Die Entscheidung ist gefallen, sie ist eindeutig – aber das Thema ist damit noch lange nicht erledigt. Zumindest so weit herrscht weitgehend Einigkeit. Doch dann beginnen schon die Differenzen. Als die Zuschauer aus Wollmatingen den Ratssaal verlassen, steht ihnen die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Eine eigene Bürgervertretung bleibt ihnen auf absehbare Zeit verwehrt.

Abfinden werden sie sich damit kaum, wie die Gespräche der Besucher in der Ratssitzung zeigen. Und das Vertrauen darin, dass die Stadtverwaltung – wie wenige Minuten zuvor beschlossen – bis April Möglichkeiten einer besseren Bürgerbeteiligung ausarbeitet, hält sich zumindest bei ihnen in Grenzen.

Überraschend war die Abfuhr nach der Vorentscheidung eine Woche zuvor nicht gekommen für einen Kreis um viele bekannte Wollmatinger Gesichter. Eine frühere städtische Amtsleiterin ist darunter, ein früherer Stadtrat, Vorstandsmitglieder von Vereinen und etliche andere, die die Veränderungen im westlichsten Konstanzer Stadtteil nicht einfach über sich ergehen lassen wollen. Schon in der Vergangenheit hatten sie angekündigt, für einen Ortschafts- oder Bezirksbeirat kämpfen zu wollen, denn Workshops, Ortstermine und Diskussionsrunden reichen ihnen nach eigenem Bekunden nicht.

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Dass zu wenig Transparenz bei der Entwicklung des neuen Stadtteils am Hafner herrsche, weist Oberbürgermeister Uli Burchardt zurück. Kaum irgendwo auf der Welt gebe es ein vergleichbares Projekt, bei dem die Bürger mehr Einblick hätten, sagt er und verweist auf die vielen Termine, bei denen er selbst dabei gewesen sei. Und, ja, er sei weiterhin ein „Sympathisant“ von dezentralen Gremien und könne den Wunsch der Wollmatingerinnen und Wollmatinger gut verstehen.

Aber: Einen Sonderweg für nur einen Stadtteil werde es mit ihm nicht geben, so Burchardt, es sei auch „völlig offen“, ob das überhaupt zulässig wäre. Und er erinnert daran, dass sich die Bürgergemeinschaft Fürstenberg-Wollmatingen erst 2022 aufgelöst und ihr Restvermögen von 13.000 Euro für soziale Zwecke in ihrem Gebiet gestiftet habe. Wenn es eine neue Form der Bürgerbeteiligung geben solle, dann für ganz Konstanz: „Es kann nicht sein, dass wir für Wollmatingen eine Bezirksverfassung einführen und für den Rest der Stadt schauen wir mal.“

Noch ein Gremium, in dem diskutiert und abgestimmt wird? Das lähmt die Verwaltung und die Weiterentwicklung der Stadt, so ...
Noch ein Gremium, in dem diskutiert und abgestimmt wird? Das lähmt die Verwaltung und die Weiterentwicklung der Stadt, so Oberbürgermeister Uli Burchardt. Denn er findet schon jetzt: „Wir schaffen unsere Arbeit, die wir uns vorgenommen haben, mit unseren bestehenden Strukturen nicht.“ | Bild: Rau, Jörg-Peter | SK-Archiv

Für die CDU steht dagegen fest: „Wenn wir hier im Gemeinderat einen Schlussstrich ziehen, wird das kein Schlussstrich sein“, begründet Stadtrat Roger Tscheulin das Festhalten seiner Partei an der Forderung trotz der sich abzeichnenden deutlichen Abstimmungsniederlage.

Das im nationalsozialistischen Regime begangene Unrecht könne und müsse geheilt werden, sagt er mit Bezug auf den viel beachteten SÜDKURIER-Artikel von Stadtarchivar Jürgen Klöckler. Konstanz habe durch die Eingemeindung des reichen Industriedorfs vor 90 Jahren viel bekommen – aber „das, was vor Wollmatingen liegt“, begründe den Wunsch nach einer Bürgervertretung noch mehr.

