Das war nicht vorgesehen: Der Konstanzer Gemeinderat traut sich aus eigener Kraft keine Einschätzung darüber zu, ob die Thüga bei den Stadtwerken einsteigen soll. Entgegen den ursprünglichen Planungen bindet er nun noch ein neues, zusätzliches Gremium von Sachkundigen ein, bevor er eine Entscheidung trifft. Oder zumindest treffen soll, denn ob es beim aktuellen Zeitplan bleibt, gilt nicht als gesichert. Walter Rügert, Sprecher der Stadtverwaltung, bestätigte die Pläne für den Expertenrat.
„Impulse, Anregungen, Abwägung von Argumenten“
Die Politiker im Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss hatten hinter verschlossener Tür die Einsetzung des Expertenrats beschlossen, nun liegt die Liste der berufenen Mitglieder vor. Nach den aufgestellten Regeln dürfen es keine aktiven Stadträte sein, es muss sich aber auch nicht um fachkundige Bürgerinnen oder Bürger der Stadt Konstanz handeln.
Und: Eine Entscheidung empfehlen soll das Gremium auch nicht. „Vielmehr“, so die Stadtverwaltung, „sollen Impulse, Anregungen und die erfolgte Abwägung von Argumenten für die weitere Debatte in der Sache und die geplante Entscheidung des Gemeinderats“ zusammengestellt und formuliert werden.
Am 20. Juli sollen die gewählten Volksvertreter bestimmen, ob die Stadtwerke zusammen mit dem Thüga-Konzern eine Tochtergesellschaft für das Energiegeschäft gründen. Dort wären die Stadtwerke nach aktuellen Überlegungen zu 74,9 Prozent und die Thüga zu 25,1 Prozent beteiligt.
- Das sind Argumente der Befürworter: Befürworter, unter ihnen OB Uli Burchardt und Stadtwerke-Geschäftsführer Norbert Reuter, führen als wesentliche Vorteile den besseren Zugang zu Energiewende-Wissen und -Ressourcen und Synergieeffekte im Verbund mit über 100 anderen Stadtwerken an. Mit der Thüga im Boot gelinge der Umbau der Konstanzer Energiewirtschaft schneller, günstiger und risikoärmer, argumentieren sie.
- Das sind Argumente der Kritiker: Kritiker, unter ihnen Engagierte von Fridays for Future oder die Initiative Konstanz Klimapositiv, sehen die Energiewende gefährdet, wenn ausgerechnet einer der größten und aktivsten Akteure auf dem Erdgas-Markt in Konstanz einen Fuß in der Tür hat und überdies eine Sperrminorität im Aufsichtsrat hat. Die Thüga sei der falsche Partner für einen Prozess, über den es eine enge politische Kontrolle brauche.
Beide Haltungen dürften sich auch im Rat der Sachkundigen wiederfinden, wobei die sieben Fraktionen jeweils eine Person dorthin entsenden können. Sechs weitere Mitglieder werden von der Stadt oder den Stadtwerken entsandt, die den Thüga-Einstieg anerkanntermaßen bevorzugen. Gleichwohl heißt es dazu in einer Vorlage an den Gemeinderat: Die Verwaltung sorgt für Ausgewogenheit in der Zusammensetzung des Rats der Sachkundigen.
Die Sachkundigen sollen nach bisheriger Planung am 6. Juli von morgens bis abends beraten – „nicht-öffentlich, um eine intensive Diskussion zu ermöglichen“, so die Verwaltung, die in diesem Fall rein rechtlich nicht an den Grundsatz der Öffentlichkeit gebunden ist. Eine „Kurzdokumentation“ des Moderators solle aber bis 17. Juli auch der Öffentlichkeit vorliegen, eine ausführliche Dokumentation dann kurz vor knapp zur Gemeinderatssitzung am 20. Juli.
Nach der Sommerpause, ist vor dem Wahlkampf für 2024
Der Zeitplan ist generell eng. In der letzten Sitzung vor der zweimonatigen Sommerpause soll der Rat über den „letter of intent“, also die schriftliche Absichtserklärung in Sachen Thüga, entscheiden. Soll das Geschäft, – von manchen Stadträten auch als „Jahrhundertentscheidung“ bezeichnet – tatsächlich beschlossen werden, müsse auch der eigentliche Konsortialvertrag vom Rat verabschiedet werden – und zwar vermutlich noch dieses Jahr.
Das Zeitfenster ist aus zwei Gründen schmal. Zum einen ist unklar, wie lange die Thüga an ihrem Angebot in Konstanz festhält, denn des gibt in den aktuell energiepolitisch unsicheren Zeiten auch andere Stadtwerke, die an der Thüga oder an denen die Thüga Interesse hat. Zum anderen steht Anfang Juni die Gemeinderatswahl an. In den Monaten davor hat das das alte Gremium in Konstanz oft keine Entscheidungen mit großer Zukunftsdimension mehr getroffen, in den Monaten danach muss sich der neue Gemeinderat erst einmal finden, und dann steht schon wieder die Sommerpause an.