Es ist ein frischer Frühlingstag, als wir uns mit Eva Eisenbarth und Dominik Gügel auf einen Spaziergang durch Konstanz treffen. Die Sonne scheint, es riecht nach Erde und Abgas. Um zu unserem Startpunkt zu kommen, fahren wir über die Theodor-Heuss-Straße in Richtung Staad. Beim Blick aus dem Fenster fällt Dominik Gügel prompt auf: „Hier war früher eine wunderschöne Allee, jetzt stehen nur noch karge Ginkgobäume am Straßenrand.“
Konstanz ist eine steinerne Stadt – zumindest wird ihr das oft vorgeworfen. Doch stimmt das wirklich? Jein, sagen Eva Eisenbarth und Dominik Gügel. Dass Orte wie beispielsweise die Marktstätte und der Augustinerplatz nicht gerade Paradebeispiele für eine klimafähige Stadtentwicklung sind, bestreiten die Experten nicht.
Trotzdem findet Dominik Gügel: „Konstanz ist mehr als nur die Altstadt. Konstanz ist Petershausen, Allmannsdorf, Staad, Wollmatingen. Da sieht‘s mit dem Grün gar nicht so schlecht aus.“ Und auch im Zentrum gebe es positive Beispiele für grüne Refugien, die unter den Konstanzern bisher wenig bekannt seien.

William-Graf-Platz ist Eva Eisenbarths Lieblingsort
Wir starten unseren Spaziergang in Staad. Direkt am Wasser, zwischen Bootsanlegeplätzen und maritimen Restaurants, ragt eine kleine grüne Oase in den See hinein. „Das hier ist mein Lieblingsort“, sagt Eva Eisenbarth und deutet auf den William-Graf-Platz. Als sie noch ein Kind war, habe niemand die Wiese als Aufenthaltsort genutzt, erinnert sich die 59-Jährige. Heute jedoch sei der Platz bei gutem Wetter sehr belebt.
„Es ist ein unheimlich schönes Beispiel dafür, was ein paar Bäume und Bänke schaffen können“, findet Eisenbarth. „Im Sommer holt man sich ein Fischbrötchen, setzt sich da hin und unterhält sich.“ Damit hätten Orte wie dieser sowohl einen ökologischen als auch einen soziokulturellen Effekt, erklärt die Unternehmerin.

Mit wenig Aufwand kann also viel bewirkt werden. Davon ist auch Dominik Gügel überzeugt: „Es müssen nicht immer die 10.000 Tulpenzwiebeln sein.“ Mit kleinen Eingriffen gelinge es, Plätze wie diesen lebenswerter zu machen. Dem Historiker ist es wichtig, eine wertneutrale Diskussion über die Begrünung von Konstanz anzuregen. „Wir wollen wegkommen von dem mit-dem Finger-auf-jemanden-Zeigen“, betont Gügel. Über einen konstruktiven Austausch mit der Stadt und den Bürgern wolle man aufzeigen, wie wichtig es ist, die Stadt grüner zu machen. „Es ist eine ökologische Notwendigkeit – vor allem wegen des Klimawandels.“
Geheime Gärten im Stadtzentrum
Dass sich nicht nur am Stadtrand, sondern auch im Zentrum grüne Orte verstecken, das beweisen die Experten an diesem Tag. Ein erstes Beispiel liegt zwischen dem Katholischen Münsterpfarramt und dem Kolpinghaus in der Niederburg.

Erreichen kann man den öffentlichen Ruheort entweder vonseiten des Pfarramts oder der Konzilstraße. Letzteres fühlt sich ein wenig an, als würde man durch einen verwunschenen Garten schlendern, bis man in den Innenhof gelangt. Dort laden Stühle und eine Tischtennisplatte zum Verweilen ein.

Hinter einem kleinen roten Tor unweit des Münsterplatzes versteckt sich ein weiterer Erholungsort – der Garten der Pallottiner. Betritt man das überschaubare Areal, riecht es nach Gräsern, Blüten und Erde.

Garten am ehemaligen Patriziersitz
Läuft man ein Stück weiter in Richtung Paradies, entdeckt man mit etwas Glück eine weitere Grünanlage an der Unteren Laube. Die Fläche ist umgeben von alten Gemäuern, darunter der Lanzenhof – einem ehemaligen Patriziersitz, wie Dominik Gügel erläutert. Heute werden die Gebäude von der Justizverwaltung genutzt. In der Mitte des Platzes steht eine schattenspendende Linde, darunter gibt es Sitzgelegenheiten.

Marktstätte bleibt Problemkind
Bewegt man sich von dort aus nun in Richtung Osten, landet man in wenigen Minuten an der Marktstätte. Sie ist farblos, außer die aufgehängten Blumen-Bälle blüht dort nichts. In der Vergangenheit gab es schon mehrere Entwürfe zu ihrer Umgestaltung, passiert ist bisher allerdings wenig.

„Die Marktstätte wirkt kalt, weil sie nicht aufgelockert ist“, sagt Dominik Gügel. Eva Eisenbarth schließt sich an: „Sie ist der zentrale Punkt der Altstadt, hat aber kein Flair, nichts Charmantes.“ Eine einzige grüne Insel – wie beispielsweise am William-Graf-Platz, würde laut den Experten schon einen bedeutenden Unterschied machen. Die Gartenbauingenieurin betont jedoch: „ Bei der Umsetzung spielen so viele Faktoren mit – zum Beispiel, ob LKW mit einem großen Radius die hier ansässigen Restaurants noch beliefern können.“
Dazu ergänzt sie: „Wir können nicht mit Spitzhacke und Schaufel die Marktstätte umgraben. Aber wir können in einen konstruktiven Dialog über eine sinnvolle Begrünung eintreten – mit der Stadt, mit Bürgern und mit Fachleuten.“
Genau diesen Dialog möchten die beiden künftig auch vermehrt über die Gesellschaft für Natur und Kultur, in deren Präsidium sie sich engagieren, führen. Der 1995 unter Graf Lennart Bernadotte gegründete Verein befasst sich vorrangig mit dem Ziel, die Natur sowie ihren kulturellen Wert für die Gesellschaft zu erhalten. „Über Grün kann man sich annähern“, sagt Eva Eisenbarth. „Daher wollen wir auch die jüngeren Generationen ansprechen und neue Räume der Begegnung schaffen.“