Es herrscht dicke Luft im Konzil – auch im Wortsinn. Die Bodensee Philharmonie soll in den zweiten Teil des ersten Abo-Konzerts starten, da tritt Intendant Hans-Georg Hofmann auf die Bühne und hat etwas zu erklären. So warm sei es inzwischen im Saal, dass die Musiker nun im Hemd weiterspielten. „Gesundheit geht vor“, sagt Hofmann dann noch, denn auf der Bühne ist es offenbar so ungesund warm, dass Jackett oder Frack nicht mehr zumutbar sind.

Voller Saal, dicke Luft: Im ersten Teil des jüngsten Philharmonischen Konzerts konnten die Musiker noch im Frack spielen. Nach der Pause ...
Voller Saal, dicke Luft: Im ersten Teil des jüngsten Philharmonischen Konzerts konnten die Musiker noch im Frack spielen. Nach der Pause ging es dann nur noch hemdsärmlig weiter. | Bild: Benno Hunziker

Aus dem Saal kommen unzufriedene Zwischenrufe – nicht, weil man den Musikern die Erleichterung nicht gönnen würde. Sondern, weil es schon in der Pause zu unerfreulichen Szenen gekommen war. Mitarbeiter des Konzils hatten Konzertbesuchern das verwehrt, was sie seit Jahrzehnten gerne machen: in der Pause ein bisschen frische Luft aus der Terrasse zu schnappen. Das Personal hatte sehr genau darauf geachtet, dass die Türen zubleiben.

Langjährige Konzertbesucher schütteln den Kopf

Dass es dabei nicht nur raumklimatisch nicht so richtig gut läuft, bleibt auch den Konzertbesuchern nicht verborgen. Einer von ihnen ist Roland Wallisch, langjähriger Philharmonie-Abonnent und früherer Stadtrat. Ihm wurde gesagt, die Stadt habe die Terrasse nicht mitgemietet, deshalb dürften die Konzertbesucher nicht benutzen.

Ein anderer ist Wolfgang Mettler, selbst vielfach engagierter Dirigent, der im Nachgang von einem beispiellosen Vorfall spricht. So etwas habe er noch nie erlebt in den 61 Jahren, die er überblicken kann.

(Archivbild von 2022) Er weiß um die Arbeitsbedingungen der Philharmonie-Musiker und hat kein Verständnis dafür, dass es im oberen Saal ...
(Archivbild von 2022) Er weiß um die Arbeitsbedingungen der Philharmonie-Musiker und hat kein Verständnis dafür, dass es im oberen Saal des Konzils zuletzt an Frischluft fehlte: Wolfgang Mettler, Dirigent, Chor- und Orchesterleiter. | Bild: Patrick Pfeiffer Konstanz | SK-Archiv

Dass der Haussegen im Konzil bisweilen schief hängt, haben Philharmonie-Besucher schon in der vergangenen Spielzeit immer wieder erlebt, als es zu unerfreulichen Begegnungen zwischen Konzil- und Orchestermitarbeitern kam. Mal gab es Streit um die Frage, ob Türen zum Foyer offen oder geschlossen bleiben. Mal lärmte im unteren Saal eine Party, während ein Stockwerk höher das Orchester pianissimo spielen musste.

Die Niederburg eröffnet die Fasnacht lieber im Inselhotel

Die Narrengesellschaft Niederburg hat für ihren Fasnachtsauftakt der einstigen guten Stube der Stadt bereits den Rücken gekehrt und ist ins Inselhotel umgezogen. Auch dieses Jahr wird die neue Burgdame oder der neue Burgherr am 9. November nicht im Konzil gekürt. Andere Akteure suchen ebenfalls nach Alternativen und finden sie. Die Feuerwehr hatte soeben einen großartigen Jahresabend, bei dem sich hunderte Gäste im bestens präparierten Bodenseeforum sichtlich wohlfühlten.

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Konstanz‘ größtes Gymnasium, das Humboldt, ging unlängst für die Abiturfeier ins ebenfalls Bodenseeforum. Der Festakt 100 Jahre Wobak und die Verleihung des Konstanzer Konzilpreises finden dieses Jahr auch nicht im Konzil statt.

