Der Entblößer von Wollmatingen ist offenbar gefasst. Das bestätigte der Konstanzer Leitende Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth dem SÜDKURIER. Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Anklage zum zuständigen Jugendrichter erhoben.
Bei den Details hält sie sich aber anders als der Täter bedeckt. Das hat einen einfachen Hintergrund: Der junge Mann ist noch gar kein Mann, sondern minderjährig. Deshalb wird auch der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Der Jugendliche soll sich am 25. November 2022 im Bereich des Bolzplatzes am Mühlenweg zweimal entblößt haben: einmal vor einem zehn-, das andere Mal vor einem elfjährigen Mädchen. Doch das waren nicht die ersten und einzigen Vorfälle.
Bereits am 7. Juli hatte er es im Zimmererweg vor zwei Mädchen im Alter von acht und zehn Jahren getan, die morgens auf dem Weg zur Schule waren. Am 25. Juli hatte es dann an der Ecke Schreinerweg/Zimmererweg einen weiteren Fall gegeben. Betroffen damals: Eine Neunjährige, die nach absolviertem Schultag auf dem Heimweg war.
Aufklärungsquote steigt durch den Fall
Exhibitionismus ist ein seltenes Vergehen, erregt aber in der Regel außergewöhnliches Aufsehen – und vor allem die Gemüter. Zahlen zum Jahr 2023 liegen bisher nicht vor, 2022 wurden der Polizei laut Sprecherin Katrin Rosenthal in Konstanz jedoch sechs Entblößungsfälle und weitere vier von anderweitiger Erregung öffentlichen Ärgernisses (also etwa Sex in der Öffentlichkeit) gemeldet. Die Aufklärungsquote lag – dank des Erfolgs in Wollmatingen – bei 60 Prozent, also bei sechs von zehn.
Das ist eine deutliche Steigerung gegenüber 2021 und 2020. Damals gab es neun und zwölf Vorkommnisse – nur vier beziehungsweise fünf wurden aufgeklärt. Bislang unbekannt sind auch die Protagonisten der jüngsten Zwischenfälle. Am 20. Juni war in der Hollister-Filiale im Einkaufszentrum Lago kurz vor dem Mittag plötzlich ein nackter Mann aus der Umkleide getreten und hatte an sich herumgespielt.
So schnell, wie er sich entkleidet hatte, war er auch wieder verschwunden. Noch bevor die Polizei eintraf, verdampfte er zu Fuß in Richtung Schweiz. „Zu dem Fall ermitteln die Kollegen noch“, erklärte Polizeisprecherin Rosenthal auf Anfrage.
Zwei Vorkommnisse am selben Tag
Auch auf den Wasserwerk-Fall trifft das zu: Eine Frau erlebte am Nachmittag desselben Tages einen ganz besonderen Schockmoment, als sie auf dem Fußweg in Richtung Hörnle auf Höhe des Wasserwerks in Staad von einem teilweise entkleideten und teilweise vermummten Mann angesprochen wurde. Er trug eine Wollmaske und hielt in der einen Hand ein Mobiltelefon, in der anderen sein Glied. Die Beschreibungen der Zeuginnen beider Vorfälle schlossen zumindest nicht aus, dass es sich um denselben Unhold wie in dem Bekleidungsgeschäft handeln könnte.
Rosenthal empfiehlt Betroffenen – es sind so gut wie immer Frauen und Kinder –, den Täter gleichzeitig zu ignorieren und sich sein Aussehen einzuprägen. „Außerdem sollte man möglichst weitere Zeugen in der Nähe ansprechen und natürlich die Polizei rufen und Anzeige erstatten.“ Die Polizei habe zu allen bekannt gewordenen Vorkommnissen Zeugenaufrufe veranlasst. Allerdings seien die Möglichkeiten der Ermittler bei der Tätersuche ohne verwertbare Aussagen und Material aus Überwachungskameras sehr begrenzt.
Gesundheitsministerium gibt Tipps
In der ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) – einem weltweit anerkannten System, mit dem medizinische Diagnosen einheitlich benannt werden – hat Exhibitionismus den Code F65.2. F65 ist das Kapitel über Störungen der Sexualpräferenz. Das Bundesgesundheitsministerium gibt auf seiner Internetseite gesund.bund.de sogar Tipps, wie man erkennt, ob man ein Exhibitionist ist.
„Sie erhalten seit längerer Zeit sexuelle Befriedigung unter ungewöhnlichen Bedingungen“, heißt es da. „Sie zeigen Fremden unerwartet Ihre Geschlechtsteile. Die Fremden sind meist vom anderen Geschlecht, mit denen Sie aber keinen Sex haben wollen. Sie sind durch das Zeigen Ihrer Geschlechtsteile sexuell erregt. Meist regt man sich danach selbst so an, dass man zum Orgasmus kommt.“
Die Behandlung einer exhibitionistischen Störung beginnt häufig, nachdem die Täter aufgeflogen sind. Mit Psychotherapie, in Selbsthilfegruppen und mit der Einnahme von Antidepressiva können die Männer ihren Drang in den Griff bekommen und besiegen. Im Zentrum für Psychiatrie Reichenau – das im Westen an Wollmatingen angrenzt – gibt es laut dem Ärztlichen Direktor Uwe Herwig allerdings keinen direkt auf dieses Thema spezialisierten Experten.