Um mit den Worten von Jürgen „Neckes“ Greis zu beginnen: „Des hot‘s früher it gebe.“ Als noch immer rüstiger Rentner fasste Greis – dank Haarfarbe dezent ergraut – nach Eröffnung der fasnächtlichen Zeit durch die Narrengesellschaft Niederburg seinen Blick auf die heutige Zeit zusammen.

Über Sinn und Unsinn des Joggens und weiterer neumodischer Erscheinungen sinnierte Jürgen „Neckes“ Greis.
Über Sinn und Unsinn des Joggens und weiterer neumodischer Erscheinungen sinnierte Jürgen „Neckes“ Greis. | Bild: Scherrer, Aurelia

Dort findet er sich wieder, irgendwo in einem Dschungel zwischen: Nordic-Walkern, die ihn mit ihren Stöcken aufzuspießen drohen; einer Auswahl an Handys, die eigentlich doch keiner braucht; und dem Irrsinn der Datenschutz-Grundverordnung. Nein, des hot‘s früher alles it gebe.

Kinder und Hip-Hopper auf der Bühne: Des hot‘s früher au it gebe

Nicht gegeben hätte es auch, dass die Niederburg-Narren ihren traditionellen Fasnachtsauftakt im unteren Konzilsaal mit Auftritten eines Kindes, eines Hip Hoppers und sehr viel Pop-Musik bereichern. Bereichern, richtig.

Yasin Amin und Christiana Gondorf rappten und sangen auf der Niederburg-Bühne.
Yasin Amin und Christiana Gondorf rappten und sangen auf der Niederburg-Bühne. | Bild: Scherrer, Aurelia

Denn die neue Ausrichtung sorgt dafür, dass der Abend – er war nicht kürzer als in den Jahren, als er noch fast ausschließlich von Büttenreden lebte – nicht langatmig und bräsig daherkommt, sondern abwechslungs- und temporeich. Die Mischung machte es.

Der schmale Grat zwischen traditionellem Programm und Modernisierung

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Wer die Menschen gut unterhält, soll auf die Bühne: jung, älter, sprechend, singend, rappend, tanzend. Mit diesem Versprechen war der neue Programmchef Simon Schafheitle bereits vor seiner Premiere angetreten.

Der neue Programmchef Simon Schafheitle (links) wagte sich mit Martin Tschaki auch auf die Bühne.
Der neue Programmchef Simon Schafheitle (links) wagte sich mit Martin Tschaki auch auf die Bühne. | Bild: Scherrer, Aurelia

Der schmale Grat, langjährige Freunde der klassischen Bühnenfasnacht nicht zu verprellen und trotzdem die Modernisierung voranzutreiben, wurde am Samstagabend erfolgreich bestritten. Als der letzte Takt gegen Mitternacht verklang, hört man Sätze wie: „Schön war‘s diesmal“ oder „Der Abend hatte gut Zug.“

Sternstunden des Humors: Die Gäste waren vom Fasnachtsauftakt der Narrengesellschaft Niederburg im Konzil begeistert.
Sternstunden des Humors: Die Gäste waren vom Fasnachtsauftakt der Narrengesellschaft Niederburg im Konzil begeistert. | Bild: Scherrer, Aurelia

Der Klepperlebue will jetzt Oberbürgermeister werden

Nach seinem Debüt im Vorjahr war dafür auch Enea von Stechow wieder mitverantwortlich. Nachdem der Stephansschüler im Vorjahr Niederburg-Präsident Mario Böhler zur Übergabe seines Amts aufgefordert hatte (erfolglos, noch ist Enea ein Klepperlebue), ging er diesmal noch einen Schritt weiter. Der Posten des Oberbürgermeisters sollte es sein.

Alternative für Konstanz? Niederburg-Klepperle Enea von Stechow hat närrisch-offiziell seine Kandidatur für die Wahl zum ...
Alternative für Konstanz? Niederburg-Klepperle Enea von Stechow hat närrisch-offiziell seine Kandidatur für die Wahl zum Oberbürgermeister angekündigt. | Bild: Scherrer, Aurelia

Als Gegenkandidat von Uli Burchardt – wie zahlreiche andere lokale Prominente aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Konzil anwesend – brachte er sich für die Wahl im kommenden Jahr ins Spiel. Über sein Angebot, dem SÜDKURIER vorab ein exklusives Interview zu genehmigen, denkt die Redaktion intensiv nach.

