Petra Rietzler kann es nicht fassen. Am 23. Dezember beobachtet sie als Zaungast die jeweils donnerstags stattfindende Veranstaltung von Impfskeptikern beziehungsweise -gegnern. Organisiert wird sie von der Gruppierung „Studenten stehen auf“, die sich nur schwer verorten lässt.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Spektrum reicht von Rechtsextremen über Querdenker und sogenannten Spaziergängern bis hin zu Menschen, die einfach nur einem unguten Gefühl Ausdruck verleihen wollen. Die 57-Jährige hätte große Lust, ebenfalls zu demonstrieren – allerdings für eine Politik, welche die Impfstrategie ins Zentrum des Schutzes vor Corona stellt.

Knapp drei Wochen später ist es so weit: Petra Rietzler hat eine Demonstration für Montag, 10. Januar, ab 18 Uhr auf der Marktstätte angemeldet. Der genaue Ablauf ist noch nicht festgelegt, aber am liebsten wäre ihr ein ebenso klares wie kurzes Zeichen von Menschen, die grundsätzlich hinter dem Kurs der Politik zur Eindämmung der Pandemie stehen. „Die Gegner bekommen meiner Meinung nach eine zu große Aufmerksamkeit“, sagt sie, „und das liegt vor allem an der schweigenden Mehrheit.“

Unterstützung von Parteien und Fraktionen

Aufgrund der positiven Rückmeldungen kann Petra Rietzler davon ausgehen, dass längst nicht nur sie ein Ventil für den aufgestauten Unmut benötigt. Als stellvertretende Vorsitzende des SPD-Ortsvereins hat sie einige ihrer Parteifreunde kontaktiert und rannte dabei offene Türen ein.

„Petra Rietzler hat unsere volle Unterstützung sowohl im Ortsverein wie in der Gemeinderatsfraktion“, bestätigte der SPD-Fraktionssprecher Jürgen Ruff auf SÜDKURIER-Anfrage. Damit möglichst viele Parteimitglieder an der Kundgebung teilnehmen können, sei eigens die Fraktionssitzung am Montag verlegt worden. Mit rund 300 Mitgliedern dürfte allein der Ortsverein für eine rege Beteiligung sorgen.

Das könnte Sie auch interessieren

Petra Rietzler hat auch Vertreter der anderen im Gemeinderat vertretenden Parteien auf ihr Vorhaben angesprochen und die gleichen Reaktionen erfahren. „Alle finden die Kundgebung gut, etliche werden wohl auch dabei sein“, so ihre Einschätzung. Trotz dieser breiten Unterstützung handle es sich jedoch nicht um eine Veranstaltung der SPD, es sei außerdem keine gemeinsame Erklärung der Parteien geplant.

„Es ist tatsächlich so, dass ich als einfache Bürgerin die Demonstration angemeldet habe“, so Petra Rietzler. Einfache Bürgerin heißt in ihrem Fall: Sie ist gesellschaftlich engagiert, unter anderem im Gesamtelternbeirat, ist beruflich bei der Uni Konstanz als Sekretärin beschäftigt, und verfolgt das Ziel, dass die Plätze und Straßen nicht den Querdenkern, Spaziergängern oder Impfgegner überlassen bleiben.

Demo in Zeiten von Corona: Geht das?

Dabei ist sich Petra Rietzler durchaus des Dilemmas bewusst, dass zumal größere Menschansammlungen nicht zu einer Corona-Politik passen, die unter anderem mittels Abstand und Kontaktbeschränkungen die unkontrollierbare Ausbreitung der Pandemie verhindern möchte. Die Einhaltung der Abstandsgebote inklusive das Tragen von Mund- und Nasenschutzmasken sind für sie als Veranstalterin somit Bedingung für die Teilnahme, außerdem sollten keine Kinder mitgenommen werden.

Das könnte Sie auch interessieren

Mit der Polizei sei das Wesentliche bereits abgesprochen, sie werde die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen gewährleisten. Von einer Massenveranstaltung geht Petra Rietzler gleichwohl nicht aus. Sollten doch mehr als die von ihr erwarteten 200 Teilnehmer, dann biete die Marktstätte immer noch genügend Platz zum Ausweichen.

Um dem Dilemma einer Massenveranstaltung mit der Ansteckungsgefahr durch Kontakte zu entgehen, will sie die Demonstration außerdem nicht in die Länge ziehen. Als Veranstalterin werde sie ein paar Worte zu ihrer Motivation sagen, durchaus denkbar sind auch Redebeiträge anderer Befürworter der Corona-Vorkehrungen. Petra Rietzler macht aber schon jetzt keinen Hehl aus einer ihre Botschaften: „Wir leben in keiner Diktatur.“

„Wir leben in keiner Diktatur.“Petra Rietzler
„Wir leben in keiner Diktatur.“Petra Rietzler | Bild: Hanser, Oliver

Behauptungen, die in diese Richtung gehen und die etwa von den sogenannten Spaziergängern in die Welt gesetzt würden, wertet sie als Unterstellungen einer „politischen Gesinnung, die in den meisten Fällen in der braunen Ecke anzusiedeln ist“. Als Beleg führt sie unter anderem die insbesondere in sozialen Netzwerken benutzte Sprache an, in der das demokratische System als Regime diffamiert und zu Morden aufgerufen werde.

Dabei ist sich Petra Rietzler der vielfachen Belastung durch die Pandemie bewusst. „Wir alle leiden unter Corona, aber die Gefahren zu leugnen gleicht einer Verhöhnung all jener, die gestorben sind oder die einen Menschen verloren haben.“ Für sie sollte die Krise eher Anlass zur Solidarität sein – so wie sie im überwiegenden Teil der Gesellschaft gelebt werde. Sie verweist dabei auf die Leistungen von Beschäftigten im Gesundheitswesen ebenso wie auf die Unternehmen und Beschäftigten im Einzelhandel oder der Gastronomie.

Verstärkte Polizeipräsenz ist zu erwarten

Übrigens soll es am Montag zeitgleich einen Zug von sogenannten Spaziergängern geben, die sich ebenfalls gegen 18 Uhr auf dem nur wenige hundert Meter von der Marktstätte entfernten Augustinerplatz treffen wollen. Zur Eigenart dieser Spaziergänge gehört, dass sie nicht angemeldet werden, weshalb auch nichts über die Route der Teilnehmer bekannt ist. Laut Polizeisprecher Dieter Popp wird die Polizei mit einer erhöhten Präsenz auf die Kundgebung auf der Marktstätte und den Zug der Impfgegner beziehungsweise -skeptiker reagieren.