Sunrise hat es sich gemütlich gemacht. Ein bisschen weiter oben, um den Überblick zu behalten. Und da es bereits späterer Vormittag und ein trüber Tag ist, kümmert sich die Katze auch nicht um seinen Vornamen, der Frühaufstehen suggeriert, sondern hat sich mit einem geschlossenen Auge bequem eingerollt.

Bequem und warm sollen es die Tiere im Tierschutzheim haben, schließlich gehören sie nicht zu den verwöhntesten Exemplaren ihrer Gattung. Sunrise beispielsweise stammt aus Rumänien. Die Katze wurde im Ringtausch nach Konstanz weitergegeben, das rumänische Tierheim nahm dafür Tiere aus einem Tierheim in Odessa auf, das wegen des Krieges in der Ukraine evakuiert werden musste.

Sunrise hat es sich in der Höhe auf dem Katzenbaum bequem gemacht – und erwartet vom Rest des Tages vor allem Erholung.
Sunrise hat es sich in der Höhe auf dem Katzenbaum bequem gemacht – und erwartet vom Rest des Tages vor allem Erholung. | Bild: Wagner, Claudia

Dabei spürt das Konstanzer Tierschutzheim selbst im Moment die Belastungen der Krise deutlich. Mit zwei Themen hat die Einrichtung vor allem zu kämpfen: Die Erhöhung der Gebührenordnung der Tierärzte und die Energiekosten. Die Kosten für Tierarztbehandlungen sind seit dem 22. November deutlich gestiegen. Es handelt sich dabei um die erste Gebührenerhöhung seit 23 Jahren. „Wir haben normalerweise jährliche Tierarztkosten in Höhe von etwa 25.000 Euro. Das wird sich voraussichtlich in Zukunft etwa verdoppeln“, sagt Andrea Doll, stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzvereins.

Auch gestiegene Energiepreise bereiten Sorgen

Ein zweiter Kostenfaktor sind wie für viele andere Einrichtungen die gestiegenen Preise für Energie. Bislang habe der Abschlag für die Heizkosten 900 Euro pro Monat betragen, nun seien es 2700 Euro, berichtet Doll. Beheizt werden müssen zwei Hundehäuser und ein Katzenhaus inklusive eines Kleintierhauses. Der Tierschutzverein hat auf die Lage reagiert und ein Haus im Moment komplett stillgelegt.

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Ohne Beheizung der Unterkünfte sei die Beherbergung der Tiere nicht möglich, erläutert Heidi Schätzle, Leiterin des Tierheims. Die Hundehäuser etwa seien nach außen geöffnet, daher dürfen sie nicht zu stark auskühlen. 16 bis 17 Grad – das sind die Mindesttemperaturen für die Behausungen.

Zwei Wellensittiche warten ebenfalls auf einen neuen Besitzer. Sie wohnen im Katzenhaus, aber in sicherer Entfernung von ihren ...
Zwei Wellensittiche warten ebenfalls auf einen neuen Besitzer. Sie wohnen im Katzenhaus, aber in sicherer Entfernung von ihren natürlichen Feinden. | Bild: Wagner, Claudia

Das Konstanzer Tierschutzheim ist mit diesen Problemen nicht allein. Laut Aussagen des deutschen Tierschutzbundes seien ein Viertel der Tierheime in Deutschland von der Schließung bedroht, sagt Schätzle.

Gehört das Konstanzer Heim zu den bedrohten Einrichtungen? Heidi Schätzle und Andrea Doll hoffen, dass es dazu nicht kommt. Die Einnahmen speisen sich aus mehreren Quellen: zum einen aus den Mitgliedsbeiträgen, die mit 26 Euro pro Person und Jahr eher symbolische Bedeutung hätten, sagt Schätzle. Die zweite Quelle seien Geldspenden. „Bei den Geldspenden werden wir erst um die Weihnachtstage merken, ob die Menschen zurückhaltender sind.“ Wichtig fürs Tierheim sind auch Sachspenden wie Futter- und Deckenspenden.

