Ins Heinrichs strömen am Mittwochabend, 10. April, Dutzende Konstanzer und Konstanzerinnen: Stadträte, Studenten, Rentner. Sie alle sind dort, um sich für die Demokratie einzusetzen. Café-Betreiber Anselm Venedey ist einer der Initiatoren sowie Sprecher des jungen Bündnisses „Konstanz für Demokratie“ und stellt die Räumlichkeiten für ein Alle-Treffen zur Verfügung.
Im Januar, nach der großen Demonstration gegen Rechtsextremismus, hat sich das Bündnis gegründet. Acht Arbeitsgruppen sind entstanden, nach Angaben des Bündnisses engagieren sich darin rund 100 Menschen. Manche der Teilnehmer dieses zweiten großen Treffens finden keinen Sitzplatz und müssen stehen.
Wahrscheinlich treibe die meisten Anwesenden die Sorge um, dass das faire, freie Miteinander gefährdet sei, so Anselm Venedey zu Beginn des Treffens. Und: „Es gibt eine Partei, die für diese Gefahr steht.“ Er meint die AfD. „Konstanz für Demokratie“ sei mit der Idee angetreten, das Erstarken der neuen Rechten zu erschweren – zunächst ist dabei der Fokus auf die Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni gerichtet.
Wie das passieren soll, das wird durch die Kurzvorträge der Arbeitsgruppen (AG) deutlich. AG1 plant Demonstrationen, nicht nur in Konstanz, sondern im gesamten Landkreis. AG2 möchte über das Wahlprogramm der AfD aufklären und bietet etwa ein Seminar an, um den Umgang mit Stammtischparolen zu schulen. Andere Arbeitsgruppen wollen beispielsweise Jugendliche informieren oder Geld einwerben.
Auch Konstanzer Studenten engagieren sich
Inspiriert von „Konstanz für Demokratie“, hat sich nach dem ersten Treffen des Bündnisses eine weitere Gruppe gegründet: die „Studis gegen Rechts“, die ebenfalls ihre Arbeit im Heinrichs vorstellen. Zu ihnen gehören unter anderem Tatjana Vogt und Felix Hartmann, beide studieren an der Uni Konstanz.
Was treibt sie an? „Die AfD verbreitet Unwahrheiten“, sagt Felix Hartmann dem SÜDKURIER. Der Chemiestudent möchte in der Wissenschaft arbeiten – und sieht diese von der AfD gefährdet. „Das ist unvereinbar mit der Wissenschaft, wenn keine Fakten verbreitet werden“, sagt er.
Auch Niklas Becker ist Teil der „Studis gegen Rechts“. Zudem kandidiert der 28-jährige Lehramtsstudent für die Freie Grüne Liste (FGL) für den Gemeinderat. Studenten und Studentinnen würden zwar selten die AfD wählen, sagt Becker dem SÜDKURIER. Sie würden aber allgemein nicht so zuverlässig wählen gehen, wie andere Bevölkerungsgruppen.

Das wollen die „Studis gegen Rechts“ ändern und etwa am Campus Werbung für die Kommunalwahl machen. Becker wirft der AfD Sexismus und Ausgrenzung vor, von Geflüchteten und von queeren Menschen.
Rentner und Rentnerinnen bringen sich ein
Direkt neben der Eingangstür des Cafés sitzt Elke Cybulla, sie ist Teil der Arbeitsgruppe Öffentliche Präsenz. Bis 2020 war Cybulla Integrationsbeauftragte der Stadt Konstanz, „da war das Thema Diversität immer ganz oben“, sagt sie. Von dem, was die AfD sich vorstelle, sei sie ganz weit entfernt.

„Die AfD macht‘s sich einfach“, so die 67-jährige Ruheständlerin. Die Partei nutze populistische Aussagen – weshalb Cybulla die Idee des Stammtischparolen-Seminars begrüßt. Neben Cybulla sitzt Andree Kruse, ebenfalls Rentner. Die Correctiv-Recherche über ein Treffen von AfD-Mitgliedern mit Rechtsextremen bezeichnet er als „Initialzündung, aktiv zu werden“.
Für Vielfalt in der Gesellschaft
Zwei Tische weiter sitzt Eric Kamguia vom Hilfsverein „Awoli“ (kurz für: African Way of Life), der unter anderem alle zwei Jahre das Afrika Festival auf dem Münsterplatz organisiert. „Es ist ganz wichtig, sich in so einem Bündnis zu engagieren“, sagt Kamguia.

Die Gesellschaft brauche Vielfalt und diese solle nicht nur geschrieben, sondern gelebt werden. Das sei in Konstanz zwar noch der Fall, aber es brauche Menschen, die sich dafür auch weiterhin einsetzen.
Bei Kamguia sitzt Stadträtin Gisela Kusche von der FGL. „Diese Zunahme der Akzeptanz von rechten Sprüchen macht mir Angst“, sagt sie. Daher finde sie es eine sehr gute Idee, möglichst viele Menschen in dem Bündnis zusammenzubringen.

Stefanie Sender ist Teil der Arbeitsgruppe Bildungsarbeit für Jugendliche. „Unser kurzfristiges Ziel ist, Jugendliche anzusprechen, dass sie zur Wahl gehen“, sagt Sender. Denn jede Stimme, die an eine andere Partei gehe, verkleinere die Chancen der AfD.

Die Partei biete zu kurz gedachte Lösungen, Parolen, die zunächst einleuchtend klingen. Sender, die zuletzt als Schulbegleiterin gearbeitet hat, möchte Jugendliche dabei unterstützen, diese Parolen zu durchschauen, sagt sie. Und: „Wir wollen über die Wahlen hinaus aktiv bleiben und junge Leute ansprechen.“
Theaterintendantin Karin Becker nimmt ebenfalls an dem Treffen teil – als Privatperson, wie sie betont. „Die Demokratie ist das kostbarste Gut, das wir haben“, sagt Becker.
Sie will sich als Teil der AG Demonstrationen daran beteiligen, antidemokratischen Tendenzen Einhalt zu gebieten. „Das gibt mir großen Mut und Hoffnung, dass wir aufstehen und den Mund aufmachen“, sagt sie über das Bündnis.
Das sagen die Initiatoren
Von Mut spricht auch Bündnis-Initiatorin Katrin Brüggemann. Ist sie zufrieden mit dem Treffen? Ein klares: „Ja!“ Sie freut sich über die vielen Teilnehmer, über neue Gesichter und die heterogene Gruppe – auch wenn sich ihrer Meinung nach noch mehr migrantische Menschen beteiligen könnten.

Mitgründer und Ex-Stadtrat Anselm Venedey ist ebenfalls zufrieden. „Ich finde, dass man in diesen Prozess der Rückgewandtheit eingreifen muss“, sagt Venedey über das Erstarken der AfD. Die etablierten Parteien hätten bislang keinen Weg gefunden, mit der AfD umzugehen – und würden teilweise selbst unglaubwürdig wirken.
„Dann nehmen die Leute den, der die ganz einfache Lösung hat, wenn sie merken, dass keiner die Wahrheit sagt“, meint Venedey. Um all dem entgegenzuwirken, brauche es das Bündnis. „Untätigkeit kann fatale Folgen haben“, so der Gastronom. Das habe man in der Vergangenheit gesehen.