Besuchern im Lorettowald bietet sich ein anderes Bild als zuvor: Die imposanten 45 Meter hohen, teilweise bis zu 250 Jahre alten Bäume liegen gefällt neben dem Waldweg. Doch dies stellt einen notwendigen Schritt dar, um den Wald für die Zukunft zu rüsten und dabei die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten. Das sagt Irmgard Weishaupt, Försterin des Lorettowaldes, im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Kranke Bäume wegen Klimakrise
In den letzten Jahren habe sich die Lage im Lorettowald verschärft. Konstanz leide seit etwa fünf Jahren, besonders in den Sommermonaten, an extremen Dürren. Eine Folge: Durch das fehlende Wasser werden die Baumkronen nicht mehr mit Wasser versorgt und drohen auszutrocknen. Diese sind dann sehr instabil und könnten jederzeit abknicken und herabstürzen, weiß Irmgard Weishaupt.


Die Försterin sagt, dass die traurige Wahrheit ist, dass keiner der alten Bäume noch gesund ist. Das Klima habe sich radikal verändert und die alten Bäume könnten sich diesem neuen Klima nicht anpassen. Sie sterben ab. Die Försterin erklärt, dass in jedem Wald immer wieder kranke Bäume gefällt werden müssen, aber diese „Extrembelastung“ diesen Prozess nochmals vermehre und beschleunige.

Es gibt aber noch weitere Gründe, warum ein Baum erkrankt und schwach werden könnte, sagt die Försterin. Darunter sind Käfer, Pilze und Bakterien, aber auch invasive Pflanzenarten. Doch damit nicht genug: Sogar einen „Sonnenbrand“ können viele Bäume bekommen. Dies passiert, wenn die vorderen Bäume am Waldweg gefällt werden müssen und die dahinter liegenden, bisher beschatteten Bäume, dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt sind.
Wald muss sich von Parkattributen lösen
Durch den Klimawandel muss in vielen Wäldern ein Umbau stattfinden, um sich gegen die immer extremeren Wetterlagen zu wappnen. Es handelt sich jedoch um eine außergewöhnliche Situation im Lorettowald, denn nirgendwo sonst ist eine derart hohe Zahl von Besuchern anwesend.
Einer dieser Besucher ist Michael Vetter. Er geht regelmäßig im Lorettowald spazieren und sagt, dass er nicht mehr bei stärkerem Wind in den Wald geht, wegen der Gefahr durch herabfallende Äste. Die Försterin stimmt ihm zu und meint auch, dass dies sehr wohl gerechtfertigt ist – allerdings betreffe das natürlich nicht nur den Lorettowald.

Der „insulare“, also von Siedlung umgebene Wald, gilt schon lange als Naherholungsort und hat auch die dazugehörige Ausstattung. Darunter sind der neuere Sportpfad, die betonierten Waldwege sowie die etwa 70 Bänke, die dem Wald ein Parkgefühl geben. Jedoch will man von einem Park wieder zu einem Wald zurück. Irmgard Weishaupt erklärt, dass deshalb einige Bänke bereits dauerhaft entfernt wurden und andere temporär wegen Fällarbeiten. Die endgültige Anzahl verbleibender Bänke ist noch ungewiss.

Die Waldbesucher sollten sich darüber im Klaren sein, dass der Lorettowald kein Park ist und das Betreten laut dem Landeswaldgesetz Baden-Württemberg auf eigene Gefahr erfolgt, so Irmgard Weishaupt. Sie versichert aber, dass sie und ihr Team alles dafür tue, um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten. Für sie haben deswegen die Bäume, die die Sicherheit der Besucher am stärksten gefährden könnten, oberste Priorität. Die Fällarbeiten konzentrieren sich auf Orte, wo viel Publikumsverkehr herrscht. Dazu gehört der Sportplatz Waldheim am Salesianerweg, der im nordwestlichen Teil des Waldes liegt.
Eine „Gratwanderung“
Die Försterin erklärt, dass sie nicht alle alten und kranken Bäume fällen möchte. Doch sie betont, dass es zwingend erforderlich sei, bevor diese Bäume eine potenzielle Gefahr für Besucher darstellen könnten. Darüber hinaus könne es dann auf gefährlich für ihr Team werden, wenn dies die Bäume entfernt.

Die „Verkehrssicherungspflicht“ spiele hierbei eine entscheidende Rolle. Doch gleichzeitig ist die Spitalstiftung Konstanz, der der Lorettowald gehört, auch dem Naturschutz verpflichtet. Irmgard Weishaupt macht deutlich, dass dieser „Spagat“ zwischen Naturschutz und Verkehrssicherungspflicht kaum umsetzbar ist – insbesondere angesichts der großen Anzahl an Bäumen, die gefällt werden müssen. Die Försterin betont, dass sie und ihr Team manche Bäume auch „gesund“ schneiden, sodass diese weiterhin nutzbar bleiben und möglichst lange stehen können.
Försterin unter Zeitdruck
Förster sein ist „Generationsarbeit“, so Irmgard Weishaupt. Das Ziel war schon länger, einen klimaresilienteren Wald zu formen. Doch die Förster vor ihr nahmen an, sie hätten etwas mehr Zeit. Die Klimakrise hat aber in den letzten fünf bis sechs Jahren massiv an Fahrt aufgenommen, berichtet die Försterin. Ein langsamer Waldumbau, in dem man neue Baumarten in den Wald einbringt, um ihn fit für die Zukunft zu machen, war geplant. Doch: „Jetzt überrennt (Anm. d. Red.: der Klimawandel) uns“.
Die Verantwortlichen helfen dem Wald aus, sich an das neue Klima anzupassen. Das tun sie, indem sie im Blick behalten, wie sich der Wald selbst fortpflanzen kann – und wo sie aktiv helfen müssen. Die Profis gehen den ganzen Wald ab und überprüfen, welche Samen von allein verbreitet werden und entscheiden, welche neuen Baumarten sie einbringen können. Diese sollten besser auf die extremen Wetterveränderungen eingestellt und somit für die Zukunft gerüstet sein.
Wald der Zukunft
Försterin Irmgard Weishaupt versichert, dass der Lorettowald bestehen bleiben wird. Die Waldstruktur müsse sich jedoch ändern, um den Wald möglichst klimaresistent für die Zukunft zu gestalten. Die Bäume werden dann wohl weiter auseinander stehen, um ihnen ein möglichst gesundes und langes Leben zu ermöglichen. Bedauerlicherweise wird die imposante „Baumkathedrale“ von 40 Meter hohen Bäumen nicht mehr so wie früher vorhanden sein. Die neuen Baumarten, die die Försterin in den Wald einbringt, werden nicht mehr so hoch sein, wie die fast 200 Jahre alten Bäume.

Trotz der aktuellen Veränderungen schaut die Försterin aber optimistisch in die Zukunft. Sie hofft darauf, dass Besucher weiterhin in den Wald kommen. Jedoch betont sie gleichzeitig, dass der Lorettowald einen gewissen Respekt verdient. Der Lorettowald mag sich verändern, bleibt jedoch ein Wald, der für alle nutzbar, aber auch sicher sein soll.