In luftiger Höhe steht Bauarbeiter Cristian Neculae auf einem Gittergerüst und arbeitet mit vielen Kollegen am nächsten Stockwerk eines künftigen Wohnhauses. Hier, auf dem Weiherhof-Areal, entstehen derzeit 144 Wohnungen sowie ein Pflegeheim der Spitalstiftung mit 86 Plätzen und Gewerbe-Einheiten.

Laut Bauleiter Stefan Lutz ist die Baustelle im Zeit- und Kostenplan; die später siebenstöckigen Gebäude sollen Ende 2024 bezugsfertig sein. Hier werden rund 55 Millionen Euro verbaut.
„Die größte Wohnungsbaukrise seit 50 Jahren“
Aber werden diese Häuser dazu beitragen, den überhitzten Konstanzer Wohnungsmarkt zu beruhigen? Bauleiter Stefan Lutz zuckt die Achseln und sagt: „Naja, es sind ja auch nur 144 Wohnungen.“ Auch er weiß, dass noch keine Kehrtwende bei Zinsniveau und Baukosten in Sicht ist. Dies führt zu einem Beinahe-Stillstand im Wohnungsbau.
Das bestätigt Winfried Kropp, Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds Bodensee: „Es droht die größte Krise seit 50 Jahren. Bauherren und Wohnungsgesellschaften stornieren begonnene Projekte und legen bereits fertig geplante Bauvorhaben auf Eis. Bauunternehmen beginnen Arbeitskräfte zu entlassen.“
Kommunen fordern Geld vom Bund
Da hilft es auch nicht, dass die Stadt Konstanz nach eigenen Angaben viele weitere Grundstücke erworben hat, für die auch Planungsrecht geschaffen wurde. „Die Quartiere gehen vorerst nicht in die bauliche Realisierung“, schreibt die Pressestelle. Neben Baupreis- und Zinssteigerung macht sie die „zu geringe Förderung des bezahlbaren Wohnungsbaus durch den Bund“ dafür verantwortlich.
Dennoch stehen nicht alle Bagger und Kräne in Konstanz still. Im kommenden Jahr werden einige Projekte begonnen oder fertiggestellt. Unter anderem sollen die Planungen für den Bücklepark vorangehen. Auf dem ehemaligen Siemens-Gelände sind rund 600 Wohnungen vorgesehen, davon knapp ein Drittel im geförderten Wohnungsbau.

Der Satzungsbeschluss soll im Frühjahr 2024 erfolgen. Doch auch hier ist die Umsetzung unklar: „Der Baubeginn ist abhängig von der Verfügbarkeit der Wohnraumförderung“, schreibt die städtische Pressestelle.
Doch nicht nur gestiegene Zinsen und Baukosten verhindern das große Vorwärtskommen beim Thema Wohnungsbau. Der Teufel steckt auch im Klein-Klein. So sagt Architekt Christoph Biehler: „In Konstanz haben wir alte briefmarkengroße Baufenster auf riesigen Flächen, das ist nicht mehr zeitgemäß. Befreiungen vom Bebauungsplan sind mühsam, Bauherren werden zermürbt und springen ab. Wenn dann gleichzeitig stundenlang über Gaupen diskutiert wird, geht nicht viel voran.“
Mieterbund mit mehreren Forderungen
Wie können nun Auswege aus dieser Krise aussehen? Winfried Kropp vom Deutschen Mieterbund Bodensee hat darauf mehrere Antworten. Vor allem sieht er die Wobak in der Verantwortung. „Aus ihrem öffentlichen Auftrag, breite Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen, folgt die Pflicht, auch konjunkturgerecht zu handeln. Das bedeutet: Die Wobak muss neue Projekte starten, selbst wenn die Finanzierung noch nicht ganz gesichert ist“, fordert Kropp.
Dazu muss aus seiner Sicht auch die Stadt Konstanz ihren Beitrag leisten: „Aus der Zweitwohnungssteuer erlöst die Stadt über zwei Millionen Euro im Jahr. Wir fordern, dass dieses Geld zweckgebunden für den Wohnungsbau verwendet wird.“
Als Projekt mit Priorität betrachtet der Mieterbund-Vorsitzende die Bebauung des Döbele und anderer Gebiete, bei denen sich die Grundstücke schon im öffentlichen Eigentum befinden. „An den Gemeinderat appellieren wir, keine Verhinderungsplanungen mehr zu beschließen“, sagt Winfried Kropp.
Das Fazit des Wohn-Experten fällt aber nicht nur düster aus. Als positiv bezeichnet er die Entwicklung des neuen Stadtteils Hafner. „Auch die Vorhaben Christiani-Wiese und Jungerhalde-West stehen kurz vor dem Baurecht. Es war wichtig, dass die Blockadehaltung egoistischer Nachbarn gescheitert ist.“

Anwohner-Proteste gehören zu fast jedem Projekt
Überhaupt fordert der Mieterbund-Vorsitzende, dass die Konstanzer, die hier schon ein Zuhause gefunden haben, nicht nur an sich selbst denken. Auch viele Projektplaner bestätigen im Gespräch mit dem SÜDKURIER, dass Proteste von Anwohnern inzwischen bei jedem Vorhaben an der Tagesordnung seien.
Aus der Sicht von Wohn-Experte Kropp sind sparsamer Umgang mit Fläche – also auch Nachverdichtung mit Augenmaß – und Lebensqualität aber keine Gegensätze. „Nicht jedes Argument gegen eine dichtere Bebauung ist stichhaltig“, meint er und sagt deutlich: „Im Interesse aller Wohnungssuchenden wehren wir uns gegen Versuche, Neubauten unter Missbrauch vorgeschobener pseudo-ökologischer Argumente zu verhindern.“