Nutzung des Begriffes Home-Schooling ein, „denn das würde bedeuten, dass die Eltern ihre Kinder zuhause unterrichten. Vielmehr aber ist es Unterricht zuhause“. Schule sei ein wichtiger Ort des Lebens und des Lernens – auch im ländlichen Raum. In ihren Augen müssen alle Beteiligten versuchen, so viel Wissen über die Digitalisierung wie möglichen mitzunehmen aus der Krise, „weil das auch unsere Kinder auf die Zukunft vorbereitet“.
Petra Rietzler: „Schule muss so sein, dass die dem Kind entspricht“
Sie möchte sich dafür einsetzen, dass alle Schüler gleich ausgestattet sind mit den technischen Geräten und die Lehrer das pädagogische Handwerkszeit erhalten. Sie sagt: „Diesen Schwung, diesen Aufbruch, den wir jetzt durch Corona haben in Sachen digitale Medien und digitaler Unterricht – das müssen wir mitnehmen, daran müssen wir weiter arbeiten.“ Sie fügt hinzu: „Schule muss so sein, dass die dem Kind entspricht. Das Kind darf nicht einfach so in die Schule gepackt werden. Die Schule muss jedem Kind eine Entfaltungsmöglichkeit bieten.“
Von einer Staffelung der Kita-Gebühren hält sie nicht viel, „denn das würde viel Verwaltungsaufwand bedeuten, der sich nicht lohnen würde“. Petra Rietzler möchte den ÖPNV klug weiter entwickeln, „denn dann brauchen wir nicht so viele Straßen“.
Um jungen Familien den Weg zum ersehnten Eigenheim zu erleichtern, strebt sie die Senkung der Grunderwerbssteuer für Familien mit Kindern beim ersten Bau um die Hälfte an und nennt die Gründung einer Landeswohnbaugesellschaft, die bei der Entwicklung hilft, als Ziel. Die lokale Kultur möchte Petra Rietzler ebenfalls stärken – die institutionelle wie Theater oder Philharmonie, aber auch die kleinen Zentren oder Vereine. „Ohne Kultur fehlt etwas im Leben, wir brauchen die Kultur wie die Luft zum Atmen.“
Thorsten Otterbach (AfD)
Der Mann ist im Wahlkreis noch nicht wirklich in Erscheinung getreten. Daher ist es auch schwierig, seine Aussagen herunterzubrechen. Thorsten Otterbach möchte gerne „kriminelle Illegale ausweisen“ oder grundsätzlich alles besser machen als die Regierungsparteien.
Die AfD vertritt als familienfreundliche Partei ganz klar die Linie: Kita-Gebühren müssen abgeschafft werden. Es kann nicht sein, dass das Land Baden-Württemberg jedes Jahr Milliarden in den Länderfinanzausgleich zahlt und die Empfängerländer ihre Kitas gebührenfrei machen. „Wir haben auf der Höri eine recht gute Betreuungslage.“ Auf einer Demonstration der Fridays for Future war er noch nicht, „meine Kinder auch noch nicht. Wir tun zuhause unser Möglichstes, wir brauchen dazu keine Demo.“
Thorsten Otterbach möchte sich für die Vergabe von Wohnbaugrundstücken durch Kommunen rein auf Erbpachtbasis einsetzen, „damit diese Grundstücke auch in 100 Jahren der einheimischen Bevölkerung zur Verfügung stehen“.
Thorsten Otterbach: „So kriegen wir die Innenstädte nicht wiederbelebt“
Er möchte die Autos zurückholen in die Innenstädte „und für eine Übergangszeit die Parkgebühren komplett aussetzen. Seit Jahren wird alles dafür getan, die Kunden aus den Innenstädten rauszuhalten durch Blitzgeräte alle 100 Meter und ständige Erhöhung der Parkgebühren – so kriegen wir die Innenstädte nicht wiederbelebt.“ Dort, wo Innenstädte tot seien, sei es schwer, diese wiederzubeleben.
„Wir brauchen ein Konzept und müssen alles so schnell wie möglich wieder aufmachen, wo die Hygienevorschriften eingehalten werden können“. Von der staatlichen Hilfe komme bei Künstlern so gut wie nichts an. Menschen stünden kurz vor dem Ruin, „da wird zu wenig gemacht. Wenn der Einzelhändler einmal zugemacht hat, ist er weg. Ich bin selbst Unternehmer. Ich weiß, auf was es ankommt“.