„In der letzten nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats wurde eine Personalentscheidung getroffen“. Oder „ein Grundstücksgeschäft beschlossen“. Oder gerne auch mal „wurden keine Beschlüsse gefasst“. Aber wer kommt denn nun neu ins Team Stadtverwaltung hinzu? Wie viel Geld der Steuerzahler fließt in eine Abfindung? Wo hat sich die Stadt zu welchen Konditionen ein Grundstück gesichert? Und worüber wurde, auch wenn vielleicht nicht gleich ein rechtlich bindender Beschluss gefasst wurde, diskutiert?

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All das soll die Konstanzer Öffentlichkeit in vielen Fällen nicht erfahren. Denn was ab dem Moment passiert, wenn die Zuschauer – und auch die Medien – den Ratssaal verlassen müssen und unten an der Treppe eine rote Kordel den Zugang absperrt, bleibt im kleinen Kreis. „Nichtöffentliche Sitzung“ heißt das dann. Unter anderem dem Jungen Forum Konstanz (JFK), das mit vier Stadträtinnen und Stadträten im Rat vertreten ist, gefällt das nicht. Denn wo keine Transparenz herrscht, wachsen Gerüchte und mit ihnen der Argwohn.

Veröffentlichung der Tagesordnungspunkte

Matthias Schäfer, Fraktionschef des Jungen Forums, räumt ein, es gebe sicherlich „sinnvolle und rechtlich vorgeschriebene Gründe für die nichtöffentliche Behandlung bestimmter Themen“. Mehr Transparenz sei aber schon durch „die Veröffentlichung der Bezeichnungen der nichtöffentlichen Tagesordnungspunkte in möglichst spezifischer Form im Rahmen der jeweiligen Tagesordnung“ gegeben. Das würde zum Beispiel heißen: „TOP 14, nichtöffentlich, Erwerb der Immobilie St.-Stephans-Platz 41.“

(Archivbild) Die Stadt Konstanz hat das Anwesen Stephansplatz 41 gekauft. Beraten wurde darüber unter Ausschluss der Öffentlichkeit ...
(Archivbild) Die Stadt Konstanz hat das Anwesen Stephansplatz 41 gekauft. Beraten wurde darüber unter Ausschluss der Öffentlichkeit – um Spekulationen zu verhindern, wie die Verwaltung betont. | Bild: Scherrer, Aurelia/SK-Archiv

Die Verwaltung lehnt dieses Ansinnen allerdings klar ab. Die Beschlüsse würden ja bekanntgemacht, betont Verena Mohr, die den Gemeinderat in der Organisation unterstützt, „wir hängen die draußen aus“. Damit meint sie den Anschlag neben der Tür zum Ratssaal, in dem dann zum Beispiel eben so etwas steht wie „wurde eine Personalentscheidung getroffen“. Zugleich tritt sie einer Wahrnehmung entgegen, die manche Beobachter der Konstanzer Kommunalpolitik immer wieder haben: Den „Vorwurf, dass wir etwas unter der Decke halten wollen, würde ich ausräumen wollen“, sagt sie.

Politik und Öffentlichkeit: Was passiert hinter verschlossenen Türen?

Silvia Löhr, die Chefjuristin im Rathaus, hält ebenfalls nicht viel vom Vorstoß des Jungen Forums, wie neulich im Gemeinderat deutlich wurde. Nach ihrer Einschätzung würden Tagesordnungspunkte im Fall einer Veröffentlichung so nichtssagend benannt, dass am Ende auch keine Transparenz entsteht. Und sie warnte vor öffentlichem Druck, der bei hoher Transparenz entstehen könnte: Ratsmitglieder würden immer wieder „angegangen“, wenn „durchgestochen“ werde, was hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.

CDU-Fraktionschef sorgt sich um unbeeinflusste Beratung

So sieht es auch der CDU-Fraktionschef: Roger Tscheulin meint, der Rat könne nicht mehr unbeeinflusst beraten, wenn das Thema allein durch die Tagesordnung in der Öffentlichkeit bekannt sei. Und genau „das sollte hier nicht sein“, betonte er in – öffentlicher – Ratssitzung. Oberbürgermeister Uli Burchardt dagegen hat für das Junge Forum durchaus Verständnis: „Sie wollen transparent machen, dass da keine Sauereien passieren“, so seine Interpretation des Vorstoßes. Er verweist aber auch darauf, dass sich zum Beispiel bei einem Immobiliengeschäft die Verhandlungsposition der Stadt deutlich verschlechtern kann, wenn vorab eine Kaufabsicht bekannt wird.

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Bleibt allerdings die Frage offen, wozu die Stadt nicht sowieso durch Gesetze verpflichtet ist. Die Verwaltung sieht ihre juristische Verpflichtung mit dem Aushang an der Ratssaal-Tür als erfüllt an. SPD-Stadtrat Jan Welsch schlägt vor, dort einfach genauere Informationen zu geben, denn niemand wolle „den Eindruck von Gemauschel erwecken“. Simon Pschorr, Stadtrat der Linken Liste und Jurist, bringt aber noch etwas anderes ins Spiel. Im Standardkommentar zur Gemeindeordnung, nach einem der Herausgeber allgemein als „der Katz“ bekannt, sei ohnehin die Verpflichtung zur „ortsüblichen Bekanntmachung“ vorgesehen. Danach genügt es, „wenn der Gegenstand der Beratung allgemein, aber hinreichend genau gekennzeichnet ist“. Wobei dann die Frage ist, was „hinreichend genau“ bedeutet.

Thema soll bis Juni 2024 erst mal ruhen

Ob und wann die Konstanzer Öffentlichkeit hinreichend genau, noch genauer oder vielleicht sogar vollkommen transparent erfährt, was dann passiert, wenn Gäste und Medienvertreter den Ratssaal verlassen müssen, bleibt zunächst ungeklärt. Das Junge Forum will seinen Antrag zunächst nicht weiterverfolgen. OB Burchardt möchte das Thema nach der Wahl im Juni 2024 mit dem neuen Gemeinderat wieder besprechen. Bis dahin bleibt es beim Aushang im Rückgebäude des Rathauses, durch den zweiten Hof, rechts rein, Treppe hoch und dann links an der schweren Holztür.