Die Finanzlage der Stadt Konstanz sieht schon seit einiger Zeit nicht rosig aus. Seit Jahren gilt ein Sparkurs. Dennoch gibt die Stadt Geld für Dinge aus, die sie scheinbar nicht benötigt. Weil angemietete Büroräume für den ursprünglichen Zweck nicht mehr gebraucht wurden, der Mietvertrag aber weiterlief, hat die Stadt Konstanz rund zwei Jahre lang für leer stehende Räumlichkeiten bezahlt. So schildert es Jürgen Petry, der Vermieter der Büroräume, dem SÜDKURIER.
Die Stadt bestätigt, dass über einen Zeitraum von fünf Jahren netto 48.072 Euro Kaltmiete für die Büroflächen bezahlt wurde. Der Mietvertrag lief von April 2020 bis April 2025. Genutzt wurden die Räume laut Pressestelle der Stadt bis zum Frühjahr 2023.
Petry habe das seit Jahren leer stehende Haus im Jahr 2016 gekauft und anschließend kernsaniert. Drei Wohnungen verkaufte er als Eigentumswohnung, im Erdgeschoss entstanden die Büroflächen. Der Grundriss des Gebäudes zeigt, dass es sich um zwei Räume handelt; dazu kommen WC und Teeküche. Diese Flächen wurden schließlich an die Stadtverwaltung vermietet. In dem Gebäude Spanierstraße 12 wurde die Erhebungsstelle des Zensus 2022 eingerichtet.

Petry vermietete die Fläche über eine Dauer von fünf Jahren, Beginn am 1. April 2020. Ihm zufolge merkte die Stadt schon früh an, dass sie die Räumlichkeiten für den geplanten Zweck nicht so lange benötigt, sondern voraussichtlich nur bis Ende 2023. Der Vertrag wurde dennoch geschlossen. Laut Petry sei die Stadt optimistisch gewesen, noch eine andere Verwendung für die Räume zu finden.
Elena Oliveira von der Pressestelle der Stadt Konstanz beantwortet auf SÜDKURIER-Anfrage, wie es dazu kam. Der Mietvertrag sei nur mit einer Festlaufzeit von fünf Jahren angeboten worden – „eine übliche Laufzeit“ bei der Anmietung von gewerblichen Flächen. Für die Laufzeit bezahlte die Stadt 48.072 Euro für die Kaltmiete. „Dies entspricht einem marktüblichen Preis.“ Heruntergerechnet auf einen Monat entspricht das 801,20 Euro.
Warum mietet die Stadt überhaupt private Räume?
Warum wurden überhaupt private Büroflächen gemietet, anstatt bestehende Räume zu nutzen? Zwar prüfe die Verwaltung immer, ob bestenfalls eigene oder vorhandene Flächen genutzt werden können. Solche seien jedoch im Falle des Zensus nicht zur Verfügung gestanden, „zumal für den Zensus vorübergehend einiges zusätzliches Personal erforderlich war“.
Zudem gebe es spezifische Anforderungen an die Räumlichkeiten für den Zensus. Die Erhebungsstelle muss räumlich und organisatorisch von anderen Verwaltungsstellen getrennt sein und mit eigenem Personal ausgestattet werden. Das schreibt das Gesetz zur Ausführung des Zensusgesetzes 2022 vor.
„Die Verwaltung hat die Räumlichkeiten bewusst mit zeitlichem Vorlauf angemietet, um für den Zensus gut aufgestellt zu sein“, so Oliveira. Genutzt wurden die Büroräume in der Spanierstraße bis Frühjahr 2023. Bereits Ende Februar 2023 seien die Arbeiten weitestgehend abgeschlossen, wurde Vermieter Jürgen Petry damals per E-Mail informiert. Danach wurden die Räume wieder von der Stadt verwaltet – und anscheinend zunächst für mehrere Monate nicht genutzt.
Vonseiten der Stadt sei geplant gewesen, die Büroflächen weiter zu nutzen. Doch dann habe sich die Möglichkeit ergeben, im Wobak-Gebäude am Benediktinerplatz, also nur wenige Meter weiter, größere zusammenhängende Flächen anzumieten. Ein früherer Ausstieg aus dem Vertrag sei nicht zustande gekommen. Auch bei Anfragen „für eine anderweitige Nutzung“ sei es nicht zu einer Einigung gekommen.
Eine Anfrage, die die Stadt laut Petry an ihn gerichtet hat, war zur Umnutzung der Räume in der Spanierstraße als Unterbringung für Geflüchtete. Bis zu drei Minderjährige hätten dort unterkommen können. Das habe er allerdings – nach Rücksprache mit den Besitzern der Eigentumswohnungen im Haus – abgelehnt.
Petry erklärt, dazu hätte er zudem einen Antrag zur Umnutzung der Büroräume als Wohnfläche stellen müssen. Darüber informiert habe die Stadt ihn nicht. Seine Sorge: Durch die Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum, die in Konstanz gilt, wäre es ihm später nicht möglich gewesen, die Räumlichkeiten wieder zur Gewerbefläche umzuwandeln.
Stadt muss Mietvertrag um einen Monat verlängern
Nach dieser Anfrage vom August 2023 scheint es keine Bewegung in den Büroräumen mehr gegeben zu haben – bis der Mietvertrag Ende März 2025 auslief und die Schlüsselübergabe anstand. Die Räume seien nicht in dem Zustand gewesen, wie es vertraglich vereinbart war, so Petry. Etwa seien Löcher in Wänden nur mit Spachtelmasse ausgebessert worden, was deutlich sichtbar gewesen sei. Ein Besen sei wohl nicht zum Einsatz gekommen, vermutet er.
Das sei augenscheinlich auch der Verwaltungsmitarbeiterin, die zum Termin erschienen war, peinlich gewesen. Die Lösung: Die Stadt verlängerte den Mietvertrag um einen Monat. Ein Glücksfall, wie er sagt, da die Räume nicht direkt an einen neuen Vermieter übergeben wurden. In dieser Zeit sollten etwa Malerarbeiten stattfinden, erklärt der Eigentümer. Die Stadt bestätigt die um einen Monat über die ursprüngliche Laufzeit hinaus verlängerte Mietdauer.
Was die Vermietung angeht, beschreibt Petry den Kontakt mit der Stadtverwaltung als durchweg angenehm. Das ändert sich erst, als er sich im Herbst 2024 dazu entscheidet, die Büroräume zur Ferienwohnung machen zu wollen. Hier beginnt für ihn ein monatelanges Hin und Her mit verschiedenen Stellen der Stadtverwaltung. Der Antrag, den er stellte, sei lange unbearbeitet geblieben. Erst auf mehrmaliges Nachfragen habe die Stadt weitere Dokumente verlangt – die laut Petry bereits vorlagen.
Nach fast einem Jahr gab Petry dann seine Bemühungen auf und zog den Antrag zurück, sagt er. Daraufhin erreichte ihn ein Einschreiben: Eine Gebührenbescheid über 100 Euro wurde noch am selben Tag, an dem er den Antrag zurückzog, versendet.