Und noch weitere Veranstalter berichten, dass sie lieber anderenorts buchen. Eine generelle Unzufriedenheit weist Detlef Haupt allerdings von sich: Der Geschäftsführer der Gesellschaft, an die die Stadt ihre traditionsreiche Veranstaltungsstätte verpachtet hat, sagt auf SÜDKURIER-Anfrage, die Stadt sei sehr zufrieden mit der stattlichen Pacht, die er abliefere.

(Archivbild von 2022) Er findet, Konzertbesucher kämen wegen der Musik und nicht wegen der Pause auf der Terrasse: Detlef Haupt, ...
(Archivbild von 2022) Er findet, Konzertbesucher kämen wegen der Musik und nicht wegen der Pause auf der Terrasse: Detlef Haupt, Geschäftsführer der Konzil-Gaststätten | Bild: Claudia Rindt | SK-Archiv

Für viele, die regelmäßig ins Konzil gehen, stellt sich die Sache allerdings etwas anders dar. Sie haben erlebt, was Detlef Haupt dem SÜDKURIER in einem Telefonat kurz angebunden so bescheidet: „Ich brauche keinem Gast irgendwas erklären.“ Und wer ins Konzert gehe, wolle doch ins Konzert und nicht auf die Terrasse. Dafür habe es den ganzen Sommer über in der Lounge reichlich Gelegenheit gegeben. Er verstehe die Aufregung nicht.

Die Stadtverwaltung betont: Wir haben die Terrasse mitgemietet

Mit dem Mietvertrag habe das Pausen-Frischluft-Verbot nichts zu tun, kann dazu Anja Fuchs aufklären. Die Pressesprecherin der Stadtverwaltung, zu der auch die Philharmonie gehört, teilt mit: „Die Terrasse ist nicht extra anzumieten. In der Raummiete ist die Terrasse mit dabei.“

Es sei, bestätigt Anja Fuchs eine Darstellung von Geschäftsführer Haupt, vielmehr darum gegangen, die Lüftungsanlage in der Pause so zu betreiben, dass auch für den zweiten Teil des Konzerts eine angenehme Temperatur herrschte – was aus Sicht von Musikern und Publikum gründlich misslang. Und warum dann aber Schilder mit der eindeutigen Botschaft „Betreten der Terrasse nur im Notfall erlaubt“ aufgestellt waren und nicht einmal die Musiker kurz frische Luft schnappen konnten, bleibt offen.

Konzertbesucher sind auf der Terrasse des Konzils plötzlich unerwünscht: An diesem Schild entzündete sich zuletzt der Streit.
Konzertbesucher sind auf der Terrasse des Konzils plötzlich unerwünscht: An diesem Schild entzündete sich zuletzt der Streit. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Bei der Raumtemperatur will der Konzil-Pächter beim nächsten Philharmonie-Konzert nachsteuern, wenngleich er die Aufregung von vergangener Woche nicht versteht. 22 Grad seien eingestellt gewesen, am Ende habe man 23,8 Grad gemessen – diese Zahl teilt auch die Stadt Konstanz in ihrer Antwort auf eine SÜDKURIER-Anfrage mit.

Wolfgang Mettler ist einer von denen, die einen anderen Eindruck hatten. Das Musikvergnügen lässt er sich nicht vermiesen, aber die Arbeitsbedingungen der Orchestermitglieder seien beklagenswert.

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Intendant beklagt „widrige Umstände“ im Konzil, hofft aber auf Lösungen

Auch Intendant Hofmann lässt im Nachgang zu seiner „Gesundheit geht vor“-Ansprache mitteilen: „Natürlich haben unsere Musikerinnen und Musiker, wie auch unser Publikum im Konzil immer wieder mit widrigen Umständen zu kämpfen. Seit Jahrzehnten spielt die Philharmonie in einem Provisorium, keinem angemessenen Konzertsaal.“

Dennoch bleibt das Orchester für das Miteinander mit der Konzil Restaurant & Event GmbH zuversichtlich, zumal es für Klassik-Konzerte in Konstanz keine wirkliche Alternative gibt. Man sei in „einem guten Austausch mit den Betreibern des Konzils“ und schätze die Zusammenarbeit. „Wir wollen in weitere Gespräche und auf die Suche nach Lösungen gehen“, so Hofmann. Es könnte sich lohnen: Der 2021 geschlossene Pachtvertrag läuft aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses noch sieben weitere Jahre.