Wen ehrt Konstanz mit einem Straßennamen? Einen Rassisten, einen Nazi, einen Verfasser antisemitischer Schriften? Und wenn ja, muss sich das ändern? Oder ist es ein besserer Umgang mit Geschichte, wenn zum Beispiel eine Conrad-Gröber-Straße die Erinnerung an einem Mann wachhält, dem der Nimbus des moralisch korrekten Münsterpfarrers längst genommen ist? Der Konstanzer Gemeinderat hat das lange und in Strecken leidenschaftlich diskutiert.

OB Burchardt wollte die Umbenennung in letzter Minute verhindern

Mit einem Ergebnis, das nicht allen gefällt und das auch Oberbürgermeister Uli Burchardt so nicht wollte. Sechs Straßen bekommen neue Namen. Betroffen sind etwa 1400 Anwohner und mehr als 80 Gewerbebetriebe. Aus diesem Grund hatte Burchardt sogar die Vorlage an den Gemeinderat noch ändern lassen.

Statt, den politischen Gepflogenheiten der Stadt folgend, das Ergebnis der Vorberatung im Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss dem Gemeinderat zur Zustimmung zu empfehlen, ließ er das Festhalten an den kritisch bewerteten Straßennamen nach oben setzen.

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Nur bei einer Ausnahme war auch die Verwaltungsspitze für einen neuen Namen: bei der Franz-Knapp-Passage am Rathaus – wo niemand wohnt und kein Protest zu erwarten war. Burchardt begründete seine Haltung damit, dass „eine große Mehrheit der Bevölkerung das so schlicht nicht will“ und eine Straßen-Umbenennung tief in den Leben „von tausenden Menschen“ eingreife. Außerdem sollten Straßennamen ohnehin künftig kürzer sein und wenn Personen, dann gerne Frauen würdigen.

Verschwindet das Böse, wenn ein Name wegradiert wird?

„Keine größere Ehre“ als eine Straßenbenennung könne eine Kommune aussprechen, sagen dazu zum Beispiel die Stadträte Peter Müller-Neff (FGL) und Jan Welsch (SPD), aber was bedeutet das konkret? Daniel Groß (CDU), selbst Historiker, ruft dazu auf „praktische Politik zu betreiben“ und auf ein „Wegradieren“ von problematischen Namen zu verzichten. Ganz anders Simon Pschorr (Linke Liste): Er sagte, wenn wir heute wüssten, dass eine Straßenbenennung falsch war, sei es richtig, das dann auch zu ändern.

In einem Satz vom Marcus Nabholz bündelt sich die Debatte dann: „Wir müssen zu unserer Geschichte stehen“, das würden an diesem Abend wohl alle Stadträte unterschreiben. Für eine knappe Mehrheit, vorwiegend bei Linken, Grünen, Jungem Forum und SPD, bedeutet dieses Zur-Geschichte-Stehen ein Ja für die Umbenennung, – bei einer knappen Minderheit mit Schwerpunkt bei CDU, Freien Wählern und FDP sowie OB Burchardt ein Festhalten an den Straßennamen inklusive Erklärungstafel.

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Info-Tafel soll auch an den alten Namenspatron erinnern

Im Ergebnis verschwinden nun sechs Namen aus dem Konstanzer Stadtbild: Conrad Gröber, Paul von Hindenburg, Franz Knapp, Otte Raggenbass, Werner Sombart und Felix Wankel. Die bisher ihnen gewidmeten Straßen heißen künftig Josef-Picard-Straße, Matthias-Erzberger-Straße, Rathauspassage, Emma-Herwegh-Straße und Ralf-Dahrendorf-Straße. Eine kleine Tafel soll dort jeweils informieren, wie die Straße früher hieß und warum das geändert wurde. Wo diese Straßen sind, sehen Sie in dieser Karte.

Rund acht Jahre hat das Verfahren zur Umbenennung gedauert, was viele Stadträte kritisieren. Und die Debatte zeigt auch: Wenn eine mit Politikern und Historikern besetzte Straßenbenennungskommission, dann ein Gemeinderatsausschuss und schließlich der Gemeinderat selbst nach einem guten Weg in der Erinnerungskultur suchen, wird‘s kompliziert. Auch das, so die Forderung, soll nochmals Thema ein.

Ein radikaler Vorschlag für die Zukunft ist aber schon mal gescheitert: Die Freien Wähler unterlagen krachend mit einem Antrag von Stadtrat Jürgen Faden. Er forderte, Straßen einfach gar nicht mehr nach Personen zu benennen, sondern nur noch „unverfänglich“.

Conrad-Gröber-Straße

Anstatt an Erzbischof Conrad Gröber wird diese Straße zukünftig an einen Architekten erinnern.
Anstatt an Erzbischof Conrad Gröber wird diese Straße zukünftig an einen Architekten erinnern. | Bild: Hanser, Oliver

Felix-Wankel-Straße

Die Felix-Wankel-Straße wird in Zukunft den Namen eines Eisenbahnpioniers tragen.
Die Felix-Wankel-Straße wird in Zukunft den Namen eines Eisenbahnpioniers tragen. | Bild: Hanser, Oliver

Franz-Knapp-Passage

Die Franz-Knapp-Passage erhält ebenfalls einen neuen Namen. Sie wird nach dem benachbarten Gebäude benannt.
Die Franz-Knapp-Passage erhält ebenfalls einen neuen Namen. Sie wird nach dem benachbarten Gebäude benannt. | Bild: Hanser, Oliver

Hindenburgstraße

Die Hindenburgstraße in Konstanz – noch trägt sie diesen Namen.
Die Hindenburgstraße in Konstanz – noch trägt sie diesen Namen. | Bild: Hanser, Oliver

Otto-Raggenbass-Straße

Die Otto-Raggenbass-Straße verschwindet ebenfalls aus Konstanz. Sie erhält den Namen einer mutigen Frau.
Die Otto-Raggenbass-Straße verschwindet ebenfalls aus Konstanz. Sie erhält den Namen einer mutigen Frau. | Bild: Hanser, Oliver

Werner-Sombart-Straße

Ein anderer Soziologe wird Namensgeber für die bisherige Werner-Sombart-Straße.
Ein anderer Soziologe wird Namensgeber für die bisherige Werner-Sombart-Straße. | Bild: Hanser, Oliver