Pensionsbetrieb stand lange still

Eine dritte Finanzquelle ist während der Pandemiezeit fast vollständig versiegt: Das Tierheim bietet Besitzern an, ihre Tiere in Pension zu nehmen, während sie selbst im Urlaub sind. In den Jahren 2020/21 gab es keine Einnahmen aus diesem Nebengeschäft. Erst in diesem Jahr sei der Pensionsdienst wieder in Betrieb genommen worden, erläutert Schätzle. Nun muss er schon wieder eine Pause einlegen, da das verfügbare Hundehaus, das dazu genutzt wurde, stillgelegt ist.

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Mit dem Personal komme das Tierheim einigermaßen zurecht, allerdings werde es oft eng bei der Einteilung der Schichten. „Abzudecken sind sieben Tage, im Prinzip brauchen wir jeden Tag alle drei Beschäftigten“, rechnet Schätzle vor. Neben ihr als Leiterin sind drei festangestellte Tierpfleger und eine Auszubildende mit der Betreuung der Tiere befasst.

Noch schwieriger sei es, die Schichten der Nachtnotdienste zu besetzen. Die ehrenamtliche Aufgabe erfordert regelmäßiges Engagement. Jede Nacht ist das Tierschutzheim telefonisch erreichbar, damit die Polizei die Möglichkeit hat, beschlagnahmte Tiere oder Fundtiere weiterzureichen. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Tierheims holt das Tier ab und versorgt es, bis morgens der reguläre Dienst der Pfleger beginnt. Die Zahl ehrenamtlich Engagierter ist knapp bemessen. „Zum Spazierengehen mit den Hunden haben wir genügend Freiwillige“, sagt Schätzle. Der Notdienst sei als langfristiges Engagement deutlich anspruchsvoller.

Viele Tiere werden vermittelt

Trotz aller Schwierigkeiten – im Vermitteln ihrer temporären Schützlinge ist das Team weiterhin erfolgreich. Heidi Schätzle führt das auf die klaren Regeln und die Vorstellung der Tiere auf der Homepage zurück. Wer einen Hund zu sich nehmen möchte, muss ihn über längere Zeit kennengelernt haben. Auf „Corona-Anfragen“ habe das Heim nicht reagiert, zu unsicher sei das Schicksal von Tieren, die angenommen werden, weil ein Mensch sich einsam fühle. Ein weiterer Faktor sei die Nähe zur Schweiz, räumt Schätzle ein. Viele Tiere, die diesseits der Grenze kein Zuhause fänden, kämen im Kanton Thurgau oder in Zürich unter.

Tierheim-Leiterin Heidii Schätzle mit Neville, eine der wenigen Katzen, die im Moment noch auf Vermittlung warten. Da er anhänglich ist, ...
Tierheim-Leiterin Heidii Schätzle mit Neville, eine der wenigen Katzen, die im Moment noch auf Vermittlung warten. Da er anhänglich ist, bekommt Neville allerdings viele Streicheleinheiten von den Tierheim-Freiwilligen. | Bild: Wagner, Claudia

Wie geht es mit dem Tierschutzheim weiter? Die beiden Frauen hoffen das Beste. Es gehe zunächst darum, das kommende Jahr zu überstehen, sagt Andrea Doll. „Wir sehen, wie wir überleben können“, ergänzt Schätzle – „wenn wir weiter so viel Hilfe von den Konstanzern bekommen, ist das ein realistisches Ziel.“

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Die Katze Sunrise juckt das alles wenig. Mit Menschen ist sie laut Tierheim-Angaben wenig kuschelig – vielleicht ein Grund, das sie noch nicht vermittelt ist. Der Überblick vom Platz auf dem Katzenbaum aus ist dem Tier sicher und ausreichend warm ist es auch. Da sollte es ausreichen, wenn die Menschen sich Sorgen machen.