Norbert Heizmann gibt den bissigen Verkehrskadetten

Weil beim Fasnachts-Auftakt das Geschehen vor der eigenen Haustür aufgespießt wird, fühlen sich viele Konstanzer vom Abend zum 11.11. besser unterhalten als bei der für Zuschauer aus dem gesamten Südwesten gedachten SWR-Fernsehsendung kurz vor dem Schmotzigen Dunschtig.

So darf Norbert Heizmann als bissiger Verkehrskadett nicht nur ein den Stopp vor Konstanz für Vertreter der großen Politik von Annegret Kramp-Karrenbauer über Boris Johnson bis zu Donald Trump fordern.

Norbert Heizmann brillierte als Verkehrskadett.
Norbert Heizmann brillierte als Verkehrskadett. | Bild: Scherrer, Aurelia

Sondern – ob als Kadett für den Verkehr oder zusammen mit Christiana Gondorf und Dominik Werner als spitzzüngige Wetterfrösche – auch die in diesem Jahr unvermeidbaren Themen Feuerwerk und Seenachtfest, Klimanotstand oder Bodenseeforum aufs Korn nehmen. Gleichermaßen gab Conny Nack als versierte Bistro-Wirtin preis, wer aus dem Städtle denn alles bei ihr ein- und ausgehe.

Mann Karl-Heinz ist jetzt Ruheständler. Da zieht sich Conny Nack doch mit Freuden in ihr kleines Bistro zurück.
Mann Karl-Heinz ist jetzt Ruheständler. Da zieht sich Conny Nack doch mit Freuden in ihr kleines Bistro zurück. | Bild: Scherrer, Aurelia

Die Rolle der mit französischem Akzent säuselnden Catherine aus der Niederburg hat sie so sehr zur Marke werden lassen, dass sie inzwischen angesprochen werden soll, wo ihr Bistro denn nun genau sein und wann es wieder eröffne.

Die gelungenen Sketche und Büttenreden (wobei auf die klassische Bütt bis zur Laudatio auf den neuen Burgherr gar niemand stieg) wurden von reichlich Musik gestützt. Das kann poppig-modern sein, wie durch die Duette von Yasin Amin mit Michael Kaltenbach oder später mit Christiana Gondorf. Oder als höchst-emotionaler Schlager auf den Rheintorturm durch Roswitha Baumgärtner und Wolfgang Hofmann daherkommen.

Ein Nordlicht und SÜDKURIER-Chefredakteur wird Burgherr

Burgdame Vera Hemm widmete sich bei ihrer Laudatio ihrem Nachfolger im Kreise der Niederburg-Burgherrn, Stefan Lutz, Chefredakteur des ...
Burgdame Vera Hemm widmete sich bei ihrer Laudatio ihrem Nachfolger im Kreise der Niederburg-Burgherrn, Stefan Lutz, Chefredakteur des SÜDKURIER. | Bild: Scherrer, Aurelia

Das Augenmerk auf die Musik zu verlagern spiegelte sich auch beim Finale des Abends wider. Neu-Burgherr Stefan Lutz griff, begleitet von Matthias Fröhlich, nach seiner Kür durch die Laudatio von Burgdame Vera Hemm zur Gitarre und legte seine Sicht auf Konstanz singend dar. Auch hier gab es am Zustand des Bodenseeforums kein Vorbeikommen, ebenso wenig an den anhaltenden Streitereien zwischen Theaterintendant Christoph Nix und der Verwaltungsspitze.

SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz ist neuer Burgherr. Er setzte neben der klassischen Antrittsrede auf eine Gesangseinlage.
SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz ist neuer Burgherr. Er setzte neben der klassischen Antrittsrede auf eine Gesangseinlage. | Bild: Scherrer, Aurelia

Ob es die Narren der Niederburg mehr Überwindung gekostet hatte, ein aus Hannover stammendes Nordlicht oder ausgerechnet den Chefredakteur des SÜDKURIER zum Burgherrn zu ernennen? Weder noch, wenn man den Worten von Vereinspräsident Mario Böhler glauben darf: In allergrößtem Einmut sei die Wahl des 13er-Rats auf Stefan Lutz gefallen, beteuerte er. Aber des hot‘s früher wahrscheinlich dann doch au scho gebe.