Das Vorhaben, die Konstanzer Altstadt als E-Zone auszuweisen, sorgte kurz vor der Kommunalwahl für mächtigen Wirbel. In einer Pressemitteilung der Stadt Konstanz hieß es damals: „In der Konstanzer Altstadt soll eine sogenannte E-Zone entstehen, in der langfristig nur noch E-Autos fahren dürfen.“
Der Hintergrund: Die Stadtverwaltung möchte sich um die Förderung E-Zonen des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg bewerben. Mit der ersten Sitzungsvorlage erntete sie bei den Stadträten keinen Blumentopf; zu viele Fragen blieben offen. Der Technische und Umweltausschuss (TUA) stimmte am 4. Juni dem Antrag von Holger Reile (Linke Liste) zu, das Thema zu vertagen und dem neuen Gemeinderat nach der Sommerpause vorzulegen.
Jetzt kommt das Thema schneller als erwartet aufs Tapet. Das sei sachdienlich und vernünftig, findet Simon Pschorr (Linke Liste), sonst könnte die Einreichfrist für das Förderprogramm nicht eingehalten werden. Die Verwaltung hat derweil eine Ergänzungsvorlage verfasst und darin den Fokus auf den Ausbau geförderter Ladeinfrastruktur und E-Carsharing-Angeboten an zentralen Orten gelegt. In der Sitzung am Dienstag, 23. Juli, um 16 Uhr im Rathaus will sie vom Gemeinderat das Go, den „Förderantrag zur Einreichung beim Ministerium für Verkehr“ am 15. September auszuarbeiten.

Wichtiger Zwischenschritt für autofreie Innenstadt
„Unser großes Ziel ist die autofreie Innenstadt“, sagt Anne Mühlhäußer (FGL&Grüne). Sie befürwortet das Vorgehen der Verwaltung, sich auf das Förderprogramm E-Zone zu bewerben, schließlich stehe auch in der Klimaschutzstrategie „die notwendige Halbierung des motorisierten Individualverkehrs bis 2035“. Die Bündelung von E-Ladestationen in Parkhäusern in Verbindung mit E-Carsharing sei „ein guter Zwischenschritt“. Parkplätze im öffentlichen Raum könnten „mittelfristig abgebaut werden“, so Mühlhäußer.

Aus denselben Gründen: „Von unserer Seite kommt Unterstützung“, äußert Gabriele Weiner (Junges Forum). Noch gebe es Fördergelder; wie lange noch, das sei die Frage. Deshalb rät sie zum Zugreifen. Es handle sich um ein zukunftsweisendes Konzept für die Innenstadt, um den „Individualverkehr von außen verbannen“ zu können, so Simon Pschorr aus persönlicher Sicht. „Die Parkhäuser könnten in Zukunft Anwohnerparkhäuser werden“; auch die Bewohner bräuchten Ladeinfrastruktur.

Ja zu Anreizen, nein zu Verboten
Jürgen Ruff (SPD) sei nicht undankbar gewesen, dass die Entscheidung vertagt wurde, denn gemäß der ersten Vorlage wurde ein „Einfahrverbot für Verbrenner“ befürchtet. Gordon Appel von den Stadtwerken und Lorenz Heublein, stellvertretender Leiter des Amts für Klimaschutz, seien jetzt bei den Fraktionen vorstellig geworden. „Da ist gesagt worden, dass das nicht der Fall ist“, berichtet Ruff.
Wichtig sei der SPD, Anreize zur Mobilitätswende zu schaffen, „unter der Maßgabe: keine Verbote und keine aktive Verdrängung“. Schließlich gebe es Menschen, die auf ihr Auto angewiesen seien. „Ad hoc wäre das für manche eine Killergeschichte“, so Ruff.

Ziel des Förderprogramms sei die emissionsfreie Zone, die Maßnahmen hierfür seien allerdings in den Fördergrundsätzen des Landes „schwammig formuliert“, findet Jürgen Ruff. Wichtig ist ihm ein „durchdachtes Konzept“, deshalb sei er gespannt, „wie der Förderantrag dann formuliert ist“. Fest steht für ihn: „Wir werden ihn gut durchschauen.“
Plötzlich ist alles wischiwaschi
„Die ursprüngliche Vorlage ist nicht aufgehoben“, hebt Daniel Hölzle (Freie Wähler) hervor. Diese hatte Ängste in der Bevölkerung geschürt. Mit Blick auf die Ergänzungsvorlage meint er: „Mich wundert, dass plötzlich alles wischiwaschi ist und wir eigentlich nichts machen müssen, um die Förderung zu bekommen.“
„Eine absurde Situation“, denn vorher seien einige zusätzliche Maßnahmen gefordert worden. Es stelle sich die große Frage, was die Stadt leisten müsse, um die Förderung für die Ladeinfrastruktur zu bekommen. Dann gelte es abzuwägen: „Was kostet das und was bekommen wir im Gegenzug.“
In den Fördergrundsätzen des Verkehrsministeriums wird aus dem Koalitionsvertrag zitiert: „Mithilfe von E-Zonen wollen wir in Wohnquartieren Lebensqualität und Klimaschutz zusammenbringen.“ Warum soll gerade die Innenstadt als E-Zone ausgewiesen werden, fragt sich Hölzle: „Können wir nicht in einem anderen Gebiet die E-Zone ausweisen und trotzdem die Förderung erhalten?“
Alles Augenwischerei und kein Gesamtkonzept
„Wir kaufen die Katze nicht im Sack, denn wir haben keine Ahnung, was in dem Sack drin ist. Wir kennen die Konsequenzen nicht“, stellt Heike Rawitzer (CDU) fest. Antriebsänderungsanreiz sei gut, aber die CDU befürchte ein Verbot für Verbrenner. Das Ganze sei unausgegoren und es gebe noch zu viele Unsicherheiten.
Eine große Frage sei auch: „Was bedeutet das für Handel, Gastronomie, Wirtschaft und die Anwohner“, so Rawitzer. Sie vermisst ein Gesamtkonzept. „Wir reden nicht wirklich über die Verbesserung der Ladeinfrastruktur, sondern über Verkehrs- und Stadtentwicklung“, fasst sie zusammen und kommt auf die Fördergrundsätze zu sprechen: „Es sind Pflichten, die man erfüllen muss, hinter denen wir nicht stehen können.“

„Warum solle man eine Förderung bekommen, wenn alles so bleibt, wie es ist“, fragt sich Achim Schächtle (FDP), der das nicht glaubt. „Ich denke, die Wahrheit steht in der ersten Vorlage“, so Schächtle. In den Fördergrundsätzen des Verkehrsministeriums „stehen mehr Restriktionen drin“, so Schächtle. Was ihn ebenso umtreibt: „Wir wissen nicht, was passiert, wenn die Straßenverkehrsordnung eine E-Zone definiert.“ Die FDP werde deshalb den Arbeitsauftrag nicht erteilen. In der Sitzung des neugewählten Gemeinderats könnte es also am Dienstag, 23. Juli, um 16 Uhr spannend werden – denn nicht alle Räte sind von dem Vorschlag der Verwaltung überzeugt.