Es war ein Julitag 2023, an dem der 57-Jährige etwas für ihn gänzlich Ungewöhnliches tat. Er ging in einen Supermarkt in Konstanz, öffnete die Verpackung einer Motorsäge und stahl daraus zwei Akkus im Wert von geschätzten 50 Euro. Die stellvertretende Filialleiterin beobachtete ihn dabei und gab einem Kollegen Bescheid. Er stellte sich vor dem Geschäft in den Weg, als der Mann mit dem Fahrrad davonfahren wollte. So schildert es die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift im April vor dem Amtsgericht Konstanz.

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Der Angeklagte sei zunächst nicht bereit gewesen, den Mitarbeiter des Discounters zu begleiten. Nach einem kurzen Wortwechsel sei er aber schließlich vom Rad gestiegen und mit dem Angestellten in Richtung Marktbüro gelaufen. Auf dem Weg sei es zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen, bei er den Mitarbeiter zu Boden gebracht habe. Das Opfer hatte anschließend Schürfwunden, vor Gericht spricht er als Zeuge von anhaltenden Problemen an der Hand. Die Anklage lautet zunächst: räuberischer Diebstahl in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung.

Ein ungewöhnlicher Angeklagter

Der Angeklagte war bis zu dem Julitag nie straffällig geworden. Der 57-Jährige ist dreifacher Vater, nach eigenen Angaben in einer erfüllten Beziehung mit seiner Frau, hat stets gearbeitet. „So etwas habe ich noch nie gemacht“, sagt er zu Beginn der Verhandlung über die Tat, sichtlich beschämt. Den Diebstahl gesteht er direkt und versucht eine Erklärung dafür zu liefern. Kurz vor der Tat hatte er eine neue Tätigkeit aufgenommen, musste ein Fahrzeug steuern, mit dem er nicht vertraut war. Viele Anweisungen und ungewohnte Abläufe – „mir ist fast der Kopf geplatzt“, sagt der Angeklagte vor Gericht.

Er berichtet von einer Art Aussetzer, als er Feierabend hatte. In einem Gutachten, das die Richterin verliest, schreibt ein Psychiater von einer Überforderungssituation. Die Akkus habe er gar nicht gebraucht, so der Angeklagte weiter. Die Aggressivität, so schildert er es zunächst, sei von dem Mitarbeiter des Discounters ausgegangen. Der habe ihn zu Boden gebracht. Nach den Zeugenaussagen der beiden Angestellten stellt sich die Sache allerdings doch eher so dar, wie in der Anklageschrift beschrieben.

Die Beweisaufnahme endet vorzeitig

Die Richterin regt einen Austausch zwischen den Prozessbeteiligten in einer Sitzungspause an. Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht tauschen sich also aus, anschließend spricht Verteidiger Andreas Hennemann mit seinem Mandanten. Als die öffentliche Verhandlung wieder aufgenommen wird, ist der Angeklagte auch hinsichtlich der Körperverletzung geständig. Die Situation sei ihm so peinlich gewesen, sagt er, er habe einfach nur weggewollt. Daher habe er das Opfer gestoßen und zu Boden gebracht. Die Beweisaufnahme kann durch das Geständnis vorzeitig beendet werden.

Die Staatsanwaltschaft plädiert anschließend auf eine milde Strafe, rückt auch vom Tatvorwurf des räuberischen Diebstahls ab. 90 Tagessätze zu je 40 Euro für Diebstahl in Tatmehrheit mit Körperverletzung und versuchter Nötigung, so die Forderung der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Hennemann schließt sich der Staatsanwaltschaft vollumfänglich an – eine Premiere, wie er sagt. Das Gericht folgt in seinem Urteil dieser Forderung.

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„Sie sind heute mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Richterin Heike Willenberg zum Angeklagten. Die berufliche Ausnahmesituation mache die Tat für sie nachvollziehbar. Dass der Angeklagte vorher noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, sich für seine Tat bei der stellvertretenden Filialleiterin entschuldigt hat und geständig war, wird ihm zugunsten ausgelegt. Der Angeklagte leide unter seinem Verhalten selbst noch genügend, glaubt die Richterin. Und sie ist sicher, dass sie ihn in Zukunft nicht erneut vor Gericht sehen wird.