Der Schweizer Einkaufstourismus nach Deutschland ist massiv eingebrochen. Zu diesem Schluss kommt ein Projekt der Universität St. Gallen, in dessen Rahmen Wissenschaftler bereits seit Längerem Schweizer EC-Karten-Umsätze analysieren und berechnen, wie viel Geld die Eidgenossen in Deutschland ausgeben.
Gemäß der Analyse sind diese Umsätze innerhalb von drei Wochen um 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eingebrochen. Und das, obwohl die Bewohner grenznaher Kantone nach wie vor für maximal 24 Stunden nach Baden-Württemberg einreisen dürfen, ohne in Quarantäne zu müssen.
Was sagen Konstanzer Händler dazu?
Doch spiegeln sich diese Zahlen auch in der Realität wider? Der SÜDKURIER hat in der Konstanzer Innenstadt bei Händlern nachgefragt.
Die Konzilstadt wirkt am Dienstagnachmittag wie ausgestorben. Nur wenige Menschen sind unterwegs. Noch weniger als vor rund zweieinhalb Wochen, als die Schweiz zum Risikogebiet erklärt wurde und der SÜDKURIER bereits einmal in Konstanzer Läden und Geschäften unterwegs war. Unter anderem in der Buchhandlung „Homburger und Hepp“ in der Nähe des Münsters.
Schon damals hatte Mitarbeiterin Michaela Preuße eine gewisse Unsicherheit bei Schweizer Kunden festgestellt, wie sie dem SÜDKURIER sagte. Diesmal steht Inhaberin Mechtild Homburger selbst hinter der Ladentheke des seit 1953 familiengeführten Geschäfts.
Im Buchladen: „Die Schweizer sind bereits länger weg“
„Die Schweizer Kunden sind bereits länger weg“, stellt Homburger fest. Aber allgemein sei es seit dem Teil-Lockdown ruhiger geworden: „Wir merken es, dass die Tagestouristen ausbleiben.“ Dafür habe sie den Eindruck, dass die Konstanzer, die noch kommen, ein bisschen mehr einkaufen als früher, freut sich Homburger. Dennoch machen sich die fehlenden Schweizer beim Umsatz bemerkbar. „In unserem Laden stellen sie etwa ein Drittel der Kundschaft.“
Zwar stünden sie dadurch nicht vor dem finanziellen Abgrund, betont Homburger, vieles laufe bei ihnen inzwischen auch über den Online-Handel. Aber: „Wir hoffen einfach, dass die Läden weiterhin offen bleiben dürfen und natürlich auch, dass die Schweizer zurückkommen.“
Beim Friseur: „Bei vielen ist die Unsicherheit groß“
Einige Querstraßen von Homburgers Buchladen entfernt, in der Hohenhausgasse, wartet Friseurin Elpida Lapatopoulou auf ihren nächsten Kunden. Seit 26 Jahren führt sie das „Haarstudio Piccola Elpida„ gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Dolores Jimenez. „Vor dem Teil-Lockdown hatten wir noch einen richtigen Ansturm, weil viele Angst hatten, dass wir bald schließen müssen“, erinnert sich Lapatopoulou.
Das habe sich nun geändert. „Die Leute sind zurückhaltender, bei vielen ist die Unsicherheit groß. Und zwar nicht wegen Corona, sondern in finanzieller Hinsicht.“ Und die Schweizer? Seien auch weniger geworden. Normalerweise machten Kunden aus dem Nachbarland mindestens ein Drittel ihrer Kundschaft aus.
Aber die ersten beiden Novemberwochen seien auch sonst immer etwas ruhiger. „Das Weihnachtsgeschäft beginnt ab Mitte November. Wir haben auch schon einige Termine, aber wir wissen einfach nicht, was noch kommt.“ Nicht nur diese Unsicherheit ist es, die Lapatopoulou beschäftigt: „Die Leichtigkeit ist weg.“
Jeden Tag erzählten ihr Kunden von ihren Schicksalsschlägen, davon, dass sie ihre Jobs verloren haben oder ihr Gehalt gekürzt wurde. Die Friseurin betont aber zugleich: „Wir dürfen uns trotzdem nicht beklagen, denn wir haben ja nach wie vor offen.“ Und derzeit kämen sie auch finanziell über die Runden: „Wir können noch so überleben.“
Im Kleidergeschäft: „Auch Deutsche kommen kaum noch“
Weniger zuversichtlich klingt es wenige Meter vom Friseursalon entfernt, im Kleidergeschäft „Cocon. Der Seidenladen“, der seit 24 Jahren besteht. „Wenn das wirklich nur einen Monat dauert, ist es okay. Aber wenn es so weitergeht, können wir langsam packen“, sagt Mitarbeiterin Ursula Schwängler.
60 bis 70 Prozent ihrer Kunden kämen normalerweise aus der Schweiz. Die meisten blieben nun weg, seit der Teil-Lockdown verhängt wurde – und nicht nur sie, wie Schwängler sagt: „Auch Deutsche kommen kaum noch. Und viele Schweizer verbinden das Einkaufen mit einem Ausflug in die Stadt, mit einem Essen.“
Und es gebe ja auch keinen Grund mehr, sich mit schönen Kleidern einzudecken, bedauert Schwängler: „Wo soll man damit auch hin, wenn alles zu hat?“ Sie hoffe deshalb sehr, dass sich die Lage wieder bessere: „Wenn es noch lange so weitergeht, ist das für jeden Händler in Konstanz sehr heftig.“