Die neue Gemeinschaftsschule am Zähringerplatz in Konstanz erhält einen Namen. Den einer Frau. Sie heißt nun Lotte Eckener Gemeinschaftsschule Konstanz. Der Bildungsausschuss des Gemeinderates hat mit 22 Stimmen dafür gestimmt. Zwei Enthaltungen weist das Protokoll aus und lediglich eine Gegenstimme.

Als Autorin und Autor dieses Beitrags sind wir in einer gewissen Weise mitverantwortlich für diese Namensgebung. Denn wir hatten im März 2021 beim zuständigen Liegenschaftsamt den Antrag gestellt, eine Straße nach Lotte Simon-Eckener zu benennen. Jetzt erinnert gleich eine Schule an die Fotografin, Verlegerin und Tochter des Luftschiffpioniers Hugo Eckener. Wir freuen uns über diese Entscheidung des Ausschusses, der zugleich dem Beschluss der Schulgemeinschaft folgte.
Unserem Schreiben an das Amt ging ein Buch- und Ausstellungsprojekt voraus, das wir im Auftrag der literarischen Gesellschaft Forum Allmende realisiert hatten. Unser gemeinsames Buch „Lotte Eckener – Tochter, Fotografin und Verlegerin“ erschien 2021 in der Kleinen Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz. Die gleichnamige Ausstellung im Hessemuseum Gaienhofen wurde – trotz Corona – im gleichen Jahr eröffnet und rege besucht.

Während der Vorbereitungen zum Buch erhielten wir eine Zuschrift aus Hamburg. Dort hatte sich eine Initiative gegründet, die sich um Geschlechterverhältnisse bei Straßen und Plätzen kümmert. Da gibt es Nachholbedarf, auch in Konstanz, ließ sie uns wissen. Mehr als 70 Straßen und Schulen in Deutschland tragen den Namen Dr. Hugo Eckener, aber keine Straße und Schule den seiner Tochter.
Das sollten wir bitte ändern, und das hat sich jetzt geändert. Konstanz hat in der Causa noch vor Friedrichshafen die Nase vorn. Lotte wurde 1906 auf der anderen Seeseite als jüngstes von drei Kindern der Eheleute Johanna und Hugo Eckener geboren. Ihre Eltern stammten aus Flensburg. Dorthin wanderte im Frühjahr 2022 auch unsere Ausstellung, die vielbeachtet auf dem Museumsberg gezeigt wurde.

Wahr ist, dass Lotte Eckener, die sich nach ihrer Heirat mit dem Zahnarzt Dr. Paul Simon im Jahre 1936 und dem Umzug nach Konstanz auch Simon-Eckener nannte, immer im Schatten ihres berühmten Vaters stand, des Wegbegleiters und Nachfolgers von Luftschiffer Ferdinand Adolf Heinrich August Graf von Zeppelin.
Am Nachruhm ihres Vaters hatte Lotte Eckener als Co-Autorin verschiedener Publikationen mitgewirkt und nahm nach seinem Tod 1954 bei repräsentativen Terminen eine Stellvertreterrolle ein. Ihr eigenes Schaffen geriet in den Hintergrund. Dabei hat sie als Fotografin und Verlegerin Spuren in der internationalen Kulturregion Bodensee hinterlassen.

Nach ihrer Schulzeit im Paulinenstift in Friedrichshafen, einer Bildungsstätte höherer Töchter, studierte sie in den 1920er-Jahren an der Staatlichen Höheren Fachschule für Phototechnik in München das Handwerk der Lichtbildkunst und perfektionierte es im renommierten Atelier von Alexander Binder in Berlin. Während Eckener in der Werbung modernes Porzellan inszenierte, fotografierte sie Menschen, die zur Kunst-, Film- und Literaturszene Berlins gehörten, darunter etwa Josef von Sternberg und Carl Zuckmayer.
Letzterer ermunterte sie, ihr erstes Buch im Verlag von Bruno Cassirer zu veröffentlichen: „Die Welt der Bäume. 32 Photographien nach den schönsten deutschen Bäumen. Mit Gedichten von Walter Bauer“ (1934).
Noch vor der Veröffentlichung kehrte sie Berlin den Rücken und entdeckte für sich New York. Hier entstanden fotografische Kompositionen, aus denen eine zeittypische Begeisterung für die Neue Welt spricht, in der ihr Vater im Übrigen seine größten Triumphe feierte – New York bereitete dem Atlantik-Überquerer mit dem Zeppelin LZ 126 im Jahr 1924 den ersten Konfetti-Regen.
Auch die Fotografin Lotte Eckener war von den Ungetümen der Luft begeistert. Ihre Aufnahmen sind mehr als nur ein Liebesbeweis der Tochter an das Werk ihres Vaters. Sie gelten als Dokumente und ästhetische Leitbilder des technischen Zeitalters.
Nach dem New Yorker Abenteuer ging sie nach Rom, studierte dort die Schönen Künste und untersuchte mit dem Auge der Kamera die antike Architektur. Bald darauf verließ sie die Ewige Stadt, begleitete 1933 ihren Vater nach Java und Bali und erkundete mit ihm bei der Zwischenstation Kairo und Umgebung. Erst mit ihrer Heirat wurde Lotte Eckener-Simon wieder am See sesshaft. Seitdem gehörten Bildnisse und Skulpturen von Madonnen zu ihren favorisierten Sujets.

Das war nicht nur eine Art Paradigmen-Wechsel, sondern hatte auch einen kommerziellen Aspekt. 1949 gründete sie gemeinsam mit Marlis von Schoeller und Martha Koch den Verlag Simon und Koch. Dieser war nach dem Krieg hierzulande der erste von Frauen gegründete und geführte Verlag, der auf der Frankfurter Buchmesse auftrat.
Sieben Bücher veröffentlichte Eckener als Fotografin, fast 30 Kunst- und Fotobände erschienen in ihrem Verlag, dessen Sitz zuletzt in ihrem Konstanzer Haus Zur Torkel 12 war. Er bestand bis 1967. Lotte Eckener entwickelte bis dahin ein gewaltiges Netzwerk. Auch der Maler Otto Dix war ein Freund – er porträtierte ihren Vater, den „modernen Columbus“. Der Literatur-Nobelpreisträger Hermann Hesse, den sie im Tessin besuchte, widmete ihr sogar ein Gedicht.

Die letzten Lebensjahre verbrachte sie im Altenstift Rosenau. Auch dort hatten wir übrigens im Herbst 2021 eine Ausstellung eingerichtet, die an das Leben und Werk von Lotte Eckener erinnern, ja, sie in das kollektive Bewusstsein zurückbringen sollte. 1995 ist sie, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, gestorben.
Wobei: Ganz aus dem Auge verloren hatte sie die Stadt Konstanz nicht. Im Auftrag der Frauenbeauftragten Christa Albrecht wurde 2005 der Flyer „Frauenleben in Konstanz“ aufgelegt, in dem Lotte Simon-Eckener als eine von zwölf Pionierinnen des letzten Jahrhunderts gewürdigt wurde. Das hatte sich die Uneitle mit ihrem Lebenswerk verdient. Und jetzt trägt sogar eine Schule ihren Namen. Wir sagen: Danke Konstanz!