Aller Anfang ist schwer. So sagt der zehnjährige Tim, Fünftklässler der Geschwister-Scholl-Schule (GSS), über die erste Zeit des Lernens zu Hause: „Wir erhielten Aufgaben über unsere Schulwebsite, aber der Server war überlastet und es dauerte gefühlt zehn Minuten, bis wir etwas herunterladen konnten. Also bekamen wir die Dokumente per E-Mail geschickt. Inzwischen stehen die Aufgaben auf dem Online-Portal Moodle bereit.“

„Wir Eltern sind dabei richtig eingespannt“

Doch weiter geht es analog: Die Eltern drucken die Blätter aus, die Kinder erledigen die Aufgaben – mehr oder weniger motiviert. Tims Mutter Renate Baumgärtner sagt: „Wir Eltern sind dabei richtig eingespannt. Von digitaler Schule sind wir noch weit entfernt, aber vielleicht bringt uns das Coronavirus dazu, dass dieses Projekt gepackt wird.“

Diese Hoffnung hegt auch Andreas Zumbusch, Elternbeiratsvorsitzender am Suso-Gymnasium. Schon vor der Pandemie habe das Suso begonnen, über die Digitalisierung des Unterrichts zu diskutieren. „Auch quer durch die Elternschaft gibt es viele unterschiedliche Vorstellungen, die unter einen Hut zu bringen nicht einfach ist. Durch Corona musste jetzt vieles ohne Vorbereitung und Abwägung umgesetzt werden“, so Zumbusch.

Andreas Zumbusch, Elternbeiratsvorsitzender Suso-Gymnasium Konstanz.
Andreas Zumbusch, Elternbeiratsvorsitzender Suso-Gymnasium Konstanz. | Bild: Privat

Die Erfahrungen seien wertvoll für die langfristige Planung. Der Vater lobt den Umgang des Susos mit der ungewohnten Situation: „Wie im normalen Unterricht variiert das digitale Angebot von Lehrer zu Lehrer, doch das Engagement ist insgesamt sehr hoch und es werden auf allen Wegen detaillierte Rückmeldungen gegeben.“

Die Lehrer sind nicht mehr nah dran

Darum bemüht sich auch Frank Wenzel, Lehrer für Chemie und Biologie an der Gemeinschaftsschule Gebhard. Der 34-Jährige will so nah wie möglich an seinen Schülern dranbleiben, die er noch nicht real sehen kann: Telefon- und Videokonferenzen sowie das Erstellen eigener Lehrvideos aus dem Chemiesaal gehören seit Corona zu seinem Alltag.

Doch dabei trifft selbst der technikaffine Lehrer auf Hürden: „Datenschutzrechtlich stehen wir vor 100 Fragezeichen, außerdem sollen die Schüler nicht überfordert werden, indem sie zu viele verschiedene Programme nutzen müssen.“ Videochats könnten auch nicht den echten Unterricht ersetzen: „Es fehlt die Meta-Ebene. Das, was ein Lehrer zwischendurch von den Schülern wahrnimmt“, sagt Wenzel. Damit meint er die Lernprozessbegleitung.

Frank Wenzel, Lehrer für Biologie und Chemie an der Gemeinschaftsschule Gebhard.
Frank Wenzel, Lehrer für Biologie und Chemie an der Gemeinschaftsschule Gebhard. | Bild: Kirsten Astor

„Ich sehe am Bildschirm nicht, wer zu Hause wie viel Unterstützung erhält, ob ein Schüler überhaupt Ruhe zum Lernen findet und was ihn persönlich gerade beschäftigt“, sagt der Lehrer. Deshalb fordert er von den Schülern mindestens einmal pro Woche eine Rückmeldung ein und telefoniert viel hinterher. „Das ist sehr zeitaufwändig“, sagt der 34-Jährige. Aber es ist unabdinglich: „Wir dürfen nicht riskieren, dass schwächere Schüler abgehängt werden.“

Schüler ohne entsprechende technische Ausrüstung sind benachteiligt

Dies sieht auch die Konstanzer FDP so. In einer Pressemitteilung formuliert Ann-Veruschka Jurisch, Vorsitzende des Stadtverbands: „Schüler, die nicht über die ausreichende technische Ausstattung verfügen, sind über weitere Wochen im Nachteil. Das gilt auch für Schulen, die noch nicht über die angemessene digitale Ausstattung verfügen.“ Deshalb fordert der Konstanzer FDP-Vorstand von der Stadt als Schulträger, über technische Mittel wie Leihgeräte Bildungsgerechtigkeit herzustellen.

Doch so einfach sei dies nicht, sagt Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Amts für Bildung und Sport: „Schulen, Kommunen, Bund und Länder arbeiten seit Jahren an der Digitalisierung von Schulen. Es wäre vermessen zu glauben, dass ein Defizit ausgerechnet in der Krise aufgelöst werden kann.“

Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Amts für Bildung und Sport.
Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Amts für Bildung und Sport. | Bild: Kirsten Astor

Aber auch Schädler zieht ein klares Fazit: „Bei Schülern, die schon vor Corona Probleme hatten, verstärken diese sich im Fernunterricht. Allerdings hilft es da auch nicht, ihnen nur einen Computer auf den Tisch zu stellen.“

Langsame Leitungen als Hürde im Homeschooling

Dass die Schulen noch nicht alle die nötige Infrastruktur haben, ist kein Geheimnis. So sagt Patrick Hartleitner, Leiter des Suso-Gymnasiums: „Wir mussten zu Beginn der Krise nicht unerhebliche Probleme mit den Netzwerkverbindungen lösen.“ Inzwischen haben die Stadtwerke nachgebessert: „Das Suso hatte eine Funkverbindung zur Laube, die bei schlechtem Wetter Aussetzer hatte“, sagt Uwe Schurer vom Amt für Bildung.

Patrick Hartleitner ist Rektor des Konstanzer Suso-Gymnasiums. Bild: Kirsten Astor
Patrick Hartleitner ist Rektor des Konstanzer Suso-Gymnasiums. Bild: Kirsten Astor | Bild: knx digitales lernen Hartleitner.jpg

Nun sei das Suso auf die stabile Verbindung mittels Lichtwellenleiter umgestellt, die Stadt habe zudem an einigen Schulen die Datenkapazitäten erhöht. Trotz der Schwierigkeiten sei der Umstieg auf Unterricht zu Hause gut gelungen, sagt Hartleitner: „Ich bin stolz auf mein Kollegium. Durch Corona wurde ein Prozess, der für die kommenden Monate eingeplant war, im Eiltempo angestoßen. Ich bin sicher, dass unsere Schule aus dieser Krise gestärkt und gewappnet für die Aufgaben des anstehenden Digitalisierungsprozesses herausgehen wird.“

Kommunikation, kritisches Denken, Kollaboration und Kreativität

Wie dieser genau aussehen kann, daran arbeiten die Schulen ohnehin schon länger in ihren Medienentwicklungsplänen. Lehrer Frank Wenzel betont: „Eine Buchseite digital zu haben oder ein Arbeitsblatt einzuscannen und per E-Mail zu versenden, bietet noch keinen Mehrwert. Wir müssen erarbeiten, wie wir die vier K-Kompetenzen (Kommunikation, kritisches Denken, Kollaboration und Kreativität) bei den Schülern im analogen Unterricht fördern und wie uns neue Medien dabei unterstützen können.“