Große, lichtdurchflutete Räume empfangen den Besucher, wenn er das Sekundarschulzentrum Remisberg in Kreuzlingen betritt. Nur ein Desinfektionsmittelspender am Eingang sowie Schilder mit Hinweisen auf coronakonformes Verhalten erinnern auf den ersten Blick daran, dass wir uns noch mitten in einer Pandemie befinden. Ansonsten sieht vieles so aus, wie in Vor-Corona-Zeiten: In den Gängen tummeln sich Jugendliche ohne Mund-Nasen-Schutz im Gesicht. Sie halten auch keinen Abstand zueinander.
Im Lehrerzimmer wartet bereits Michael Kubli, der Leiter dieser Sekundarschule in der Konstanzer Nachbarstadt. Schweizer Sekundarschulen sind am ehesten mit deutschen Gesamtschulen vergleichbar. Kubli gehört als Vertreter der Sekundarschulen dem „Kernstab“ genannten Krisenstab der Schulgemeinde Kreuzlingen an, der angesichts der Covid-19-Pandemie im Frühjahr aktiviert wurde.
Auf das muntere Treiben in den Gängen des Schulhauses angesprochen bestätigt Kubli, dass die Schüler in Kreuzlingen bis Klasse 9 im Gegensatz zu Gleichaltrigen in Konstanz auch in den Gängen keine Mund-Nasen-Masken tragen müssen. An Gymnasien, Fachmittelschulen oder Berufsfachschulen in Trägerschaft des Kantons würden teilweise andere Regeln gelten. Für die Sekundarschulen dagegen sind im Kanton Thurgau die Schulgemeinden zuständig. Sie bilden neben den jeweiligen politischen Gemeinden selbstständige öffentlich-rechtliche Körperschaften und sind Träger aller Schulformen vom Kindergarten bis zu den Sekundarschulen.
In Kreuzlingen dürfen sich Schüler verschiedener Jahrgänge mischen
Beim Abstandhalten gibt es jedoch ähnliche Vorgaben wie in Baden-Württemberg: „Für Kinder und Jugendliche untereinander gelten keine Abstandsregeln. Sie müssen aber zwischen den Lehrern sowie zwischen Lehrern und Schülern eingehalten werden. Und natürlich gelten für alle die Hygieneregeln. Das sind die Vorgaben von Bund und Kanton.“ Den Lehrern stünden Plexiglasscheiben und Masken zur Verfügung, wenn sie den Abstand nicht einhalten könnten.
Unterschiede zu den Schulen in Baden-Württemberg tun sich bei den Kontaktregeln zwischen Schülern verschiedener Jahrgänge auf. „In unserer Schule ist jedem Stockwerk ein Ein- und Ausgang zugeteilt, auch in den Pausen. In Schulen, wo das nicht möglich ist, finden die Pausen gestaffelt nach Jahrgangsstufen statt.“ Dabei gehe es aber nicht darum, eine Durchmischung der Jahrgänge oder Klassen zu verhindern, wie Kubli betont: „Wir wollen nur zu große Gruppenbildungen vermeiden.“
Kreuzlinger Schulen waren nie komplett geschlossen
Noch tiefer war die Kluft zwischen Kreuzlinger und Konstanzer Schulen beim Umgang mit der Corona-Pandemie während der Zeit der Schulschließungen, die in der Schweiz bis 11. Mai andauerten. Zumindest in Kreuzlingen waren die Regeln dabei liberaler als in Konstanz.
Die Notbetreuung in Kinderhorten etwa stand grundsätzlich allen Kindern offen, erklärt Schulleiter Kubli: „Nur wenn es deutlich mehr Anfragen als Plätze gegeben hätte, hätten wir priorisiert und zuerst Kinder aufgenommen, deren Eltern in systemrelevanten Berufen tätig sind.“ Doch viele Eltern hätten das Angebot gar nicht genutzt, da sie zuhause waren und etwa im Homeoffice arbeiteten.
Auch waren während der Zeit der offiziellen Schulschließungen in Kreuzlingen nie alle Schulen ganz leer, betont Kubli: „Bei den Förderklassen haben wir schnell gemerkt, dass das nicht bei allen funktioniert, wenn sie das Schulmaterial nach Hause geschickt bekommen.“
Deshalb seien auch in seinem Schulzentrum einzelnen Schülern Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt worden. „Von unserer Förderklasse saß dann jeweils ein Schüler in einem Zimmer und wurde dort betreut. So hatten sie eine Struktur im Tagesverlauf und es konnte individuell auf sie eingegangen werden.“
Unterricht 2.0: Jeder Schüler hat sein eigenes Tablet
Grundsätzlich war jedoch auch in Kreuzlingen „Home-Schooling“ angesagt: Zunächst in Form von Lernmaterialien, die nach Hause geschickt wurden, und dann durch digitalen Fernunterricht. Dabei sind die Kreuzlinger seit Sommer noch besser aufgestellt, wie Kubli erklärt: „Alle Schüler ab der dritten Klasse haben seither ein eigenes Tablet. Das hat aber nichts mit Corona zu tun, die Digitalisierungsstrategie besteht schon länger.“

In Konstanz hingegen warteten Ende September die Schulen noch auf die rund Tausend bestellten digitalen Endgeräte, für die das Schulamt Bedarfsmeldungen beim Land gestellt hatte.
Auch beim Lüften haben die Kreuzlinger die Nase vorn
Was Konstanzer und Kreuzlinger Schulen wiederum eint, ist das Thema „Frischluftzufuhr“. „Lüften ist derzeit das große Thema“, sagt Kubli. Jede Schule in Kreuzlingen erhalte nach den Thurgauer Herbstferien Mitte Oktober ein Luftqualitätsmessgerät.
„Um zu kontrollieren, wie oft tatsächlich gelüftet werden muss. Zu viel Lüften ist ja nicht nur energetisch sinnlos, sondern kann auch zu Erkältungen führen“, so der Schulleiter. Seine Schule brauche das Messgerät aber glücklicherweise nicht: „Wir haben eine komplett automatisierte und kontrollierte Lüftung, wodurch die ständige Frischluftzufuhr sichergestellt ist.“