Die Wollmatinger werden sich mit einer Absage des Gemeinderats an den Wunsch nach einer Bürgervertretung nicht abfinden, warnt CDU-Mann ...
Die Wollmatinger werden sich mit einer Absage des Gemeinderats an den Wunsch nach einer Bürgervertretung nicht abfinden, warnt CDU-Mann Roger Tscheulin: „Es ist klar, dass mit einem Federstrich die Sache nicht erledigt werden kann, ganz egal, wie das heute ausgeht.“ | Bild: Rau, Jörg-Peter | SK-Archiv

Unterstützung gibt es dieses Mal nicht nur von der Linken Liste, sondern auch aus Teilen der FDP. Stadtrat Manfred Hensler erklärt, andere Stadtteile wollten doch gar kein eigenes Gremium. Die Diskussion um Bezirksbeiräte generell „schafft nur Begehrlichkeiten an anderen Stellen“, meint er. Simon Pschorr (Linke Liste) führt aus, es gehe doch nicht nur um Kosten, sondern auch um Nutzen für die Bürger, etwa durch dezentrale Verwaltungsdienstleistungen. Und eine stabile politische Vertretung sollten alle zu schaffenden Bezirke haben.

Die Mehrheit im Rat sieht das anders, und bei diesen Redebeiträgen wird es auf den Zuschauerplätzen etwas unruhiger. Niklas Becker (FGL&Grüne) kritisiert ein „schlechtes Verhältnis von Nutzen zu Kosten“ durch neue politische Gremien – für die man erst einmal gewählt werden müsse, und auch da bleiben viele außen vor.

„Es geht doch um demokratische Mitwirkung. Hilft da ein Aufbau von Verwaltungsstrukturen?“: Niklas Becker, Stadtrat von FGL&Grüne, hält ...
„Es geht doch um demokratische Mitwirkung. Hilft da ein Aufbau von Verwaltungsstrukturen?“: Niklas Becker, Stadtrat von FGL&Grüne, hält einen Ortschafts- oder Bezirksbeirat nicht für die Antwort auf eine wichtige und berechtigte Frage. | Bild: Inka Reiter/FGL&Grüne | SK-Archiv

Petra Rietzler (SPD) fordert, „Bürgerbeteiligung so zu organisieren, dass es wirklich was bringt“, und ihr Fraktionskollege Jürgen Ruff meint, heute noch neue Ortschafts- oder Bezirksbeiräte einzurichten, sei doch „etwas aus der Zeit gefallen“, das sei „nicht mehr die moderne Antwort“ wie einst in den 1970er-Jahren. Auch Alex Tasdelen (Junges Forum) nennt diese Gremien eine „Idee von gestern“, im Fall von Wollmatingen sei die Begründung dafür „von vorgestern“ und die historische Herleitung ein Argument „von vorvorgestern“.

Am Ende folgt der Rat der Einschätzung des Oberbürgermeisters, der auch noch davor gewarnt hatte, dass Entscheidungen noch länger dauern würden, wenn nun auch noch Bezirksbeiräte vorab gehört werden müssten. Zu teuer, zu langsam, zu wenig echte Beteiligung: Das sehen bei der Abstimmung 27 Stadträte so, geben zugleich auf Initiative der Freien Wähler aber einen Auftrag an die Stadtverwaltung, ein Konzept für eine bessere Einbindung der Bürger zu erstellen. Zehn sind dagegen. Es sind genau die, die zuvor für den CDU-Antrag gestimmt hatten. 27 Ratsmitglieder hatten hier mit Nein votiert. Und wissen zugleich, dass, wie CDU-Mann Tscheulin gesagt hatte, das Thema „mit einem Federstrich nicht erledigt werden kann.“